Berlin. Seit einigen Jahren beklagen die Krankenhäuser in Deutschland eine massive Überlastung der stationären Notaufnahmen. Patienten mit Erkrankungen, die auch ambulant versorgt werden könnten, binden dabei unnötigerweise Notfallversorgungskapazitäten in den Kliniken.
Die Kassenärztliche Vereinigung Bayerns (KVB) und das RoMed Klinikum Rosenheim haben ein Konzept erprobt, in denen Akutpatienten in die richtige Schiene geleitet werden. Mit im Boot einer Machbarkeitsstudie ist auch das Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung (Zi).
Bereitschaftspraxis zentrale Rolle
Eine zentrale Rolle dabei spielt die Bereitschaftspraxis der KVB, die am Klinikum Rosenheim angedockt ist. Dabei gibt es 119 weitere bayerische Bereitschaftspraxen, die an Krankenhäusern etabliert sind.
Eine Besonderheit des Konzepts ist, dass Patienten sowohl nach der Manchester Triage System (MTS) in der Klinik als im zweiten Schritt auch mit Hilfe der Software nach der Strukturierten medizinischen Ersteinschätzung in Deutschland (SmED) triagiert werden.
Nach MTS werden die Patienten in fünf Gruppen unterteilt von (rot – sofort), orange (sehr dringend), (gelb – teilweise dringend), (grün – normal) und (blau – nicht dringend). Während rot und orange sofort in die Notaufnahme geleitet wurden, wurden die Patienten in den Stufen gelb, grün und blau zusätzlich durch eine Fachkraft der KVB mit SmED eingeschätzt.
MTS und SmED funktionieren
Wenn eine ambulante Behandlung infrage kam, wurden die Patienten in der Bereitschaftspraxis behandelt. Zu Praxisöffnungszeiten konnten die Patienten vor einer Weiterleitung in eine externe Vertragsarztpraxis zunächst per Videotelefonie einer Vertragsärztin bzw. einem Vertragsarzt vorgestellt werden. Die Studie beschränkte sich auf den Zeitraum von 8 bis 21 Uhr.
„Dieses gestufte Verfahren ist ein erster wichtiger Schritt zur Verbesserung der Sicherheit von Patientinnen und Patienten und zur Entlastung der Notaufnahmen von minder schweren Fällen. Personen mit besonderen Risiken wurden sofort identifiziert. Auch Stichproben mit SmED zur Identifikation der so genannten Redflags waren durchgängig erfolgreich. Von den Patientinnen und Patienten, die einer Vertragsärztin oder einem Vertragsarzt vor Ort oder per Videotelefonie vorgestellt worden sind, wurde nur ein Fünftel zur weiteren Diagnostik in die Notaufnahme eingewiesen“, sagte Dr. Michael Bayeff-Filloff, Chefarzt der Zentralen Notaufnahme am RoMed Klinikum Rosenheim bei einem Online-Pressegespräch am Montag zur Vorstellung der Studiendaten.
Insgesamt seien rund drei Viertel der Hilfesuchenden durch die Notaufnahme behandelt worden, ein Viertel durch ambulant tätige Ärzte. Von den selbst einweisenden Patienten sei ein Drittel durch Niedergelassene versorgt worden.
Kooperation von Kliniken und Praxen vor Ort
„Um die Schnittstellenproblematik in der Notfallversorgung schnell und sicher zu lösen, braucht es Kooperationen vor Ort zwischen Kliniken und Praxen“, sagte Dr. Wolfgang Krombholz, Chef der KVB. Die KVB wolle auf Basis der Ergebnisse der Machbarkeitsstudie ihr bereits seit zehn Jahren erfolgreiches Netz mit 135 Bereitschaftspraxen (davon 119 an Kliniken) und dem ärztlichen Bereitschaftsdienst zu einer noch engeren Kooperation mit den Kliniken weiterentwickeln, erläuterte Krombholz weiter.
Krombholz: „Während der Praxisöffnungszeiten könnten Fachkräfte weitere Steuerungsaufgaben in der zweiten Stufe der medizinischen Ersteinschätzung übernehmen. Ein mögliches Ziel wäre, vertragsärztlich behandelbare Patientinnen und Patienten direkt in verfügbare und gut erreichbare Arztpraxen zu vermitteln oder vorab zur Ersteinschätzung ein Videogespräch mit einer Praxis zu vereinbaren. In zahlreichen Notaufnahmen könnte es so bereits ausreichen, eine zusätzliche Fachkraft während der Praxisöffnungszeiten vorzuhalten.“
Zugleich wies der KVB-Chef darauf hin, dass für solche Angebote der Vertragsärzteschaft eine angemessene Finanzierungsgrundlage geschaffen werden müsse.
Weitere Informationen dazu beim Zi unter: https://hausarzt.link/2Pnmm