In den Chemielabors der Pflanzen entsteht so manches, was die Menschen im Lauf der Jahrtausende zu schätzen gelernt haben. Schon in den frühen Hochkulturen Assyriens und Ägyptens gibt es zahlreiche Hinweise und fundierte Kenntnisse über die Gewinnung und Anwendung pflanzlicher Arzneimittel.
In der modernen Arzneimittelforschung werden zahlreiche neue Substanzen aus Pflanzen extrahiert und auf ihre Wirkung geprüft [1]. Zwischenzeitlich gibt es umfangreiche, sorgfältige und aussagekräftige Studien, welche die Wirksamkeit vieler Pflanzenwirkstoffe (z. B. für Arzneien die Baldrian, Ginkgo biloba, Johanniskraut, Rosskastanie oder Weißdorn enthalten) belegen.
Für eine Vielzahl von Arzneipflanzen konnten systematische Reviews und Metaanalysen durchgeführt werden, sodass sie auch höhere Stufen des evidenzbasiertenNiveaus erreichen. Einige Studien haben auch gezeigt, dass die Extrakte infolge der Vielzahl ihrer Inhaltsstoffe ein breites Indikationsspektrum bei sehr guter Verträglichkeit vorweisen. Von den derzeit etwa 400.000 bekannten Pflanzenarten werden etwa 50.000 bis 70.000 Arten weltweit als Heilmittel genutzt.
Antitumor-Wirkung
Diverse, gegen maligne Erkrankungen eingesetzte Chemotherapeutika werden aus pflanzlichen Inhaltsstoffen gewonnen – etwa die Taxane (Paclitaxel, Docetaxel), die aus der pazifischen Eibe (Taxus brevifolia) stammen.
Etliche sekundäre Pflanzenstoffe haben antioxidative und immunstimulierende Effekte und sind daher ein mögliches Potenzial auch in der Prävention von Tumorerkrankungen. Dazu zählen vor allem die Epigallocatechine im grünen Tee, Curcumin der Gelbwurz und Resveratol in Weintrauben und Himbeeren [2]. Senföle aus Meerrettich (Armoracia rusticana) haben antioxidative Effekte [3].
Die supportive Behandlung bei onkologischen Patienten verfolgt vor allem zwei komplementäre Behandlungsstrategien [4]:
- Therapie von spezifischen Beschwerden und Begleiterkrankungen
- Mistel als supportives onkologisches Behandlungsprinzip
Johanniskraut
Wie vielseitig die Heilpflanzentherapie ist, zeigt beispielsweise das Indikationsgebiet von Johanniskraut. Viele Studien konnten belegen, dass Johanniskraut eine wirksame Behandlungsoption bei leichten bis mittelschweren Depressionen ist. Darüber hinaus bessert es Hitzewallungen, die auch durch eine Antihormonbehandlung bei Brustkrebs auftauchen können, und es hat weniger Nebenwirkungen als beispielsweise chemische Antidepressiva.
Es kann allerdings, vor allem bei intensivem Sonnenkontakt, zu Hautreaktionen kommen. Zu beachten ist deshalb, dass auch während einer Strahlentherapie keine Johanniskrautpräparate eingenommen werden sollten, da sonst heftige Hautreaktionen ausgelöst werden können.
Indischer Weihrauch
Indischer Weihrauch stammt vom Harz des Boswellia-Baumes ab. In der Ayurvedischen Medizin und in der Antike wurde er seit Jahrhunderten eingesetzt. Wirksame Inhaltsstoffe sind spezielle Säuren wie beispielsweise die Boswelliasäure. Diese hemmt die Bildung der Leukotriene, den Entzündungsmediatoren. Boswelliasäure soll auch die Vermehrung bestimmter Tumorzellen vermindern, wobei dies bisher nur in Tierversuchen gesehen wurde.
Mistel
Die Misteltherapie hat vor allem in der anthroposophischen Medizin einen hohen Stellenwert. Es gibt sehr viele verschiedene Präparate, die sich je nach Wirtsbaum der Mistel und Art der Herstellung in ihren Inhaltsstoffen und ihrer therapeutischen Anwendung unterscheiden. Als Wirkungsweise wird ihr zugeschrieben, dass sie Tumorzellen abtötet und die Abwehrkraft der gesunden Zellen stärkt.
Für die Misteltherapie kommt ein Cochrane Review zu dem Ergebnis, dass es Hinweise auf eine Verbesserung der Lebensqualität durch diese gibt [5, 6]. Darüber hinaus sind für die in der Mistel enthaltenen Lektine immunmodulatorische Effekte belegt [7]. Gesicherte Wirkungen der Misteltherapie sind in Tabelle 1 zusammengefasst. Die Mistel wird in der integrativen Onkologie als supportive Therapie eingesetzt.
Kontraindiziert ist die Mistel bei Allergien gegen Mistelbestandteile, akuter Infektion oder Fieber, bei Schwangerschaft, begleitender Autoimmunerkrankung, intrakraniellen Tumoren, Nierenzellkarzinomen und Lymphomen.
Baldrian, Hopfen, Passionsblume
Nervöse Unruhezustände und Schlafstörungen sind nicht nur Begleitsymptome unterschiedlicher Erkrankungen, sondern häufig eine eigenständige Krankheit. Die vorherrschenden Beschwerden bestehen in Ein- und Durchschlafstörungen und nicht erholsamem Schlaf. Zubereitungen aus Baldrian, Hopfen und Passionsblume werden empirisch seit Jahrhunderten als Sedativa angewandt. Von diesen Pflanzen sind zwischenzeitlich wichtige Inhaltsstoffe und pharmakologische Wirkungen bekannt.
Ringelblume
Komplementärmedizinische Präparate werden von Patienten mit Hauterkrankungen sehr häufig angewendet. Die Ringelblume (Calendula officinalis) enthält zahlreiche Substanzen, die in vitro antibakterielle, fungizide und fibroblastenmigrationsfördernde Wirkungen zeigen. Bei Rötung der Haut und Überwärmung – beispielsweise im Rahmen einer onkologischen Strahlenbehandlung – ist die Wirksamkeit der Ringelblumensalbe wissenschaftlich gesichert [8]. Sie eignet sich daher auch zur Nachbehandlung von Strahlenerythemen.
Unerwünschte Wirkungen
Manche Heilkräuter, aber auch Medikamente und einige Nahrungsergänzungsmittel können die Wirkung einer Chemotherapie oder onkologischen Strahlenbehandlung erheblich beeinträchtigen. Zu beachten ist vor allem die Wechselwirkung zwischen pflanzlichen Wirkstoffen und den Cytochrom-P450-Enzymen sowie P-Glykoproteinen. Zumindest während einer onkologischen Therapie ist daher von der Anwendung folgender naturheilkundlicher Arzneien abzuraten:
- Johanniskraut
- Sonnenhut (Echinacea)
- Ginkgo (Ginkgo Biloba)
- Rotklee (Trifolium pratense)
- Pfefferminze (Mentha piperita)
- Baldrian (Valeriana officinalis)
Aber auch auf grünen Tee und Grapefruitsaft sollten die Patienten während einer Krebstherapie verzichten.
Ergänzung zur Schulmedizin
Tumorpatienten sehen die Komplementärmedizin vor allem als sinnvolle Ergänzung zur Schulmedizin. In der Aachener Feldstudie “Mamma-Karzinom” nutzten über 84 Prozent der befragten Brustkrebspatientinnen Therapien aus dem Bereich der Komplementärmedizin [9]. Viele komplementäre Methoden, die im Rahmen einer onkologischen Behandlung angewendet werden, richten sich aufgrund ihres ganzheitlichen Ansatzes häufig nicht an ein spezifisches Symptom, sondern sind im Rahmen eines therapeutischen Gesamtkonzepts als ergänzende Behandlungsmaßnahmen zu verstehen. Evidenzbasierte Verfahren der Naturheilkunde und Komplementärmedizin finden immer häufiger ihren Weg in die Leitlinien der Krebsmedizin. Das deutsche Cochrane-Zentrum hat inzwischen eine Arbeitsgruppe Biologische Krebsmedizin am Klinikum Nürnberg eingerichtet [10].
Der Autor hat keine Interessenskonflikte deklariert.