Corona-PandemieImpfpflicht: Bundestag diskutiert Gruppen- und Fraktionsanträge

Allgemeine Impfpflicht? Für alle über 50 Jahren? Oder doch gar keine Impfpflicht? Darüber wurde im Deutschen Bundestag hitzig diskutiert.

Bei der Diskussion um eine Corona-Impfpflicht ist eine Einigung bislang nicht in Sicht.

Berlin. Vor dem Hintergrund von fast 300.000 Neuinfektionen am gestrigen Mittwoch, der europaweit höchsten Inzidenz und mehr als 126.000 Covid-19-Verstorbenen allein in Deutschland hat der Bundestag am Vormittag über zwei Gesetzentwürfe und drei Anträge das Für und Wider einer Impfpflicht diskutiert.

Professor Karl Lauterbach (SPD) warb für den interfraktionellen Gesetzentwurf, der eine allgemeine Impfpflicht ab 18 Jahren vorsieht. Der Bundesgesundheitsminister warnte vor Varianten von SARS-CoV-2, auf die man sich nicht erst im Herbst vorbereiten dürfe. Die Impfstoffe verhinderten schwere Krankheit und Tod, auch wenn sie nicht sicher vor Ansteckung schützen.

“Wir brauchen ein Vorsorgegesetz”

Lauterbach pflichtete Unionspolitiker Dr. Günter Krings bei, wonach eine Impfpflicht zu spät käme für die Omikron-Welle. Lauterbach betonte aber, sie käme nicht zu spät für weitere Infektionswellen. Ohne allgemeine Impfpflicht stünde Deutschland im Herbst an der gleichen Stelle wie jetzt.

Krings hält eine Impfpflicht für nicht gerechtfertigt. Man müsse zunächst die Erkenntnisse aus zwei Jahren Pandemie zusammentragen und auf Basis dieser Grundlage entscheiden. „Wir brauchen keine Impfpflicht auf Vorrat, sondern ein Vorsorgegesetz.“

Ein solches fordert die Unionsfraktion, die eine Entwicklung von konkurrierenden parlamentarischen Gesetzentwürfen ablehnt. Die Union favorisiert eine Fortführung der Impfkampagne, die Einrichtung eines Impfregisters und einen gestaffelten Impfmechanismus, den der Bundestag unter bestimmten Voraussetzungen aktivieren soll.

Kompromiss: Impfpflicht ab 50

Radiologin Dr. Paula Piechotta, die einen interfraktionellen Gesetzentwurf für eine Impfpflicht ab 50 Jahren unterstützt, warb um ein Signal für Angehörige von medizinischen Berufen. Internist Dr. Herbert Wollmann (SPD) bezeichnete in seiner ersten Bundestagsrede diverse Aussagen im Bundestag zur Corona-Pandemie als „hanebüchen“.

Impfen bleibe das beste Mittel gegen eine Corona-Infektion. „Wer das nicht begriffen hat, handelt verantwortungslos.“ Eine Impfpflicht ab 50 Jahren wahre die Verhältnismäßigkeit, „denn die Jüngeren sind nicht die, die unser Gesundheitssystem belasten“.

Das sieht auch FDP-Abgeordneter und Infektiologe Professor Andrew Ullmann so. Er bezeichnete eine Impfpflicht als „ultima ratio“ und den Gesetzentwurf als Brückenschlag. „Wenn wir jetzt nicht handeln, haben wir wieder ein Weihnachten, wie wir es eigentlich verhindern wollen.“ Der Vorschlag einer Impfpflicht ab 50 Jahren sei ein Kompromiss, sagte auch CDU-Abgeordneter Tino Sorge. Es brauche zudem einen Impfvorsorge-Mechanismus, eine wissenschaftliche Grundlage und ein nationales Impfregister.

Fast 230 Abgeordnete unterstützen allgemeine Impfpflicht

„Gruppenanträge entbinden uns nicht von der Pflicht Lösungen zu finden“, warb Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Bündnis 90/Grünen) für eine allgemeine Impfpflicht ab 18 Jahren. Die Gewissensentscheidung der Bundestagsabgeordneten „darf nicht dazu führen, dass wir unserer Verantwortung für das Wohl aller nicht gerecht werden“.

Eine freiwillige Impfung wäre besser gewesen, habe aber nicht funktioniert. Dem pflichtete die grüne Bundestagsabgeordnete Katrin Göring-Eckhardt bei: „Wir haben alles darangesetzt, dass Impfen freiwillig sein kann.“

Den Gruppenantrag für eine Impfpflicht ab 18 Jahren unterstützen fast 230 Abgeordnete, darunter auch die 23 Jahre alte grüne Bundestagsabgeordnete Emilia Fester. Sie forderte einen „Payback“ für die Freiheit, auf die sie wie Tausende andere Menschen zum Schutz Dritter verzichtet habe. „Nur weil man die Pandemie für beendet erklärt, ist sie noch nicht vorbei“ sagte sie in Richtung FDP.

“Wie viele Wellen und Solidarität braucht es noch?”

Omikron habe die pandemische Lage grundlegend verändert, sagte hingegen FDP-Politikerin Tabea Rößner, die einen interfraktionellen Antrag zur Erhöhung der Impfbereitschaft ohne allgemeine Impfpflicht stützt. Den Eindruck zu erwecken, mit der Impfpflicht könne sich die Lage drehen, sei falsch und führe zu weiterem Frust in der Bevölkerung.

„Die Aufgabe des Staates ist nicht die Menschen vor sich selbst zu schützen, sondern das Gesundheitssystem am Laufen zu halten.“ Auch Gregor Gysi (Die Linke) sprach sich gegen eine Impfpflicht ein. „Ein Gesetz, das man nicht durchsetzen kann, darf man auch nicht beschließen.“ Man müsste 30.000 Menschen am Tag von der Impfung überzeugen. Das Bundesland Bremen habe vorgemacht, wie das funktionieren könne.

Dem widersprach Gysis Parteikollegin Kathrin Vogler. Eindringlich schilderte die Politikerin ihre Post-Covid-Symptome. Sie kritisierte eine Politik, die eine Impfpflicht überhaupt erst notwendig gemacht habe und sprach sich für diese aus.

Die Impfquote müsse jetzt erhöht werden, nicht erst im Herbst, wolle man die Endlosspiralen aus Schutzmaßnahmen und Infektionswellen zu beenden, sagte auch SPD-Abgeordneter Kaweh Mansoori. Wie viele Wellen und Solidarität brauche es noch, fragte der Rechtsanwalt und betonte, er habe selbst seine Haltung in den vergangenen Jahren angesichts der pandemischen Lage geändert und sei nun für eine allgemeine Impfpflicht.

Bremen als Vorbild

Auf die hohen Impfquoten im Bundesland Bremen verwies auch Bremens Bürgermeister und SPD-Abgeordneter Dr. Andreas Bovenschulte. Sie seien erreicht worden durch eine zielgruppengenaue Ansprache der Gesamtbevölkerung „mit Argumenten, ohne Druck, ohne Zwang“.

Bovenschulte sprach sich dennoch für eine allgemeine Impfpflicht aus. „Die meisten, die sich bisher nicht haben impfen lassen, werden diesen Schritt ohne eine gesetzliche Impfpflicht auch künftig nicht gehen.“ Die meisten Ungeimpften würden sich über kurz oder lang infizieren und teils schwer erkranken. Spätestens wenn die Krankenhäuser wieder überlastet seien, sei das kein individuelles Problem mehr. Er erinnerte auch an die hohe Belastung der Familien in der Pandemie.

CSU-Abgeordnete Andrea Lindholz kritisierte, dass sich zahlreiche Parlamentarier zwar für eine Impfpflicht aussprächen, gleichzeitig aber die Maskenpflicht als niederschwelligen Schutzmechanismus abschaffen wollten. Nur mit Daten aus einem Impfregister könne man zielgerichtet agieren. AFD-Abgeordnete Alice Weigel bezeichnete eine Impfpflicht als „Akt der Entrechtung“.

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