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Diskussion mit GesundheitsweisenSektorengrenzen müssen fallen

Gerade mit Blick auf die Versorgung psychisch Kranker zeigt sich für den Sachverständigenrat enormer Reformbedarf. Wenn die Sektorengrenzen künftig enger zusammenrücken, könnten Hausärzte zumindest bei leichteren Fällen die zentralen Ansprechpartner sein.

Im Gespräch mit den anwesenden Ärzten und Psychotherapeuten: Regionalkonferenz Mitte-Süd des Sachverständigenrats.

Frankfurt/Main. Eine sektorenübergreifende Bedarfsplanung und Versorgung ist gerade mit Blick auf psychisch erkrankte Patienten essenziell. Die Koordinierung der Versorgung sollte dabei in ärztlicher Hand verbleiben und nicht etwa durch Case Manager übernommen werden. Bei leichteren Fällen wäre der Hausarzt dafür der ideale Ansprechpartner. Das ist das Stimmungsbild einer Umfrage des Sachverständigenrats für die Entwicklung des Gesundheitswesens, das dessen Mitglied Prof. Marion Haubitz am Freitag (19. Oktober) in Frankfurt vorgestellt hat. Die Umfrage diente der Vorbereitung des jüngsten Gutachtens, das im September offiziell vorgestellt wurde und in den kommenden Wochen in Regionalkonferenzen diskutiert werden soll. Die Region Mitte-Süd machte dabei den Anfang.

„Wenn sie einen schwer depressiven Patienten haben, ist dieser schon am Eingang des Krankenhauses überfordert“, sagte Haubitz in der Podiumsdiskussion. Das Gespräch mit Ärzten und Psychotherapeuten ist explizit gewünscht im neuen Format der Regionalkonferenzen. „Es braucht einen Lotsen. Aber diese Koordinierungsaufgabe muss auch vergütet werden.“

Gerade beim Entlassmanagement zeige sich das deutlich: Bei der Entlassung aus psychiatrischer stationärer Versorgung, gerade bei jüngeren Patienten, zeigten Ärzte oft hohes Engagement, riefen etwa Lehrer oder Vereinstrainer an und seien damit mehrere Stunden beschäftigt. „Das geht unter den normalen Sätzen schnell nicht mehr auf.“

20 bis 30 Prozent der stationären Fälle vermeidbar

Als Rat hatte man eine bundesweite Befragung initiiert, um zu erfragen, inwieweit die koordinierte Versorgung schon gelebt wird, erklärte Haubitz. Angeschrieben wurden alle Kollegen in psychosomatischen und psychiatrischen Kliniken sowie stichprobenartig Niedergelassene, die Rücklaufquote habe bei etwa einem Drittel gelegen. Gefragt wurde auch nach den geschätzten Wartezeiten, die ein einheitliches Stimmungsbild zeigten: „Das Ambulantisierungspotenzial ist noch nicht ausgeschöpft“, bilanzierte Haubitz. „Gemäß Bedarfsplanung sind die Versorgungsgrade ausreichend bis hoch, doch die Wartezeiten sind zu hoch.“ Gleichzeitig seien 20 bis 30 Prozent der stationären Einweisungen vermeidbar.

In der Umfrage berichteten die Teilnehmer von folgenden geschätzten Wartezeiten:

  • Ambulante Psychotherapie: 4 Monate
  • Ambulanter Psychiater: 2 Monate
  • Psychiatrische Tagesklinik: 1,5 Monate
  • Elektivstationäre psychiatrische Behandlung: 1 Monat

Als Schlüssel sieht der Sachverständigenrat eine Bedarfsplanung, die Neurologen und Psychiater nicht länger als eine Gruppe betrachtet. Das schaffe mehr notwendige Transparenz in der Bedarfsplanung, betonte Haubitz. „Wir wissen bis heute nicht genau, wie viele Psychiater wir wirklich im System haben.“

“Rechtslage ist teils entrümpelungsbedürftig”

Hessens Gesundheitsminister Stefan Grüttner (CDU) betonte, dass in Sachen sektorenübergreifender Versorgung einerseits die mentalen Grenzen zwischen den Versorgungsbereichen abgebaut werden müssten, andererseits – und dies sei die größere Herausforderung – müsste die Koordination gestärkt werden. Erst in einem weiteren Schritt sei dann über eine sektorenübergreifende Finanzierung ambulanter und stationärer Strukturen zu sprechen, sagte er im Gespräch mit den Gästen der Konferenz.

Die sozialpsychiatrischen Dienste der Kommunen und Länder dürfen bei diesen Überlegungen nicht außen vor gelassen, werden, sagte sein baden-württembergischer Amtskollege Manne Lucha (Grüne). Im Südwesten würden diese nun explizit gestärkt und etwa gezielt auf ältere Menschen ausgeweitet.

Auch wenn man in Baden-Württemberg bereits zahlreiche Modellprojekte zur sektorenübergreifenden Versorgung lebe, sieht Lucha noch Verbesserungsbedarf. „Die Köpfe sind für neue Kooperationen schon sehr offen, aber die bestehende Rechtslage ist zum Teil entrümpelungsbedürftig.“

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