Dürfen Demenzkranke in Studien einbezogen werden, von deren Ergebnissen sie selbst nicht profitieren? Über diese Frage haben Ethiker, Mediziner und Juristen im Bundestag kontrovers diskutiert. Im Fokus stand das "vierte Gesetz zur Änderung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften", in dem Forschung an nicht einwilligungsfähigen Erwachsenen in Europa erlaubt ist, auch wenn sie selbst nicht von den Ergebnissen profitieren (gruppennützige Forschung). Voraussetzung ist, dass die Patienten zu einer Zeit, in der sie im Vollbesitz ihrer Kräfte waren, eine entsprechende Patientenverfügung verfasst haben. Außerdem muss der gesetzliche Betreuer die Teilnahme befürworten.
Befürworter der weniger strikten EU-Regelung argumentieren, dass ohne die Forschung an Demenzpatienten auf wichtige Erkenntnisgewinne verzichtet würde. Außerdem sei die gruppennützige Forschung z.B. auch bei Minderjährigen seit 2004 in Deutschland zugelassen. Der Mediziner Johannes Pantel von der Goethe-Universität in Frankfurt am Main hält eine Änderung der bestehenden Geset-zeslage für verzichtbar. Die bei Demenz infrage kommenden Wirksamkeits- und diagnostischen Studien versprächen vor allem in der Frühdiagnostik wesentliche Fortschritte. Auch bei den Pharmakokinetikstudien (alle Arzneimittelprozesse im Körper betreffend) sei der Zusammenhang zwischen der Schwere der Demenz und der Studienart nicht notwendigerweise eng. Pantel gab auch zu bedenken, dass für die Forschung relativ viele Probanden benötigt würden, die mit den vorgeschlagenen Regelungen womöglich gar nicht zu erreichen seien. Zudem berge eine Vorabverfügung das Risiko einer "schwer kalkulierbaren Wissens- und Informationslücke". Dies eröffne einen Graubereich, der für Probanden riskant sein könne.
Auf dieses Argument stützte sich auch Andreas Lob-Hüdepohl vom Berliner Institut für christliche Ethik und Politik. Deshalb plädiere er für die Beibehaltung des bisherigen Schutzniveaus. Dies sei "ethisch geboten, um nichteinwilligungsfähige Erwachsene ausreichend vor einer Instrumentalisierung zu schützen".
Der Gesundheitsausschuss hatte dem Gesetzentwurf bereits Ende September in geänderter Fassung zugestimmt, zugleich aber eine getrennte parlamentarische Befassung zu dem Passus der geplanten Forschung an nicht einwilligungsfähigen Patienten auf den Weg gebracht. Der Bundestag wird voraussichtlich im November über die Änderungsanträge und dann ohne Fraktionszwang über den gesamten Gesetzentwurf abstimmen.
Quelle: Heute im Bundestag