Praxis WissenKontrollierter Notfall

Ein ukrainischer Patient klagt in der Sprechstunde der Malteser Migranten Medizin über Herzrhythmusstörungen und starke Schmerzen beim Gehen. Der Kardiologe rät, ihn baldmöglichst stationär zu behandeln. Doch das Sozialamt will die Kosten nicht tragen.

Die Malteser Migranten Medizin (MMM) in Osnabrück hilft Menschen, die anonym bleiben wollen und über keine Krankenversicherung verfügen. Das neunköpfige Team leistet seit acht Jahren allgemeinmedizinische, internistische und kinderärztliche Nothilfe. Häufig sind Schwangerschaften der Grund für den Besuch in den Räumen der ehrenamtlichen Ärzte, Sprechstundenhilfe und der Projektbeauftragten. Nicht alle Patienten sind Migranten, die sich ohne gültigen Status in Deutschland aufhalten. Viele sind EU-Bürger, die keine versicherungspflichtige Arbeit und damit keine Krankenversicherung haben. Meist kommen die Patienten aus Mittel- und Osteuropa, aber auch aus Afrika, Asien und Lateinamerika. „Wir können auf die gute Zusammenarbeit mit Behörden, Verbänden, Apotheken, Fachärzten und Krankenhäusern bauen“, sagt Teamsprecherin Dr. Sigrid Pees-Ulsmann.

Sie berichtet: Uns sucht ein 69-jähriger Patient aus der Ukraine auf, der als Besucher mit einem Besuchervisum legal in Deutschland war. Während des Aufenthalts verschlechterte sich sein Gesundheitszustand akut. Zwar hatten die Angehörigen für die Dauer des Besuches eine Auslandskrankenversicherung abgeschlossen. Diese wies jedoch die Übernahme der Kosten ab, weil es sich nicht um eine akute Neuerkrankung handele.

Kasuistik

Anamnese: Der Patient kommt mit Herzbeschwerden in die MMM-Sprechstunde, er leidet unter Bluthochdruck, Herzrhythmusstörungen und pektanginösen Beschwerden. Er weist Durchblutungsstörungen der Beine auf, klagt über schmerzbedingte Gehstrecken-Verminderung. Aus der Vorgeschichte ist ein leichter Schlaganfall vor zwei Jahren, mit vorübergehenden Sprachstörungen und armbetonter Parese links auffällig. Nach dem ersten Eindruck besteht der Verdacht auf eine allgemeine Gefäßerkrankung. Als der Patient zum zweiten Mal in die Sprechstunde kommt, veranlasse ich daher eine Untersuchung bei einem niedergelassenen Kardiologen, der zum Facharzt-Netz der MMM-Sprechstunde gehört.

Therapie 1: Der kardiologische Kollege versorgt den Patienten zunächst medikamentös, rät aber dazu, das Krankheitsbild in allernächster Zeit nochmals stationär abklären zu lassen, um eine akut lebensbedrohliche Situation zu vermeiden.

Beratung: In der MMM-Sprechstunde erklärt die Tochter des Patienten, sie sehe keine Möglichkeit, die stationäre Behandlung selbst zu finanzieren. Sie spricht daher bei der Ausländerbehörde vor,

Die Visum-Verlängerung klappt problemlos. Allerdings wird der Antrag auf Duldung oder Asyl nicht zeitnah bearbeitet, obwohl sich die Bundesbehörde einschaltet. Schließlich lehnt das zuständige Sozialamt jegliche Kostenübernahme ab.

Therapie 2: Infolgedessen kontrollieren die Ärzte der MMM kurzfristig den Patienten wöchentlich in der Ambulanz und versorgen ihn mit Medikamenten. Wir weisen die Familie aber nachdrücklich darauf hin, dass der Patient bei einer akuten Verschlechterung des Befindens notfallweise in das mit uns kooperierende Krankenhaus gehen sollte, ohne in diesem Moment auf entstehende Kosten zu achten. Dieser Notfall tritt zwei Monate später ein. In der Klinik implantieren die Ärzte dem Patienten zwei Stents, wegen der koronaren Zwei-Gefäßerkrankung. Die Tachy-Arrythmie behandeln sie erfolgreich mit einer Elektro-Konversion. Nach nur zehn Tagen stationärer Behandlung entlassen sie den Patienten vorzeitig.

Verlauf: Weitere Langzeit-EKG – und Laborkontrollen sowie die Beobachtung unter Medikation veranlassen wir aus Kostengründen in der MMM-Sprechstunde. Nach drei Monaten überweisen wir den 69-Jährigen für eine abschließende kardiologische Kontrolle nochmals zu unserem „Netz-Kardiologen“. Das Befinden des Patienten verbessert sich nach dieser Zeit so weit, dass er deutlich stabilisiert in sein Heimatland zurückkehren kann. Für die Behandlung im Krankenhaus belaufen sich die Kosten aus Kulanzgründen lediglich auf rund 5.000 Euro. Zu vier Fünftel werden sie aus Spenden der Malteser Migranten Medizin Osnabrück beglichen, ein Fünftel trägt die Familie der Tochter des Patienten.

Kommentar: Neben der medizinischen Versorgung kam es bei diesem Patienten darauf an, dass seine Familie das Aufenthaltsrecht verlängern kann, damit die nötige Betreuung überhaupt fortgesetzt werden konnte. Leider sagten später weder das zuständige Sozialamt noch der Reiseversicherer zu, die lebensnotwendige stationäre Behandlung finanziell mit zu tragen. Deshalb galt es für uns, die Familie auf einen möglichen Notfall und die dann wichtigen Schritte vorzubereiten. Dieses Abwarten und Beobachten, während wir in der MMM den Patienten versorgten, war für uns alle schwierig und riskant, und auch für die Familie sehr belastend. Hier half uns enger telefonischer Kontakt zur Tochter, den richtigen Zeitpunkt für die stationäre Aufnahme zu finden. Daraus erklärt sich auch die Bereitschaft der Familie, sich nach der Behandlung in der Klinik an den Kosten zu beteiligen. Nach Rücksprache mit dem Krankenhaus, ermöglichte dieses eine Ratenzahlung für die Familie.

Malteser Migranten Medizin

Hier finden Menschen ohne Krankenversicherung einen ehrenamtlichen Arzt, der die Erst- und Notfallversorgung bei plötzlicher Erkrankung, Verletzung oder Schwangerschaft übernimmt. Die MMM gibt es bundesweit in 14 Städten. Die Hilfe wird allein aus Spenden finanziert.

Spendenkonto: Malteser Hilfsdienst e.V., Pax Bank, IBAN: DE10370601201201200012, Stichwort: „Migranten Medizin MMM“, www.malteser-migranten-medizin.de

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