Verlieren Patienten – etwa am Lebensende oder bei einer schweren Erkrankung – ihre Einwilligungsfähigkeit, so stellt das Ärzte mitunter vor Herausforderungen. Auch um Konflikte zu vermeiden (s. Kasten), kommt sogenannten vorsorglichen Willensbekundungen besondere Bedeutung zu. In ihren Hinweisen zum Umgang mit Vorsorgevollmachten und Patientenverfügungen im ärztlichen Alltag beleuchten Bundesärztekammer (BÄK) und ihre Zentrale Ethikkommission (ZEKO) die rechtlichen Grundlagen dafür.
Zu unterscheiden sind demnach einerseits Dokumente, die eine Vertrauensperson für den Ernstfall festlegen (Vorsorgevollmacht, Betreuungsverfügung): Diese Benennung eines Ansprechpartners sei “von zentraler Bedeutung” für den Arzt, da die Vertrauensperson den Willen des Patienten vertritt.
Zum anderen können Patienten den eigenen Willen bezüglich medizinischer Behandlungen explizit festhalten: “Die Patientenverfügung muss einerseits die Behandlungssituation, in der sie gelten soll, konkret beschreiben und andererseits die ärztliche Maßnahme, in die eingewilligt oder die untersagt wird, genau bezeichnen.” Dies könne etwa in Form eines Beispielkatalogs erfolgen.
Cave: Eine Patientenverfügung setzt zum Zeitpunkt der Erstellung die Volljährigkeit und Einwilligungsfähigkeit des Patienten voraus. Sie bedarf der Schriftform. Im Gegensatz dazu sind geäußerte Behandlungswünsche nur vorsorgliche Willensbekundungen, die zwar konkret benannt sein müssen, aber weder Einwilligungsfähigkeit noch Schriftform bedürfen. Als dritte Option kann der Patient seinem Vertreter oder Arzt anvertrauen, die angemessene ärztliche Behandlung festzulegen.
Wichtig: Ist nichts über die Präferenzen des Patienten bekannt, dürfen Vertreter und Arzt annehmen, dass der Patient den indizierten Maßnahmen zustimmen würde.
Tipp 1: Gespräch bei nahenden Risiken proaktiv suchen
“Ärzte sollen mit Patienten über die Abfassung einer vorsorglichen Willensbekundung sprechen”, heißt es in den Empfehlungen deutlich. Dabei sollte der Arzt das Gespräch unter Umständen von sich aus suchen – etwa, wenn sich bei einer Behandlung entsprechende Risiken für den Eintritt einer Einwilligungsunfähigkeit abzeichnen oder der Patient von sich aus Unsicherheiten thematisiert.
“Zwar kann der Arzt dem Patienten die oft schwierige und als belastend empfundene Entscheidung über das Ob und Wie nicht abnehmen, wohl aber Informationen für das Abwägen der Entscheidung beitragen.” Insbesondere ältere oder schwerkranke Menschen sollte der Arzt zum Gespräch “ermutigen”. Aber: Kein Patient darf gedrängt oder gar gezwungen werden, eine vorsorgliche Willensbekundung abzugeben.
Tipp 2: Orientierung im Formular-Dschungel geben
Es gibt eine Fülle von Musterformularen (s. Link-Tipps), die sich teils erheblich unterscheiden. Welches Formular verwendet wird, sollte der Patient anhand seiner Wertvorstellungen und Behandlungswünsche entscheiden. Aber: “Der Arzt kann auf die verschiedenen Muster und die dort enthaltenen Formulierungen zu klinisch relevanten Szenarien sowie Reichweiten und Begrenzungen hinweisen.”
Tipp 3: Schweigepflicht wird durch Vollmacht aufgehoben
Gegenüber dem Bevollmächtigten und Betreuer ist der Arzt zur Auskunft berechtigt und verpflichtet. Vollmacht und Gesetz stellen den Arzt in diesem Fall von der Schweigepflicht frei. Die vorsorgliche Willensbekundung kann weitere Ansprechpartner benennen, für die dies gelten soll.
Tipp 4: Gute Dokumentation kann Gedächtnisstütze sein
Die gewohnte Pflicht zur Dokumentation gilt auch für Gespräche über eine vorsorgliche Willensbekundung. Eine Kopie einer solchen Willensbekundung in der Patientenakte kann darüber hinaus helfen: Bei wesentlichen Veränderungen des Gesundheitszustands kann der Arzt eine Aktualisierung anregen, zudem steht er anderen Ärzten im Zweifelsfall als Gesprächspartner zur Verfügung. Patienten sollten ihrem Arzt einen möglichen Widerruf einer Willensbekundung unmittelbar mitteilen.