Wiesbaden. Mit einem speziellen Coaching soll es künftig jungen Fachärzten für Allgemeinmedizin in Hessen leichter fallen, die Praxis eines bereits niedergelassenen Hausarztes zu übernehmen. Auch junge Frauen sollen nach der Elternzeit dank Fortbildungen leichter den Wiedereinstieg in ihren Beruf finden. Das sieht der jüngst in Wiesbaden unterzeichnete „Gesundheitspakt 3.0“ vor, der bis 2022 gilt. Das Land setzt damit seine 2012 begonnene Kooperation mit verschiedenen Partnern fort. Unter anderem beteiligen sich die Landesärztekammer, die Liga der Freien Wohlfahrtspflege und die Kassenärztliche Vereinigung an der Initiative.
Der Gesundheitspakt ist explizit Bestandteil des jüngst unterzeichneten Koalitionsvertrags der wiedergewählten schwarz-grünen Regierung im Land. Der über Wochen im Stillen verhandelte Vertrag hat den Titel „Aufbruch im Wandel durch Haltung, Orientierung und Zusammenhalt“, die neue Landesregierung setzt damit im Wesentlichen den Weg der vergangenen Legislaturperiode fort. Die Zahl der Ministerien jedoch steigt von zehn auf elf, die Grünen werden künftig vier statt bislang zwei Ressorts verantworten. Die neue Landesregierung soll am 18. Januar 2019 ins Amt kommen.
“Regionaler Datenpool” soll Fakten liefern
„Mit dem Gesundheitspakt 3.0 sichern wir eine gute, moderne und flächendeckend erreichbare Gesundheitsversorgung in Hessen“, heißt es in dem Vertrag. Besonders die Versorgung im ländlichen Raum erhält in dem 196 Seiten starken Dokument besonderes Gewicht. Darüber hinaus kündigte Gesundheitsminister Stefan Grüttner (CDU) in Wiesbaden an, dass sich die Regierung mit Hilfe eines „regionalen Datenpools“ einen Überblick über die Versorgungsstruktur und den Bedarf verschaffen wolle. Dazu soll etwa die Zahl der Ärzte sowie die Zahl und Standorte von Krankenhäusern, Apotheken und Pflegediensten erfasst werden.
Zur Sicherstellung der flächendeckenden Versorgung ist ein Paket unter anderem aus folgenden Schritten geschnürt worden:
- Hausärzte will die Koalition bei der Delegation ärztlicher Leistungen, „beispielsweise durch die Förderungen von Versorgungsassistentinnen und -assistenten und Gemeindeschwestern“, unterstützen.
- Es sollen Stipendien für Landärzte ausgelobt werden.
- Bedingungen für eine kleinräumige Bedarfsplanung sollen mit den Kommunen ausgehandelt und auf Bundesebene vertreten werden.
- Für Kommunen ist eine „Serviceeinheit“ geplant, welche anhand der Analyse regionaler Versorgungsstrukturen bei der Weiterentwicklung der Gesundheitsversorgung oder bei Problemen in der ärztlichen Versorgung vor Ort berät.
- Ausbau regionaler Gesundheitszentren mit dem Ziel, „am Ende der Legislaturperiode in jedem Landkreis ein Gesundheitszentrum in Zusammenarbeit mit Kassenärztlicher Vereinigung, den Kommunen und den Kostenträgern etabliert zu haben“. In Gesundheitszentren arbeiten laut Vertrag alle Akteure der Vor- und Nachsorge zusammen, multiprofessionelle Teams kümmern sich um die Patienten.
- Gemeinschaftspraxen und kommunale Medizinische Versorgungszentren (MVZ) will die neue Regierung fördern. „Wir wollen durch eine Beratungsstelle die Weiterentwicklung von MVZ unterstützen und eine Anschubfinanzierung für diese bereitstellen.“
- Darüber hinaus soll die sektorenübergreifende Versorgung weiter gestärkt und ausgebaut werden. Im Rettungsdienst etwa soll dazu laut Vertrag auch explizit auf Telemedizin gesetzt werden.
Der neue Minister für Digitale Strategie und Entwicklung hat laut Koalitionsvertrag unter anderem eine Milliarde Euro aus einer „Digitalisierungs-Offensive“ zur Verfügung.
Ärztekammer setzt auf Zusammenarbeit
Dr. Edgar Pinkowski, Präsident der Landesärztekammer Hessen, pochte während der Koalitionsverhandlungen wie auch nach Abschluss des Gesundheitspakts 3.0 wiederholt auf die Wichtigkeit einer guten Zusammenarbeit zwischen Ärzten und Politik. „Um eine bestmögliche Versorgung sowohl im ambulanten als auch im stationären Bereich in Hessen zu erreichen, ist die Zusammenarbeit aller Akteure im Gesundheitswesen erforderlich“, so Pinkowski. Zu den wichtigsten Zielen des Paktes gehört aus seiner Sicht die Fachkräftesicherung. „Die steigende Zahl betagter Menschen und der zunehmende Mangel an Hausärzten und Fachärzten vor allem in ländlichen Gebieten machen ein Bündel von Maßnahmen nötig. Dazu gehören aus Sicht der Landesärztekammer in erster Linie die Erhöhung der Medizinstudienplätze, um auch in Zukunft eine flächendeckende ärztliche Versorgung bieten zu können, aber auch eine Erhöhung der ärztlichen Weiterbildungsangebote im ambulanten Bereich sowie mehr Angebote in Verbundweiterbildung, das heißt in der kombinierten Weiterbildung in Klinik und Praxis.“
Nachdem im Wahlkampf den Themen Gesundheit und Pflege kein großer Stellenwert beigemessen worden sei, appellierte der Kammerchef nach Abschluss der Koalitionsverhanldungen an die neue Landesregierung, der Gesundheitsversorgung nun eine größere Rolle einzuräumen.