BundesgerichtshofWann ist eine Patientenverfügung bindend?

Nach zehn Jahren im Wachkoma darf die Patientin sterben. Denn der Bundesgerichtshof hat den jahrelangen Streit von Ehemann und Sohn um die Patientenverfügung beendet. Damit konkretisieren die Richter auch, wann ein solches Dokument greift.

Eine Patientenverfügung muss auf die bestimmte Lebens- und Behandlungssituation des Betroffenen zutreffen, damit sie bindend ist, so der BGH.

Karlsruhe. Eine Wachkoma-Patientin, über deren Patientenverfügung jahrelang vor Gericht gestritten wurde, darf nach einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 14. November 2018 sterben (Az. XII ZB 604/15). Die Karlsruher Richter wiesen eine Beschwerde des Ehemanns gegen eine entsprechende Entscheidung des Landgerichts Landshut ab, wie das Gericht am Donnerstag (13.12.) mitteilte. Der Sohn ist im Unterschied zum Ehemann der Ansicht, dass seine Mutter gewollt hätte, dass künstliche Ernährung und Flüssigkeitszufuhr eingestellt werden.

Der Fall hat grundsätzliche Bedeutung, weil es darum ging, wie konkret Menschen für den Ernstfall festhalten müssen, wann sie weiterleben wollen und wann nicht, damit ihre Wünsche berücksichtigt werden. Die allgemeine Äußerung, “keine lebenserhaltenden Maßnahmen” zu wollen, reicht zum Beispiel in der Regel nicht.

Im Fall der 1940 geborenen Frau, die vor mehr als zehn Jahren einen Schlaganfall erlitten hatte, hatte der BGH schon Anfang 2017 Zweifel angemeldet, ob die Vorinstanzen von der Patientenverfügung nicht zu viel verlangt hatten (Az. XII ZB 604/15). Der Senat stellte damals fest, dass die Patientin “hinreichend konkret” eine Lebens- und Behandlungssituation beschrieben hat, für die ihre Verfügung zum Tragen kommen könne.

Nach weiteren Ermittlungen hat das Landgericht Landshut das Dokument nun neu bewertet: Es kam zu dem Schluss, dass die Patientin eine für ihre Situation wirksame Patientenverfügung erstellt hatte. Diese sei damit bindend und deswegen auch keine gerichtliche Genehmigung nötig.

Wie genau muss eine Patientenverfügung sein?

Dem BGH zufolge braucht es keine Genehmigung des Betreuungsgerichts nach Paragraf 1904 Abs. 2 BGB, wenn Betroffene einen entsprechenden eigenen Willen bereits in einer wirksamen Patientenverfügung (Paragraf 1901a Abs. 1 BGB) niedergelegt haben und diese auf die konkret eingetretene Lebens- und Behandlungssituation zutrifft. Die Patientenverfügung sei bindend, wenn sich feststellen lasse, in welcher Behandlungssituation welche ärztlichen Maßnahmen erfolgen oder unterbleiben sollen.

Die Anforderungen dürften aber auch nicht “überspannt” werden, so die Richter. So könne man nicht voraussetzen, dass Betroffene ihre Situation und den medizinischen Fortschritt vorausahnen. Sie müssten aber umschreibend festlegen, was sie in einer bestimmten Lebens- und Behandlungssituation wollen und was nicht. Dabei reiche es nicht, allgemeine Anweisungen auszusprechen wie die Aufforderung, ein würdevolles Sterben zuzulassen, wenn ein Therapieerfolg nicht mehr zu erwarten ist, oder “keine lebenserhaltenden Maßnahmen” zu wünschen. Beides sei keine hinreichend konkrete Behandlungsentscheidung, so der BGH.

Werde das Gericht dennoch angerufen, weil eine der beteiligten Personen – im konkreten Fall der Ehemann – an der Bindungswirkung einer Patientenverfügung zweifle und kommt das Gericht zu dem Ergebnis, dass eine wirksame Patientenverfügung vorliegt, habe es auszusprechen, dass eine gerichtliche Genehmigung nicht erforderlich ist (“Negativattest”), stellt der BGH klar.

Patientin liegt seit 2008 im Wachkoma

Im vorliegenden Fall hatte die Patientin 2008 einen Schlaganfall erlitten und befindet sich seit einem hypoxisch bedingten Herz-Kreislaufstillstand im Juni 2008 in einem wachkomatösen Zustand. Sie wird seitdem über eine Magensonde künstlich ernährt und mit Flüssigkeit versorgt.

Bereits 1998 hatte sie ein mit “Patientenverfügung” betiteltes Schriftstück unterschrieben. In diesem war niedergelegt, dass unter anderem dann, wenn keine Aussicht auf Wiedererlangung des Bewusstseins besteht oder aufgrund von Krankheit oder Unfall ein schwerer Dauerschaden des Gehirns zurückbleibe, “lebensverlängernde Maßnahmen unterbleiben” sollen. Zudem äußerte sie mehrfach gegenüber Angehörigen und Bekannten, dass sie angesichts zweier Wachkoma-Patienten aus ihrem persönlichen Umfeld nicht künstlich ernährt werden wolle, sie wolle nicht so am Leben erhalten werden, lieber sterbe sie.

Seit 2012 wurden der Sohn und der Ehemann der Betroffenen als Betreuer bestellt. Während jedoch der Sohn seit 2014 dafür plädierte, Ernährung und Flüssigkeitszufuhr einzustellen, lehnte der Ehemann dies ab.

Mit Material von dpa

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