Neue ImpfverordnungImpf-Chaos folgt auf Test-Chaos

Von der neuen Impfverordnung haben sich Hausärztinnen und Hausärzte vor allem mehr Tempo, weniger Bürokratie und den Impfstartschuss für ihre Praxen erhofft. Ein Überblick von „Der Hausarzt“ zeigt, welche Versprechen eingelöst werden. Auch bei der Kodierung gibt es wieder Neuigkeiten.

Arztpraxen werden wohl erst Mitte April 2021 mit Corona-Impfungen starten.

Berlin. Am Donnerstagnachmittag (11.3.) hat Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) die sehnlichst erwartete neue Coronavirus-Impfverordnung (CoronaImpfV) veröffentlicht. Sie tritt rückwirkend zum 8. März in Kraft.

Hausärztinnen und Hausärzte erhofften sich von ihr vor allem weniger Bürokratie, klare Zuständigkeiten und Prozesse sowie endlich bei den Impfungen einbezogen zu werden.

Länder ziehen Impfzentren vor

Dass zumindest ein Wunsch wohl nicht in Erfüllung geht, wurde am Mittwochabend (10.3.) bereits klar: So einigte sich die Gesundheitsministerkonferenz (GMK) darauf, dass die Praxen in der 16. Kalenderwoche (19. bis 25. April) oder früher starten sollen, falls es die „noch zu konkretisierenden Liefermengen der Hersteller für April zulassen“. Der Grund für die erneute Verzögerung liegt darin, dass die Länderminister vorrangig die von ihnen aufgebauten Impfzentren beliefern wollen, um diese auszulasten.

Die einhellige Kritik der Ärzte folgte auf den Punkt. „Ich kann nicht verstehen, dass man das Volk im Lockdown hält, anstatt zu impfen, um irgendwelche Impfzentren weiter zu bedienen“, kommentiert etwa Ulrich Weigeldt, Bundesvorsitzender des Deutschen Hausärzteverbandes. „Wir sind nicht nur bereit, wir scharren seit Wochen ungeduldig mit den Hufen.“ Dr. Andreas Gassen von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) rechnet damit, dass die Praxen sogar erst im Mai beginnen könnten.

Hausärztechef Weigeldt sagte am Freitag (12.3.), die Hausärzte seien erschüttert und fassungslos über die erneute Verzögerung. Er schlägt vor, die noch gebuchten Termine in den Impfzentren abzuarbeiten, um so schnellstmöglich mit den Impfungen in den Praxen loslegen zu können. Vereinzelt kündigten Bundesländer an, schon früher die niedergelassenen Ärzte einbeziehen zu wollen, so etwa Bayern.

Wann fällt der Startschuss?

Das letzte Wort ist hier aber noch nicht gesprochen. Denn die Impfverordnung bezieht sich auf den Beschluss von Bundesregierung und Ministerpräsidenten am 3. März. Danach soll der Übergang von den Zentren auf die Praxen „Ende März/Anfang April“ beginnen. Der aktuelle GMK-Beschluss ist lediglich eine Empfehlung.

Das heißt, über den Startschuss werden Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und die Länderchefs entscheiden – dies wollen sie am Mittwochabend (17.3.) tun, wie am Freitag (12.3.) bekannt wurde. Am Donnerstagabend stufte jedoch auch Bundesgesundheitsminister Jens Spahn den 19. April als realistisch ein. Ab Mitte April würden große Mengen Impfstoff geliefert, sodass die ersten regulären Impftermine in Praxen ab 19. April vergeben werden könnten, sagte der CDU-Politiker.

Beauftragte Praxen dürfen impfen

Neu aufgenommen in die Impfverordnung wurde hingegen schon, dass beauftragte Arztpraxen und beauftragte Betriebsärzte gegen Corona impfen dürfen. Nach Paragraf 6 Abs. 1 gilt eine Praxis als beauftragt, „sobald ihr vom Bund oder Land Impfstoff zur Verfügung gestellt wird“.

Diese Klarstellung hatte der Hausärzteverband eingefordert, damit die impfenden Ärzte den Status eines „Verwaltungshelfers“ erlangen. Dies ist bei Haftungsfragen relevant, etwa falls es durch die Impfung zu Schäden kommen sollte. Dieses Risiko tragen dann die Länder.

Ausnahmen von Priorisierung möglich

Sofern Arztpraxen gegen Corona impfen, ist die Priorisierung gemäß der Ständigen Impfkommission (STIKO) einzuhalten. Zuletzt war hier vor allem das Personal von Kitas und Schulen neu in die Gruppe 2 hinzugekommen. Jedoch dürfen Ärzte von der Priorisierung abweichen, wenn dies für eine „effiziente Organisation“ oder „zeitnahe Verwendung“ nötig ist. So soll verhindert werden, dass Impfdosen verfallen.

Zudem kann in „hochbelasteten Grenzregionen“ (wie Vogtland, bayerische Grenze zu Tschechien oder Saarland) breiter geimpft werden („Ringimpfung“) oder in Hochinzidenzgebieten („Riegelimpfung“). Beides soll die dynamische Ausbreitung des Virus in Deutschland stoppen. Als 7-Tagesinzidenz gilt hier ein Wert von mehr als 200 als Orientierung, wie es in der Begründung der Verordnung heißt.

Impfatteste weiter nötig, aber nicht für jeden

Um ihren Impfanspruch zu belegen, brauchen Berechtigte mit bestimmten Grunderkrankungen ein ärztliches Attest. Dieses bescheinigt formlos, dass eine Erkrankung nach Paragraf 3 oder 4 der Impfverordnung vorliegt.

Praxistipp: „Der Hausarzt“ bietet hierzu eine Musterformulierung sowie eine Abrechnungsübersicht an. Zudem stellt Hausarzt Dr. Christoph Claus von den „Rauchenden Köpfen“ seine Vorlage für ein Impfattest Kollegen zum Herunterladen zur Verfügung.

Der Deutsche Hausärzteverband hatte die Impfatteste von Anfang an als unnötige Bürokratie kritisiert. Nun zeigt dies zumindest teilweise Wirkung. So müssen Impfberechtigte nämlich in der Praxis kein solches Attest vorlegen, wenn sie in dieser Praxis in Behandlung sind. Was unter „in Behandlung“ fällt, definiert die Verordnung allerdings nicht näher.

Wichtig: Ärzte müssen vor der Impfung prüfen, ob derjenige zu einer priorisierten Gruppe gehört.

Die Rechtsverordnung eröffnet zudem noch einen zweiten Weg, das Attest zu umgehen. So können die Krankenkassen ihre Versicherten über den Impfanspruch informieren. Das jeweilige Bundesland kann wiederum festlegen, ob es diese Versicherteninformation statt des Attests als Nachweis anerkennt.

Und genau hier liegt der Knackpunkt: Die „Kann“-Lösung macht es für Ärzte wie Patienten nicht nachvollziehbar, ob noch ein ärztliches Attest nötig ist oder nicht. Um Praxen völlig von der Attestierung zu befreien, hatte der Hausärzteverband vorgeschlagen, dass die Kassen zur Versicherteninformation verpflichtet werden sollten und diese dann auch als Nachweis gilt.

Hausbesuche werden extra vergütet

Die Impfleistung selbst umfasst auch für Praxen die Beratung, Anamnese und Untersuchung zu Kontraindikationen sowie die Impfung, Nachbeobachtung und Dokumentation. Beraten Hausärztinnen und Hausärzte nur und im Anschluss findet keine Impfung statt, bekommen sie dies allerdings auch vergütet (s. Tab. 1) – und die Beratung ist auch per Telefon oder Video erlaubt. Zudem legt die Verordnung zusätzliche Honorare für Haus- oder Mitbesuche fest.

Zwischen Erst- und Folgeimpfung sollen jetzt die nach Zulassung möglichen Abstände ausgereizt werden. Tabelle 2 zeigt die unterschiedlichen Abstände. Am Donnerstag hat zudem der vierte Corona-Impfstoff von Johnson&Johnson die EU-Zulassung erhalten, dieser erfordert nur eine Dosis und dürfte daher die Durchimpfung der Bevölkerung beschleunigen.

Föderales Chaos bei Belieferung und Terminvergabe?

Weiter unklar bleibt hingegen, wie die Praxen an die Impfstoffe kommen. Wie bei vielen anderen Punkten hatte der Hausärzteverband dafür gekämpft, dass die Impfverordnung dies bundeseinheitlich regelt. Stattdessen liegt die Organisation der Coronaimpfungen wie bisher in den Händen der Länder. Als ein Beispiel wird die Terminvergabe genannt. Dies umfasst aber sicher auch die Lieferkette.

Hausärztinnen und Hausärzten droht damit ein föderales Chaos. Sie müssen auf eine einfache Regelung in ihrem Bundesland hoffen – sei es, dass die bewährte Lieferung über Großhandel und Apotheken gewählt wird oder sie die Impftermine für ihre Patienten einfach und unkompliziert selbst vergeben können und dies nicht den Impfzentren auferlegt wird. Hier bleibt zu hoffen, dass sich die Erfahrungen aus den zahlreichen Modellprojekten positiv auf die Prozesse auswirken.

Impfmeldung wurde entschlackt

Ebenso könnten die Modellprojekte helfen, die Bürokratie für Praxen zu senken. So haben sich für Praxen die Aufklärungsbögen der Impfzentren und die zweimalige schriftliche Einwilligung der Patienten als nicht praktikabel herausgestellt.

Auch die Impfverordnung setzt hier ein kleines positives Zeichen: Anders als die Zentren müssen beauftragte Vertragsärzte lediglich „täglich in aggregierter Form“ melden:

  • PLZ der Arztadresse
  • BSNR/LANR
  • Impfdatum
  • Erst- oder Folgeimpfung
  • impfstoffspezifische Dokumentationsnummer (Produkt oder Handelsname)
  • Ab 1. April: Zahl der Altersgruppe über 60 Jahre, aufgegliedert nach Erst- und Folgeimpfung

Das sind sechs Vorgaben weniger als Impfzentren. Zudem können Praxen wählen, ob sie die elektronische Meldung des Robert Koch-Instituts oder ihrer KV nutzen.

Für die letzte Option gibt es ein Softwaretool im Sicheren Netz der KVen, dort sollen Ärzte täglich die Zahl der Erst- und Folgeimpfungen je Impfstoff (ab 1. April dann auch die Zahl der Impfungen bei über 60-Jährigen) eintragen, teilt die KBV mit. Für Praxen mit mehreren Ärzten (BAG oder MVZ) kann die Gesamtzahl erfasst werden und muss nicht für jeden Arzt einzeln erfolgen.

In einem zweiten Schritt – mit der Quartalsabrechnung an die KV – melden Ärzte dann Impfstoffname, Erst-/Zweitimpfung, Indikation und Chargennummer sowie Spezifika wie die Priorisierungsgrundlage für die Impfung. Details dazu teilt die jeweilige KV ihren Mitgliedern mit.

Neue Corona-ICD-Kodes

Gleichzeitig mit der geänderten Impfverordnung hat das DIMDI am Donnerstag neue ICD-Kodes für die Corona-Impfungen bekannt gegeben (s. Tab. 3). Als Primärkode für die Corona-Impfung sollen Ärzte künftig die U11.9 verschlüsseln.

Treten Nebenwirkungen infolge der Impfung auf, sollen sie die U12.9! dokumentieren. Hierbei handelt es sich nur um einen Sekundärkode. Das heißt, zusätzlich ist immer noch die Art der Nebenwirkung mit einem weiteren Primärkode zu verschlüsseln.

Mit Material von dpa

Alles lesen 1 2 3 4 5

E-Mail-Adresse vergessen? Schreiben Sie uns.
Passwort vergessen? Sie können es zurücksetzen.
Nur wenn Sie sich sicher sind.

Sie haben noch kein Passwort?

Gleich registrieren ...

Für Hausärzte, VERAH® und ÄiW (Allgemeinmedizin und Innere Medizin mit hausärztlichem Schwerpunkt) ist der Zugang immer kostenfrei.

Mitglieder der Landesverbände im Deutschen Hausärzteverband profitieren außerdem von zahlreichen Extras.

Hier erfolgt die Registrierung für das Portal und den Newsletter.


Persönliche Daten

Ihr Beruf

Legitimation

Die Registrierung steht exklusiv ausgewählten Fachkreisen zur Verfügung. Damit Ihr Zugang freigeschaltet werden kann, bitten wir Sie, sich entweder mittels Ihrer EFN zu legitimieren oder einen geeigneten Berufsnachweis hochzuladen.

Einen Berufsnachweis benötigen wir zur Prüfung, wenn Sie sich nicht mittels EFN autorisieren können oder wollen.
Mitglied im Hausärzteverband
Mitglieder erhalten Zugriff auf weitere Inhalte und Tools.
Mit der Registrierung als Mitglied im Hausärzteverband stimmen Sie zu, dass wir Ihre Mitgliedschaft überprüfen.

Newsletter
Sie stimmen zu, dass wir Ihre E-Mail-Adresse für diesen Zweck an unseren Dienstleister Mailjet übermitteln dürfen. Den Newsletter können Sie jederzeit wieder abbestellen.

Das Kleingedruckte
Die Zustimmung ist notwendig. Sie können Sie jederzeit widerrufen, außerdem steht Ihnen das Recht zu, dass wir alle Ihre Daten löschen. Jedoch erlischt dann Ihr Zugang.
Newsletter abbestellen

Wenn Sie den Newsletter abbestellen wollen, geben Sie bitte Ihre E-Mail-Adresse an und wählen Sie die gewünschte Funktion. Wir senden Ihnen dann eine E-Mail zur Bestätigung.