StudieArztbriefe strotzen vor Fehlern

Zweideutige Abkürzungen und Briefe, die nicht zu Befunden passen: Viele Entlassbriefe von Klinikärzten sind missverständlich, zeigt eine Befragung von Hausärzten. Besonders dramatisch: Oft passieren bei Therapieempfehlungen Fehler.

Klinische Entlassbriefe sind oft unstrukturiert, fehlerhaft und für Hausärzte nur mit Mühe zu verstehen. Das ergibt eine Studie zur Qualität von Arztbriefen, für die die Germanisten Julia Riedel und ich von der Universität Düsseldorf in Zusammenarbeit mit einigen Hausärzteverbänden 197 Hausärzte befragt haben. Demnach fehlen einheitliche Standards, um Missverständnisse zu vermeiden. Bisher mangelt es aber an systematischen Untersuchungen zur Lese- und Schreibpraxis deutscher Ärzte. Oft stehen Aufwand und Nutzen bei Arztbriefen in keinem Verhältnis, zeigt die Studie.

So liest jeder vierte Hausarzt mehr als zehn klinische Entlassbriefe pro Tag. Im Mittel sind es drei bis zehn Briefe, was bis zu 60 Minuten Lesezeit pro Tag entspricht. Klinikärzte investieren sogar bis zu drei Stunden – täglich [1]. Der Aufwand führt auf beiden Seiten häufig nicht zu befriedigenden Ergebnissen. Stattdessen ergeben sich Streuverluste an der Schnittstelle.

Missverständliche Formulierungen in Arztbriefen bringen die Allgemeinmediziner regelmäßig zur Verzweiflung. Vor allem fachinterne Ausdrücke und unbekannte oder doppeldeutige Abkürzungen bieten Spielraum für Interpretationen. Die Studie zeigt: Vor allem nicht erklärte Abkürzungen sind problematisch. Jeder Dritte gibt an, dass unbekannte Abkürzungen häufig oder sehr häufig in Arztbriefen vorkommen (Abb. 1). Nur 1,5 Prozent der Hausärzte mussten sich noch nicht damit auseinandersetzen.

Keiner versteht Entlassbriefe sofort

Der klinische Entlassbrief soll in erster Linie eines gewährleisten: therapierelevante Informationen an Hausärzte verlustfrei und eindeutig zu übermitteln. Dass solche Dokumente keinen Spielraum für Interpretationen geben dürfen, liegt auf der Hand. Dennoch zeigt die Befragung, dass missverständliche und unvollständige Arztbriefe eher die Regel als die Ausnahme sind. 99 Prozent der Befragten halten die Qualität der Arztbriefe für verbesserungswürdig. Nur 3,6 Prozent wurden in ihrer bisherigen Laufbahn noch nicht mit missverständlichen Arztbriefen konfrontiert.

Nahezu alle Hausärzte verstehen Arztbriefe in manchen Fällen nicht auf Anhieb. Für Hausärzte, die für die Weiterbehandlung auf unmissverständliche und eindeutige Informationen zu Patienten angewiesen sind, ist das nicht nur ärgerlich, sondern es kann auch schwerwiegende Folgen für die Behandlung nach sich ziehen. So meinten 88 Prozent, dass unverständliche oder fehlerhafte Arztbriefe zu Behandlungsfehlern führen können.

Sätze sind zu vage, zu lang, zu kompliziert

Um klinische Entlassbriefe für Hausärzte verständlicher zu schreiben, sind strukturelle und inhaltliche Standards entscheidend, die bislang fehlen. Weniger wichtig sind aus Sicht der Hausärzte Textlänge und formale Kriterien. Insbesondere vage Formulierungen sowie lange und komplizierte Sätze wurden als zentrale Quellen für Verständnisprobleme genannt.

Zudem ergibt die Befragung, dass viele Arztbriefe durch schlechten Sprachstil und Rechtschreib- oder Grammatikfehler auffallen. Auch Floskeln und Wiederholungen sowie logische Fehler und fehlende Informationen bemängeln Hausärzte oft.

Vor allem diejenigen Textteile sind für Hausärzte von Bedeutung, die konkrete Handlungsempfehlungen enthalten. 99 Prozent bewerten die Entlassmedikation als wichtig oder sehr wichtig für die Weiterbehandlung des Patienten. Jedoch weisen eben diese Teile häufig viele Fehler auf. Als größte Fehlerquellen wählten die Befragten die Entlassmedikation (76,6 Prozent), die Therapieempfehlungen (74,1 Prozent) und die Epikrise (64,5 Prozent) aus (Abb. 2).

Fast alle Befragten (99 Prozent) haben schon einmal einen fehlerhaften Arztbrief erhalten. Ein Problem scheint dabei zu sein, dass die Informationen in den Briefen nicht zu den beigefügten Befunden passen.

Auch kritisieren Hausärzte, dass die Entlassbriefe häufig verschiedene Gliederungsstrukturen und Formate aufweisen, Informationen vergessen oder falsch gewichtet und wesentliche Therapieschritte nicht kommentiert werden. Zudem weisen die Briefe nicht selten inhaltliche und fachliche Fehler sowie Widersprüche auf und oft werden zu viele irrelevante Informationen und Textbausteine ohne Interpretation aneinandergereiht. Daher wünschen sich Hausärzte Standards für das Schreiben von Arztbriefen sowie praxisnahe Aus- und Fortbildungen dazu. Die Studie legt auch den Schluss nahe, dass die computergestützte Texterstellung fehleranfällig ist, wenn mit einfachen Textbausteinen gearbeitet wird. Hier wird die fehlende Passung an die individuelle Patientengeschichte kritisiert.

Leitfaden würde helfen

Würden Medizinstudierende bereits das strukturierte Schreiben von Arztbriefen lernen, könnten Fehler aufgrund von Zeitmangel später im Alltag vermieden werden. Dafür spricht auch, dass sich fast jeder befragte niedergelassene Arzt an mindestens einen Fall erinnern konnte, in dem die Informationen im Arztbrief nicht zu den beigefügten Befunden passten. Gerade ungeübte Assistenzärzte und Berufseinsteiger würden von einem Leitfaden zur einheitlichen Gestaltung von Arztbriefen profitieren. Systematische Analysen der Sprache in Arztbriefen können dabei helfen, solche Leitfäden zu entwickeln. Bislang liegen jedoch noch kaum Arbeiten vor, die ein klares Bild von den Problemen zeichnen. Die vorliegende Befragung ist ein erster Schritt dahin.

Quellen: 1. Blum, K., Müller, U. “Dokumentationsaufwand im ärztlichen Dienst der Krankenhäuser”. Das Krankenhaus 95(7) 2003. 544-548

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