Forum Politik“Wir müssen junge Kollegen schon früh begeistern“

Ein eigener Studiengang Hausarztmedizin könnte die Attraktivität der Allgemeinmedizin steigern – und den Nachwuchsmangel bekämpfen, davon ist Prof. Dr. med. Andreas Sönnichsen, Lehrstuhlinhaber und Leiter des Instituts für Allgemeinmedizin und Familienmedizin an der Universität Witten/Herdecke überzeugt.

Warum hat die Allgemeinmedizin Nachwuchssorgen?

Sönnichsen: Hier kommen mehrere Dinge zusammen. Zum einen hat nicht nur die Allgemeinmedizin Nachwuchssorgen, sondern der ärztliche Beruf in der Patientenversorgung generell. Dieser Nachwuchsmangel ist auf drei Hauptfaktoren zurückzuführen: Die Medizin erfährt eine zunehmende Verweiblichung. Das heißt, dass durch Mutterschaft und Teilzeittätigkeiten Kapazitäten verloren gehen. Der Bedarf an Ärzten ist gestiegen. Das ist durch die Arbeitszeitgesetzgebung, aber auch durch medizinischen Fortschritt und Ausweitung des Leistungsspektrums zu erklären. Und: In Deutschland ausgebildete Ärzte wandern ins Ausland oder in nicht-klinische Bereiche ab, z.B. in die Pharmaindustrie.

Die Allgemeinmedizin ist durch folgende Faktoren besonders betroffen: Jahrelange Fehlplanung mit überdimensionaler Ausweitung der ambulanten Facharztversorgung, fehlende Attraktivität des Faches durch die Berufsausübung in ländlichen und strukturschwachen Regionen, durch Dienstzeiten und durch Überbezahlung anderer Fachrichtungen.

Ist die Allgemeinmedizin an den Universitäten bislang vernachlässigt worden?

Sönnichsen: Auf jeden Fall! Im Gegensatz zu den anderen medizinischen Fachrichtungen steckt die universitäre Allgemeinmedizin in Deutschland noch in den Kinderschuhen. Das gilt auch im Vergleich zu vielen anderen europäischen Ländern wie Großbritannien oder Skandinavien. Nach wie vor haben in Deutschland nicht alle Universitäten vollwertige Institute und Lehrstühle für Allgemeinmedizin. Die bestehenden Institute sind personell überwiegend schlecht ausgestattet und dienen in erster Linie der Abdeckung von Lehrleistung. Die wissenschaftliche Entwicklung ist im internationalen Vergleich nach wie vor unterentwickelt.

Wie kann man angehende Mediziner für diesen Fachbereich begeistern?

Sönnichsen: Hier müssen zum einen Konzepte entwickelt werden, die die Attraktivität des Berufs insgesamt steigern, z.B. Verdienstmöglichkeiten auf gleicher Höhe wie durch andere Fachrichtungen – und das, ohne doppelt so viel arbeiten zu müssen! Zudem müssen wir schon sehr früh im Studium angefangen, die jungen Kollegen für den Beruf zu begeistern. Das gelingt uns in Witten trotz vier mal zwei Wochen in der Allgemeinpraxis auch nur bedingt, weil die ideelle Aufwertung der Allgemeinmedizin unter den anderen Fächern und die Wertschätzung fehlen.

Eine Möglichkeit, die Attraktivität zu steigern, wäre, einen eigenen Studiengang für Hausarztmedizin einzurichten mit eigenem Zulassungsverfahren, Schwerpunktbildung in Allgemeinmedizin mit Verkürzung der Facharztausbildung. Trotzdem muss dieser Studiengang aber einen vollwertigen medizinischen Abschluss bilden und auch die Tür in andere Fachrichtungen offen lassen.

Der Modellstudiengang Medizin an der Universität Witten/Herdecke richtet den Fokus auf die Allgemein- und Familienmedizin. Was macht ihn aus?

Sönnichsen: Wir sind dabei ein Curriculum Allgemeinmedizin im Modellstudiengang zu entwickeln, das sich vom ersten Semester bis zum PJ durchzieht. Unsere Personalkapazitäten reichen hierfür aber auch in Witten nicht aus. Vier mal zwei Wochen Allgemeinmedizin in einer Lehrpraxis sind ein Anfang, aber die Ausbildungsqualität in den Lehrpraxen zeigt ein breites Spektrum. Von der Idee her gut, von der Umsetzung her durchaus noch Optimierungsbedarf.

Was sagen Sie – ist die Allgemeinmedizin ein Traumberuf?

Sönnichsen: Aber ganz sicher! Ich kann mir kein anderes medizinisches Fach vorstellen, das so abwechslungsreich ist, so nah am Patienten, und so zufriedenstellend, mit dem sicheren Gefühl, wirklich etwas Sinnvolles zu machen.

Lesen Sie dazu auch: Traumberuf zwischen Wissenschaft und Herzenswärme

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