Berlin / München. In vielen Bundesländern beginnen die ersten Apotheken mit den Impfungen gegen Corona. Dr. Markus Beier, Landesvorsitzender des Bayerischen Hausärzteverbandes, sieht darin ein weiteres Zeichen der politischen Missachtung gegenüber niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte und ihrer Praxisteams. Diese hätten die alleine in Bayern über elf Millionen Impfungen gegen COVID-19 verabreicht.
„Wir haben bisher nur Phasen des starken Impfstoffmangels und Phasen eines deutlichen Überangebots an Impfmöglichkeiten erlebt. In beiden Situationen ergeben zusätzliche Impfstellen keinen Sinn“, so Beier. „Vielmehr wird die gute Versorgung der Menschen in diesem Land abermals durchgeschüttelt durch politischen Aktionismus ohne nachhaltige Strategie – unter Inkaufnahme unnötiger Risiken“, kritisiert Beier.
Auch Ulrich Weigeldt, Bundesvorsitzender des Deutschen Hausärzteverbandes meint: „Der Flaschenhals war in der Vergangenheit immer der Impfstoffmangel, nicht die Zahl der Impfstellen. Das werden wir auch wieder erleben, wenn ein an Omikron angepasster Impfstoff zur Verfügung steht. Auch hier wird es am Anfang nicht genug Impfstoff für alle geben. Es ist nicht zielführend, wenn die begrenzte Menge Impfstoff dann auf immer mehr Impfstellen verteilt wird. Das wird eher dazu führen, dass es unübersichtlicher wird, wohin ich mich als Patientin oder Patient wenden soll. Wir haben in der Pandemie immer wieder erlebt, dass unklare Zuständigkeiten und schlechte Kommunikation die Impfkampagne erschwert haben.“
Vorbereitet auf unerwartete Impfreaktionen?
Und was werden Apotheker tun, wenn es zu unvorhergesehenen Impfreaktionen kommt? „Bevor wir Ärztinnen und Ärzte impfen, haben wir eine 12-jährige Ausbildung hinter uns, in der wir unter anderem gelernt haben, was bei unerwarteten Impfreaktionen oder gesundheitlichen Notfällen zu tun ist. Apothekerinnen und Apotheker dagegen, die jetzt Impfungen anbieten, haben gerade einmal einen wenige Stunden umfassenden, oberflächlichen Online-Kurs hinter sich. Ferner sind diese Einrichtungen noch nicht mal selbst von einer Impfpflicht umfasst“, warnt Beier.
Schwer wiegen aus hausärztlicher Sicht auch die Auswirkungen auf das Zusammenspiel von Apotheken und Praxen. Dr. Beier: „Bisher gab es, auch und besonders in der Pandemie, eine ganz hervorragende Zusammenarbeit zwischen Praxen und Apotheken bei der gemeinsamen Versorgung zu Gunsten der Menschen. Dafür sind wir Hausärztinnen und Hausärzte den bayerischen Apothekerinnen und Apothekern dankbar.”
E-Rezept bietet neue Möglichkeiten
Die überwiegende Mehrheit der bayerischen Apothekerinnen und Apotheker habe gar kein Interesse an der politisch motivierten Beteiligung am Impfen. Dort aber, wo Apotheken ohne Nachweis der ärztlichen Heilkunde zu impfen beginnen würden, müsse hinterfragt werden, ob eine vertrauensvolle Zusammenarbeit noch möglich sei. Schließlich würde sich mit dem Projekt E-Rezept demnächst ganz andere Möglichkeiten erschließen.
In Thüringen soll es ebenfalls am 8. Februar mit dem Impfen in Apotheken beginne. Bislang zählt die Landesapothekerkammer lediglich 13 Apotheken, die die notwendige Selbstauskunft für Impfungen eingereicht hätten.
In Nordrhein-Westfalen ist nach Angabe des Apothekerverbands jede vierte Apotheke im Rheinland nach Schulungen in der Lage zu impfen; bis Anfang März soll es jede zweite sein.
Quelle: red/ dpa