GutachtenRegierungskommission legt Vorschlag zur Notfallreform vor

Die vom Bundesgesundheitsministerium eingesetzte Regierungskommission hat umfassende Vorschläge zu einer Reform der Notfallversorgung vorgelegt. Die Umsetzung dürfte schwierig bis unmöglich werden.

Die Leitstellen sollen nach Vorstellung der Regierungskommission umfassende Aufgaben übernehmen.

Berlin. Integrierte Notfallzentren (INZ) und Integrierte Leitstellen (ILS) sollen helfen, die Notfallaufnahmen der Kliniken zukünftig zu entlasten. In ihrer vierten Stellungnahme hat die von Bundesgesundheitsminister Prof. Karl Lauterbach (SPD) ins Leben gerufene Regierungskommission am Montag (13.2.) umfassende Vorschläge für eine „Reform der Notfall- und Akutversorgung in Deutschland“ vorgelegt.

Hilfesuchende, so die Idee der Regierungskommission, sollen nach telefonischer oder telemedizinischer Ersteinschätzung, die die ILS vornehmen, einer geeigneten Struktur zugewiesen werden. Die ILS sollen flächendeckend aufgebaut werden. Die Rufnummern 112 und 116117 sollen dabei erhalten bleiben – beide Nummern könnten zum Beispiel bei einer Leitstelle einlaufen.

Die Erreichbarkeit beider Nummern sei sicherzustellen. Die unmittelbare Erreichbarkeit der 116117 gehöre zum Sicherstellungsauftrag der KV, heißt es im Papier. Bei Überschreiten von Wartezeitvorgaben (bei 112 sofort, bei 116117 beispielsweise maximal drei Minuten bei mehr als 75 Prozent aller Anrufe) seien Sanktionsmechanismen einzuführen.

Breites Leistungsangebot der ILS

Die ILS sollen umfassende Aufgaben übernehmen. Nach Vorstellung der Regierungskommission müsse folgendes Leistungsangebot aufgebaut werden:

  • telemedizinische Beratung. Dazu sollen „leistungsfähige, rund um die Uhr erreichbare allgemeinärztliche und kinderärztliche telemedizinische Beratungen oder Videosprechstunden eingerichtet werden.
  • Verordnung von Notfallmedikamenten, kombiniert mit einem Botendienst für Arzneimittel.
  • Verweis auf eine Vorstellung in einer der nachfolgenden Strukturen. Die Daten werden übertragen und ein verbindlicher Termin wird gebucht: 1) reguläre (KV-)Praxis zu Öffnungszeiten 2) KV-Notdienstpraxis 3) INZ/Notaufnahme
  • Entsendung eines aufsuchenden Dienstes, insbesondere für immobile Patientinnen und Patienten, vulnerable Gruppen und zeitkritische Notfälle: 1) KV-Bereitschaftsdienst 2) pflegerische Notfallversorgung: Für Hilfesuchende mit nicht primär ärztlich zu behandelnden Notfällen schlägt die Kommission den Aufbau einer wohnortnahen pflegerischen Notfallversorgung vor. Die Substitution ärztlicher Leistungen sei durch entsprechende gesetzliche Änderungen zu ermöglichen und zu regeln, damit Pflegefachpersonen selbstständig Assessments, Maßnahmen und Interventionen zur Gesundheitsversorgung übernehmen könnten. 3) Krankentransport 4) Notfallrettung/Notarzt/-ärztin (zur Erweiterung der Kompetenzen der Notfallrettung will sich die Regierungskommission in einer separaten Stellungnahme äußern)
  • spezielle Dienste für vulnerable Gruppen. Dazu zählen insbesondere: 1) ambulante Palliativversorgung 2) Akut-Sozialdienst 3) psychosozialer Kriseninterventionsdienst

Mit den Leitstellen könne für die übrigen Hilfesuchenden „so erreicht werden, dass die KV-Praxen im Regel- und im 24-Stunden-Betrieb ihrem Sicherstellungsauftrag umfassender nachkommen“, heißt es weiter im Papier.

INZ: Wenn sich zwei streiten, gewinnt die Klinik

Die INZ sollen an allen Kliniken (rund 420) aufgebaut werden. Ein INZ besteht aus der Notaufnahme des Krankenhauses, einer KV-Notdienstpraxis im oder direkt am Krankenhaus und einer zentralen Ersteinschätzungsstelle („Tresen“). Krankenhaus und KV sollen sich über die INZ-Leitung einigen. Wenn sie sich nicht einigen, übernimmt das Krankenhaus die Leitung, heißt es  im Papier.

Für KV-Notdienstpraxen in den INZ sieht die Regierungskommission bestimmte Öffnungszeiten vor: In Krankenhäusern der Notfallstufe 2 sollen diese zum Beispiel mindestens von Montag bis Freitag 14 bis 22 Uhr öffnen. In den Kliniken der Notfallstufe 3 sollen die KV-Notdienstpraxen in der Regel 24/7  geöffnet sein.

Die KV-Notdienstpraxen seien dabei mit mindestens einem Arzt oder einer Ärztin sowie einem/einer medizinischen Fachangestellten oder Pflegefachperson zu besetzen, so die Vorstellung der Regierungskommission.

Kritik: Aufbau von Doppel- und Dreifachstrukturen

Zwar seien einige brauchbare Ansätze dabei, findet die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV), vieles erscheine aber schon aufgrund des hohen Personalbedarfs unrealistisch.

Auch der Deutsche Hausärzteverband übt Kritik: „Ein sehr großer Teil der Notfallversorgung findet in den Hausarztpraxen statt, gleichzeitig spielen diese in dem Gutachten de facto keine Rolle. Das räumen die Autoren auch gleich zu Beginn des Gutachtens offen ein. Dieser selektive Blick hat auch damit zu tun, dass die Kommission ausschließlich aus Krankenhausvertretern besteht“, erklärt Dr. Markus Beier, Bundesvorsitzender des Deutschen Hausärzteverbandes.

„An mehreren Stellen sollen Doppel- und Dreifachstrukturen aufgebaut werden, zum Beispiel wenn ein KV-Bereitschaftsdienst während der regulären Praxisöffnungszeiten eingerichtet werden soll. Gerade vor dem Hintergrund, dass viele Kolleginnen und Kollegen schon jetzt an der Belastungsgrenze arbeiten, stellt sich die Frage, wo die zusätzlichen Ressourcen herkommen sollen“, meint Prof. Nicola Buhlinger-Göpfarth, stellvertretende Bundesvorsitzende des Deutschen Hausärzteverbandes.

Das komplette Gutachten finden Sie hier: Stellungnahme Regierungskommission

 

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