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EBM-ReformHausärzte haben nicht zwingend mehr in der Tasche

Zum 1. April werden Gespräche für Hausärzte besser honoriert. Doch ob dadurch wirklich mehr Honorar in den Praxen ankommt, hängt von drei weiteren Faktoren ab.

Die EBM-Reform bringt auch für Hausärzte Neuigkeiten mit sich.

Am 1. April tritt ein neuer EBM in Kraft. Er ist Ergebnis der sehr langatmigen Beratungen in der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) seit 2012 mit dem Ziel, unter den Arztgruppen mehr Honorargerechtigkeit zu schaffen. Da die Honorarverteilung zwischen Haus- und Fachärzten gesetzlich geregelt ist, lag der Schwerpunkt der Überlegungen im fachärztlichen Bereich, weshalb die Reform bis zuletzt „Reform des Facharzt-EBM“ bezeichnet wurde.

Der KBV-Ausschuss würde wahrscheinlich heute noch tagen, hätte das Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) nicht einen Umsetzungstermin vorgegeben. Paragraf 87 Abs. 2 S. 3 SGB V schreibt der KBV darüber hinaus vor, im EBM die Bewertung bestimmter Leistungen und die Überprüfung der wirtschaftlichen Aspekte, insbesondere bei medizinisch-technischen Geräten, auf in bestimmten Zeitabständen zu aktualisierender betriebswirtschaftlicher Basis anzupassen. Das so frei werdende Honorarvolumen soll der „sprechenden Medizin“ zugutekommen.

Fazit: Das Ergebnis dieser „Reform“ entspricht nicht der gesetzlichen Vorgabe. Darüber hinaus schießt man im hausärztlichen Bereich weit über das Ziel hinaus. Am schlimmsten ist aber die zugrunde liegende Intransparenz: Es bleibt unklar, was, warum und auf welcher betriebswirtschaftlichen Grundlage neu bewertet wurde.

Quartalspauschalen abgewertet

Im hausärztlichen Bereich fangen die Fragezeichen schon bei den Grundleistungen an. Die Grundpauschale 03040 EBM wurde um 0,66 Euro und sogar die einzelnen altersgestaffelten Versichertenpauschalen um durchschnittlich 1,06 Euro abgewertet (s. Tab. 1). Da diese Leistungen bei jedem Arzt-Patienten-Kontakt in der hausärztlichen Praxis zum Ansatz kommen, ist das hochgradig honorarrelevant.

Eine Praxis mit 1.000 Behandlungsfällen verliert hier je nach Alterszusammensetzung des Patientenstamms zwischen 1.870 und 1.540 Euro im Quartal und das, obgleich nach der gesetzlichen Vorgabe nur medizintechnische Leistungen neu bewertet werden sollen. Ein Ausgleich wäre nur durch den Ansatz von Leistungen möglich, die nun höher bewertet wurden. Im Hausarztkapitel ist das in erwähnenswerter Weise nur die Gesprächsleistung 03230 EBM.

Folgen für die Praxis: Die Bewertung der 03230 EBM wurde um 38 Punkte (4,18 Euro beim Punktwert 2020) angehoben und könnte zum Ausgleich des Verlustes bei den Quartalspauschalen herangezogen werden. Das ist aber nur begrenzt möglich. Es besteht weiter ein internes Budget für den Ansatz der Leistung pro Fall. Das wurde zwar von 45 Punkten auf 64 Punkte angehoben, erlaubt aber bei einer Gesamtbewertung der 03230 ab 1. April von 128 Punkten weiterhin nur einen durchschnittlichen Ansatz bei jedem zweiten Patienten einmal im Behandlungsfall. Nur so jedenfalls kann das volle (neue) Honorar von 14,06 Euro erreicht werden.

Bei älteren Patienten über 76 Jahre reduziert sich das Honorar für die Versichertenpauschale damit um 1,21 Euro und für die 03040 EBM um 0,66 Euro – insgesamt also 1,87 Euro. Bei 1.000 Behandlungsfällen ist das ein Verlust von 1.870 Euro. Wenn Hausärzte die 03230 EBM wie maximal möglich 500-mal berechnen, ergibt dies ein Mehrhonorar von 2.087 Euro. Es resultiert somit ein Gewinn für das ganze Quartal von 217 Euro!

Ansatz von Medizintechnik führt zu Verlust

Diese 217 Euro „Gewinn“ können Hausärzte nur behalten, wenn sie zusätzlich keine medizintechnischen Leistungen in größerer Zahl erbringen (s. Tab. 1). Bei dieser Neukalkulation ist keine Logik zu erkennen: So wurde die Langzeitblutdruckmessung, deren appartiver Aufwand eher gering ist, um 21 Punkte (2,31 Euro) abgewertet, das aufwändigere Belastungs-EKG aber nur um 2 Punkte (0,22 Euro). Das ist nicht nachvollziehbar, weil das TSVG vorgibt, dass Leistungen mit einem hohen Anteil für die Anschaffung der Geräte stärker gesenkt werden sollen, da der Gerätepreis bereits steuerlich abgeschrieben wird und somit in den Leistungen zu hoch eingepreist ist.

Fakt ist, ein auch nur erwähnenswertes Honorarplus bei Hausärzten resultiert allenfalls, wenn sie keine medizintechnischen Leistungen im Quartal erbringen. Bei der Modellpraxis würde etwa der Ansatz von je 20 Langzeit-EKG, Sonographien, Langzeitblutdruckmessungen und Spirographien die 217 Euro Honorargewinn um rund 100 Euro reduzieren.

Bricht man die Neubewertungen auf einen einzelnen, hausarzttypischen Fall herunter (Tab. 2), ist das Ergebnis noch „haarsträubender“. Bei dem Fallbeispiel ist aber noch zu berücksichtigen, dass das Ergebnis nur möglich ist, wenn das Budget von 64 Punkten für den Ansatz der 03230 EBM noch nicht ausgeschöpft wurde. Wäre das Budget bereits ausgereizt, greifen die Abwertungen bei der Versicherten- und Grundpauschale und den medizintechnischen Leistungen, ohne dass ein Transfer zur Gesprächsleistung gewährleistet ist.

Folgen für die Praxis: Mit dem Einsatz medizintechnischer Leistungen sollte man ab 1. April kritischer umgehen. Dabei sollte man beachten, dass Langzeitblutdruckmessungen und Langzeit-EKG von der Abwertung deutlicher betroffen sind als Belastungs-EKG und Lungenfunktion. Wer den Verlust durch den Mehreinsatz der 03230 EBM kompensieren will, muss im Auge behalten, dass ein zu häufiger Einsatz zur Überschreitung der Zeitgrenzen (12 Stunden/Tag, 780 Stunden/Quartal) und damit zu einer Plausibilitätsprüfung führen kann. Dies gilt auch für die psychosomatischen Gespräche nach 35100/35110 EBM. Sie wurden zwar um 41 Punkte (4,50 Euro) angehoben, schlagen aber mit 14 Minuten beim Zeitbudget zu Buche!

Sonstige „Honorargewinne“ hängen vom regionalen HVM ab

Im Hausarztkapitel oder anderen Bereichen des EBM, die Hausärzten zugänglich sind, wurden weitere Leistungen aufgewertet. Je nach Kassenärztlicher Vereinigung (KV) ist das resultierende Mehrhonorar aber einer Budgetierung unterworfen, die einen Ausgleich der erwähnten Verluste bei den Quartalspauschalen und im medizintechnischen Bereich erschwert oder verhindert.

Folgen für die Praxis: Hausärzte, die Vorsorgen bei Kindern und Jugendlichen erbringen, können sich über eine höhere Vergütung freuen. Zwar sind die extrabudgetären Vorsorgeleistungen des Abschnitts II 1.7 (Gesundheits- und Früherkennungsuntersuchungen, Mutterschaftsvorsorge, Empfängnisregelung, Schwangerschaftsabbruch) unverändert geblieben. Angehoben wurden aber die Leistungen nach 03350 (Entwicklungsneurologische Untersuchung) um 28 Punkte, 03351 (Untersuchung zur Sprachentwicklung) und 03352 (Zuschlag neben Früherkennungsuntersuchungen) jeweils um 4 Punkte sowie der 03335 EBM (Orientierende audiometrische Untersuchung nach vorausgegangener, dokumentierter, auffälliger Hörprüfung) um 2 Punkte.

Bei den Erwachsenenvorsorgen sind die Leistungen 01745 EBM (Früherkennungsuntersuchung auf Hautkrebs) und 01746 EBM (Zuschlag zur Gebührenordnungsposition 01732 für die Früherkennungsuntersuchung auf Hautkrebs) um jeweils 39 Punkte, die Krebsfrüherkennung 01730/01731 um je einen Punkt und die Gesundheitsuntersuchung (Check-up) 01732 EBM um 6 Punkte angehoben worden (s. Tab. 3).

Merkwürdig sind die Veränderungen bei den geriatrischen Leistungen: Die 03360 EBM (Hausärztlich-geriatrisches Basisassessment) wurde um 9 Punkte abgewertet, die 03362 EBM (Hausärztlich-geriatrischer Betreuungskomplex) hingegen um 15 Punkte aufgewertet. Da die 03360 EBM nur zweimal im Krankheitsfall, die 03362 EBM aber jedes Quartal berechnet werden kann, liegt hier die „Quelle“ für eine bescheidene Honoraraufbesserung. Das hängt allerdings in besonderer Weise vom regionalen Honorarverteilungsmaßstab (HVM) ab. In Hessen zum Beispiel sind die geriatrischen Leistungen über einen Qualitätszuschlag (QZV) gesteuert, der bei etwa 0,70 Euro/Fall liegt. Die Honoraraufbesserung verläuft deshalb dort ins Leere: Es sei denn, die KV Hessen passt ihren HVM der neuen Ausgangssituation an.

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