Lahnstein. Etwa 550 Ärztinnen und Ärzte sowie MFA hatten am Mittwochvormittag (13.9.) ihre Praxen geschlossen, um im rheinland-pfälzischen Lahnstein gegen Budgets, Bedarfsplanung, zu viel Bürokratie, schlechte Digitalisierung etc. zu protestieren. Weitere 700 folgten der Protestveranstaltung im Livestream.
Das kleine Örtchen Lahnstein war bewusst für den Protest ausgewählt worden: Als sich vor gut 30 Jahren Gesundheitspolitiker, darunter auch der ehemalige Bundesgesundheitsminister Horst Seehofer (CSU), im Hotel Wyndham in Lahnstein trafen, ging es vor allen Dingen ums Sparen.
Mit dem Gesundheitsstrukturgesetz, das 1993 in Kraft trat, wurde in Lahnstein der Grundstein für den Risikostrukturausgleich, die Bedarfsplanung und die Budgetierung gelegt.
Dauer-AU für krankes Gesundheitssystem
Dieses Gesetz, das heute noch in weiten Teilen Bestand habe, sei ursächlich für die existenziellen Probleme und die akut gefährdete Sicherstellung der ambulanten Versorgung in Deutschland, konstatierte der Vorstand der Kassenärztlichen Vereinigung Rheinland-Pfalz (KV RLP), der die Protestveranstaltung organisiert hatte.
„Lahnstein92 – Schluss mit Budgetierung und Bedarfsplanung“ – diese Forderung unterstützen zahlreiche Ärztinnen und Ärzte Seite an Seite mit ihren MFA im mittlerweile in die Jahre gekommenen Hotel Wyndham. Sie bescheinigten dem Gesundheitswesen Arbeitsunfähigkeit auf unbestimmte Zeit.
An den „Spooky Place“ (Dr. Peter Heinz, Vorstandsvorsitzender KV RLP) in Lahnstein waren auch Vorstände aus Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Hessen, dem Saarland und Sachsen-Anhalt gekommen, um ihrem Unmut Ausdruck zu verleihen.
MFA-Kritik: Montags fordern Patienten Lauterbachs Versprechen ein
Die Proteste (KBV im August, MFA am 8. September und 13. September in Lahnstein – Anm. der Redaktion) könnten nur ein Auftakt sein, das sei von Anfang an klar gewesen, unterstrich Dr. Sibylle Steiner, Vorstandsmitglied der Kassenärztlichen Bundesvereinigung.
„Wir werden das leise Praxissterben nicht mehr hinnehmen“, so Steiner, die Politik könne nicht mehr von den Kollegen erwarten, immer noch eine Schippe draufzulegen. „Bahnbrechend“ nenne Lauterbach seine Gesundheitspolitik, „wir nennen sie nur noch entgleist“, fügte Steiner an.
Viel Applaus erhielt auch Stephanie Schreiber, geschäftsführende Vorständin im Verband der medizinischen Fachberufe (vmf), die die Kommunikation von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) scharf kritisierte. Vorzugsweise werde abends dieses oder jenes im Fernsehen angekündigt. Wenn dann morgens um 8 Uhr die Patienten in der Praxis stünden und meinten: „Lauterbach hat gesagt, jetzt hätte ich gerne“, bedeute dies für die Praxen eine „totale Katastrophe“, so Schreiber.
Ambulante Versorgung muss erhalten bleiben
Ein eklatantes Problem sei, erklärte Schreiber, die anstehenden Tarifverhandlungen im öffentlichen Dienst. Schon jetzt sei die Schere der Einkommen von MFA, die im ambulanten Bereich tätig seien, im Vergleich zum öffentlichen Dienst enorm.
Die Praxen hätten bereits immense Probleme, qualifiziertes Personal zu finden. Dadurch erhöhe sich der Stress und die Arbeitsbelastung der Teams steige weiter an, gleichzeitig würden Patienten immer unzufriedener. Diese Problematik sieht auch der Hausärztinnen- und Hausärzteverband, weswegen er den MFA-Protest am 8. September unterstützt hat.
Steiner kündigte weitere Protestveranstaltungen der KVen an: „Bleibt das BMG verbohrt, müssen wir weiterbohren“, zeigte sich Steiner kämpferisch. Es gehe um nicht weniger als um den Erhalt der ambulanten Versorgung.