Forum PolitikUnd jährlich grüsst der Beschwerdeausschuss

Hausarzt Manfred Müller ist genervt: In jedem Kontrolljahr muss er aufs Neue seine Praxisbesonderheiten vor dem Beschwerdeausschuss rechtfertigen, obwohl die Ursache die gleiche bleibt. Dabei hilft ihm auch nicht seine Expertise in Fragen zur Wirtschaftlichkeitskontrolle als Laienrichter am Landessozialgericht.

Manfred Müller ist Arzt für Allgemeinmedizin aus Gillersheim bei Northeim. Seit mehr als 30 Jahren arbeitet er dort als Hausarzt, war stets sozial engagiert, zuletzt als Laienrichter am Sozialgericht Hannover, und wurde kürzlich in dieser Funktion befördert und an das Landessozialgericht in Niedersachsen berufen. Seine besondere Sachkunde in der Wirtschaftlichkeitskontrolle der Vertragsärzte, die ihm im Laufe der Jahre beim Sozialgericht zugewachsen ist, hat ihn nicht davor bewahrt, mit der eigenen Praxis in eine Reihe von Wirtschaftlichkeitskontrollverfahren verwickelt zu werden.

Herr Kollege Müller, seit wann sind Sie niedergelassen?

Manfred Müller: Seit 1. Januar 1985, zunächst in Einbeck und dann ab Juni 1986 in Gillersheim Landkreis Northeim.

Was hat sich in dieser Zeit an Ihrer Praxisstruktur geändert?

Zusammen mit meiner Frau habe ich seit 1989 einen Verein zur Betreuung von körperlich und geistig behinderten Menschen aller Altersgruppen gegründet. Dies hat dazu geführt, dass die Morbidität in meiner Praxis ständig zugenommen hat. Ab 2001 wurde dann das Richtgrößenvolumen um bis zu 60 Prozent überschritten.

Als Folge davon muss mittlerweile in all den Jahren der Vorwurf der unwirtschaftlichen Arzneimittelverordnung abgewehrt werden. Die Kassenärztliche Vereinigung Niedersachsen unterstützt mit ihrer Rechtsauffassung sogar meine Position in einem Rechtsstreit der Krankenkassen gegen den Beschwerdeausschuss Niedersachsen. Konkret geht es darum, dass der Grundsatz „Beratung vor Regress“ on den Krankenkassen für „Altfälle“ nicht anerkannt wird.

Dies führt im Ergebnis dazu, dass ich in jedem Kontrolljahr neu meine Praxisbesonderheiten vor dem Beschwerdeausschuss rechtfertigen und begründen muss, obwohl sich an Praxisstruktur und Zusammensetzung der Klientel nichts ändert. Dies ist mit stundenlangen bürokratischen Arbeiten verbunden. Der Zeitaufwand wird meinen schwerkranken Patienten entzogen.

Mittlerweile bin ich entschlossen, mit Hilfe des Hausärzteverbandes Niedersachsen einen Anwalt zu suchen, obwohl ich selbst als Sozialrichter rechtskundig bin. Der anwaltliche Beistand ist aber nötig

  • erstens um mich zeitlich zu entlasten und

  • zweitens, weil die rechtsformalen Schritte, die von Seiten der Prüfgremien und Krankenkassen initiiert werden, von mir in ihrer Komplexität nicht mehr überblickt werden können.

Fühlen Sie sich emotional durch diese Vorgänge belastet?

Ich fühle mich extrem belastet, einerseits durch die existenzielle Bedrohung, weil Forderungen bis zu 30.000 Euro im Raum stehen. Außerdem empfinde ich Art und Umfang des Kontrollverhaltens der Prüfgremien als unberechtigte Kritik und mangelnde Wertschätzung an meiner Arbeit.

Was erwarten Sie vom Deutschen Hausärzteverband?

Ich erwarte, dass er die hausärztlichen Interessen bündelt und mit Rechtsbeistand und finanzieller Unterstützung meinen Marsch durch die Instanzen vor den Sozialgerichten begleitet.

Was muss sich Ihrer Meinung nach bei der Weiterentwicklung des Sozialrechts ändern?

Es muss gewährleistet sein, dass der Arzt nicht für die Werkzeuge, die er für seine Arbeit benötigt, aus der Privatschatulle zur Kasse gebe ten wird.

Und was soll sich dadurch konkret an der Gestaltung des Sozialrechts ändern?

Die Politik muss sich entscheiden, was der Sozialstaat leisten kann und was aus der Privatschatulle der Patienten zu bezahlen ist. Zugespitzt: Wollen wir ein staatliches Gesundheitssystem nach skandinavischem Vorbild oder ein privatwirtschaftlich organisiertes wie in den USA? Beide Extreme erscheinen mir nicht wünschenswert. Im Übrigen sollten Regresse nicht Verwaltungsroutine der KV- und Krankenkassenbürokratie bleiben, sondern auf extreme Verschwendungsfälle begrenzt sein, für die die Krankenkassen die Beweislast zu tragen haben.

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