Zimmermann rechnet ab“TSVG-Honorare”: Viele Fragen bleiben offen

Wie das Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) umgesetzt werden soll, haben Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) und GKV-Spitzenverband kompliziert geregelt. Dies wirft für die Praxis viele Fragen auf, die "Der Hausarzt" so weit wie möglich beantwortet.

Das TSVG soll weniger Wartezeiten auf einen Termin ermöglichen.

Neben den “offenen Sprechstunden” für Fachärzte hat das Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) im EBM drei Konstellationen für Hausärzte geschaffen:

  1. Terminvermittlung durch die Terminservicestellen (TSS) als a. TSS-Terminfall b. TSS-Akutfall
  2. Behandlung neuer Patienten
  3. Hausarzt vermittelt Termin beim Facharzt

Aus den ersten beiden Fällen resultiert extrabudgetäres Honorar, das aber nur unter bestimmten Voraussetzungen gewährt wird und auch nicht in allen Leistungsbereichen.

1. TSS-Terminfall

Damit die TSS überhaupt Termine vergeben können, müssen die Praxen ihnen freie Termine melden. Für Hausärzte gilt das nur für freie Termine innerhalb der Mindestsprechstundenzeit von 25 Stunden/Woche (inklusive Hausbesuche). Sind in dieser Zeit bei eigenen Patienten keine Ressourcen frei, müssen sie auch nichts melden. Wer freiwillig mehr als 25 Stunden/Woche arbeiten will, kann der TSS weitere freie Termine anbieten. Lediglich Fachärzte der Grundversorgung sind verpflichtet, fünf offene Sprechstunden/Woche an die TSS zu melden.

Die TSS hat maximal vier Wochen für die Terminvergabe Zeit. Ausgenommen sind nach einer Ersteinschätzung Akutfälle: Hier muss der Termin spätestens am Folgetag liegen.

Ablauf: Ein Patient wendet sich über die europaweit kostenfreie Rufnummer 116 117 an die TSS. Er erhält einen gemeldeten Termin bei einem Hausarzt. Leistungen, die der Hausarzt danach am Patienten erbringt, werden extrabudgetär vergütet. Je nachdem, wie schnell der Termin stattfindet, erhält er zusätzlich zur extrabudgetären Vergütung der Gesamtleistungen einen Zuschlag zur Versichertenpauschale von 50, 30 oder 20 Prozent (“Der Hausarzt” 14/19). Damit Praxen wissen, welchen Zuschlag sie ansetzen dürfen, teilt ihnen die TSS per E-Mail oder Fax den Tag mit, an dem sich der Versicherte an die TSS gewandt hat.

Abrechnung: Damit die Leistungen im TSS-Terminfall extrabudgetär bezahlt werden, muss die Praxis auf dem Abrechnungsbeleg unter Vermittlungs-/Kontaktart “1 = TSS-Terminfall” (neues KVDT-Feld; Feldkennung 4103) eintragen. Für den Zuschlag zur Versichertenpauschale rechnet sie die EBM-Nr. 03010 unter Zusatz des Buchstabens B (50 Prozent), C (30 Prozent) oder D (20 Prozent) ab. Den Rest erledigt das Praxisverwaltungssystem (PVS) automatisch.

Den “TSS-Akutfall” kann man erst vom 1. Januar 2020 an gesondert berechnen. Hierfür erhält der Zuschlag 03010 EBM dann den Buchstaben A. Extrabudgetär bezahlt werden TSS-Akutfälle aber bereits seit 11. Mai.

Fallbeispiel 1: Eine Patientin hat am 2. September (Montag) in der TSS angerufen und für den 9. September (Montag) einen Hausarzttermin erhalten. Das Wochenende wird bei der Ermittlung der Zuschlagshöhe mitgezählt. Es resultieren genau acht Tage! Daher kann die Praxis einen 50-prozentigen Zuschlag zur Nr. 03000 EBM abrechnen.

Besonderheiten bei BAG/MVZ

Bei den TSVG-Konstellationen werden die Leistungen in einem Quartal extrabudgetär nicht – wie üblich – bezogen auf den Behandlungsfall, sondern auf den Arztgruppenfall vergütet (“Der Hausarzt” 15/19). Der Arztgruppenfall umfasst alle Leistungen, die von derselben Arztgruppe in derselben Praxis im selben Quartal bei einem Versicherten ambulant zulasten derselben Kasse erfolgen.

Diese Definition ist für Berufsausübungsgemeinschaften (BAG) oder Medizinische Versorgungszentren (MVZ) von Bedeutung, in denen Ärzte unterschiedlicher Arztgruppen tätig sind. Extrabudgetär vergütet wird nämlich immer nur der durch die TSS vermittelte Fachgruppenfall. Die extrabudgetäre Vergütung plus Zuschlag erhalten in der BAG oder dem MVZ also nur Ärzte der Fachgruppe, bei der die TSS für den Patienten einen Termin vereinbart hat, etwa beim Hausarzt. Sucht der Patient im selben Quartal einen Arzt einer anderen Fachgruppe in der BAG oder dem MVZ auf, ohne dass die TSS diesen Termin vermittelt hat, braucht es dafür im PVS einen neuen Abrechnungsschein, über den die Leistungen wie bisher budgetiert vergütet werden.

Anders sieht es aus, wenn derselbe Patient in dem Quartal nochmals über die TSS die BAG oder das MVZ aufsucht, um dort einen anderen Arzt einer anderen Fachgruppe zu konsultieren. Dann erhält auch der Arzt dieser Fachgruppe die Leistungen extrabudgetär honoriert und ggf. zusätzlich den Zuschlag auf seine Grundpauschale. Auch dazu wird ein neuer Abrechnungsschein angelegt, der dann als “TSS-Terminfall” gekennzeichnet wird.

2. Neue Patienten

Seit 1. September wird die Behandlung neuer Patienten im Arztgruppenfall (Quartal) extrabudgetär und damit in voller Höhe vergütet. Patienten gelten als “neu”, wenn sie weder im aktuellen noch in den acht vorangegangenen Quartalen in der Praxis betreut wurden.

Wichtig: Praxisgründer sind in den ersten beiden Jahren (acht Quartalen) nach Praxisstart/-übernahme von der Regelung ausgenommen. Bei der Berechnung der acht Quartale zählt das aktuelle Quartal nicht mit: Die zwei Jahre umfassen deshalb das aktuelle Quartal plus die acht vorangegangenen Quartale. Dabei ist zu beachten, dass auch die selektivvertragliche Behandlung des Patienten mitzählt. Wurde also ein Patient zwischenzeitlich in der hausarztzentrierten Versorgung (HZV) behandelt, gilt er nicht als neu.

Abrechnung: Damit die Leistungen extrabudgetär vergütet werden, muss die Praxis die Abrechnung im PVS unter Vermittlungs-/Kontaktart “5 = Neupatient” (neues KVDT-Feld; Feldkennung 4103) kennzeichnen.

Fallbeispiel 2a: Ein Patient kommt im dritten Quartal 2019 zur Hausärztin. Er war zuletzt im zweiten Quartal 2017 dort in Behandlung. Die Hausärztin bekommt die Behandlung extrabudgetär vergütet, da die letzte Kontaktaufnahme vom aktuellen Quartal aus acht vorangegangene Quartale zurückliegt (Zählung: 2/19+1/19+4/18+3/18+2/18+1/18+4/17+3/17 = 8 Quartale).

Besonderheiten bei BAG/MVZ

Sucht ein neuer Patient in einer BAG oder einem MVZ Ärzte unterschiedlicher Arztgruppen auf, etwa im ersten Quartal 2020 den Hausarzt, im zweiten Quartal den Neurologen und im dritten Quartal den Hautarzt, erhalten maximal zwei Arztgruppen ihre Leistungen extrabudgetär vergütet – und zwar die Arztgruppen mit den ersten Kontakten (hier Hausarzt und Neurologe). Sucht der Patient im ersten Quartal 2020 den Hausarzt und im zweiten Quartal den Neurologen auf, kann er frühestens im zweiten Quartal 2022 bei einer weiteren Arztgruppe in der BAG oder dem MVZ als Neupatient gelten.

Wichtig: Entscheidend, ob ein Patient als neuer Patient eingestuft wird, ist letztlich nicht die BAG/MVZ, sondern die Arztgruppe. So kann derselbe Patient beim Hausarzt des MVZ als “neu” gelten, beim Orthopäden aber nicht, wenn er dort regelmäßig behandelt wird.

Wechselt in einer BAG oder einem MVZ das Personal, gelten die Patienten wiederum als neue Patienten, auch wenn es sich um angestellte Ärzte handelt.

Fallbeispiel 2b: In einer BAG tritt ein Praxispartner oder ein angestellter Arzt aus und wird jeweils durch den Eintritt oder die Anstellung einer anderen Ärztin ersetzt. In diesen Fällen sind alle Patienten, die mit der LANR der neuen Ärztin gekennzeichnet werden, neue Patienten und die Leistungen werden extrabudgetär vergütet.

Besonderheiten beim Labor

Laborleistungen des Kapitels 32 EBM werden bei den TSVG-Konstellationen nicht extrabudgetär honoriert. Die Vergütung aller Laborleistungen, die die Praxis erbringt oder an Laborvereine/ -praxen delegiert, erfolgt weiter wie im EBM ausgewiesen in Euro. Es gelten unverändert die Regelungen des Wirtschaftlichkeitsbonus, wonach solche Laborleistungen zwar vergütet werden, bei Überschreitung eines fachgruppenspezifischen Korridors es jedoch zu einer “Abschmelzung” des aus der Nr. 32001 EBM resultierenden Honorars kommt (“Der Hausarzt” 7 und 8/18). Die immer wieder aufflammenden “Aufrufe” der Kassenärztlichen Vereinigungen, Laborleistungen “wirtschaftlich” zu erbringen, gelten damit auch bei Patienten der TSVG- Fälle.

3.Vermittlung eines Facharzttermins

Finanziell gefördert werden Hausärzte auch, wenn sie Patienten einen Termin beim Facharzt organisieren: Dafür erhalten Haus- sowie Kinder- und Jugendärzte seit 1. September 10,07 Euro, wenn folgende Voraussetzungen erfüllt sind:

  • Der Termin muss innerhalb von vier Kalendertagen liegen, nachdem der Hausarzt festgestellt hat, dass sich der Patient beim Facharzt vorstellen soll. Gezählt wird ab dem Folgetag – und läuft wie beim Zuschlag des TSS-Terminfalls: Wochenenden und Feiertage zählen mit.
  • Der Facharzt, bei dem der Hausarzt einen Termin vereinbart, darf nicht in derselben BAG oder demselben MVZ tätig sein wie der Hausarzt.
  • Der Hausarzt darf die Terminvermittlung an Praxismitarbeiter delegieren.
  • Sind bei einem Patienten Termine bei unterschiedlichen Fachärzten medizinisch erforderlich, kann der Hausarzt den Zuschlag auch mehrfach im Quartal beim gleichen Patienten abrechnen. Hierzu muss er je einen Termin vermitteln und je eine Überweisung ausstellen.
  • Nicht berechnungsfähig ist der Zuschlag, wenn der Hausarzt bei einem Facharzt einen Termin vermittelt, bei dem der Patient im laufenden Quartal bereits in Behandlung war. Dies muss vom Hausarzt beim Patienten erfragt werden.
  • Der Hausarzt erhält den Zuschlag unabhängig davon, ob der Patient den Termin beim Facharzt wahrnimmt oder nicht.

Abrechnung: Die Vermittlung rechnen Hausärzte als Zuschlag zur Versichertenpauschale mit 03008 oder 04008 EBM ab. Dabei müssen sie die Betriebsstättennummer (BSNR) des vermittelten Facharztes angeben. Hierfür gibt es ein neues Feld “BSNR des vermittelten Facharztes” im PVS.

Fallbeispiel 3a: Ein Hausarzt stellt bei einem Patienten am Montag fest, dass er dringend einen Termin bei einem Gastroenterologen benötigt und vereinbart am selben Tag einen solchen Termin. Der Termin beim Gastroenterologen muss spätestens am folgenden Freitag liegen, damit der Hausarzt den Zuschlag erhält (Zählweise: Dienstag, Mittwoch, Donnerstag, Freitag – der Montag zählt nicht mit).

Fallbeispiel 3b: Eine Hausärztin stellt am Freitag fest, dass ihre Patientin dringend zum Neurologen muss. Spätestens für den folgenden Dienstag muss ein Termin vereinbart werden, um die Vier-Tages-Frist einzuhalten (Zählweise: Samstag, Sonntag, Montag, Dienstag – der Freitag zählt nicht mit).

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