Neue ApprobationsordnungMedizinstudium der Zukunft: Stellschraube Praxisnähe

Der nun vorgelegte Entwurf für eine neue Approbationsordnung soll einen Haken an den Masterplan Medizinstudium 2020 setzen. Mitte Februar sprechen Verbände wie der Deutsche Hausärzteverband dazu im Gesundheitsministerium vor. Drei Ziele, was sich für die Allgemeinmedizin ändern soll.

“Gut Ding will Weile haben.” Dieses Sprichwort könnte auch für die neue Approbationsordnung gelten: Fast genau vier Jahre sind vergangen, seit mit dem Masterplan Medizinstudium 2020 der Grundstein gelegt wurde. Im November folgte – mit einem Jahr Abstand zum ersten Arbeitsentwurf (“Der Hausarzt” 2/20) – der Referentenentwurf aus dem Bundesgesundheitsministerium.

Zeitgleich zum Erscheinen dieser Ausgabe ist die erste Anhörung im Ministerium geplant (siehe Zeittafel). Zwischenzeitlich war bereits ein Inkrafttreten zum 1. März 2020 angepeilt worden. Der Deutsche Hausärzteverband hatte von Beginn an eine schnelle Umsetzung des Masterplans angemahnt.

Neu: Einige Änderungen sollen umgehend statt erst 2025 gelten

Aufs Tempo gedrückt wird bis heute aber nur an einer Stelle, die erst in der jüngsten Überarbeitungsrunde Eingang in die neue Studienordnung gefunden hat: Als Reaktion auf die Corona-Pandemie und die Erfahrungen aus dem vergangenen Jahr wurden digitale Lernformate und Inhalte des Öffentlichen Gesundheitsdienstes (ÖGD) in den Referentenentwurf aufgenommen.

Ziel ist damit nicht mehr allein, am 1. Oktober 2025 eine neue Approbationsordnung in Kraft treten zu lassen. Vielmehr soll die geltende Ordnung von 2002 umgehend geändert werden, um den ÖGD sofort in der Ausbildung zu verankern.

Die Allgemeinmedizin hingegen braucht mehr Geduld. Ab 2025 jedoch sind für (angehende) Hausärztinnen und Hausärzte Änderungen in Sicht, die der Deutsche Hausärzteverband im Großen und Ganzen befürwortet (Kommentar).

Ziel 1: Das Studium wird praxisnäher

Auch “ganz alltägliche Erkrankungen” lernen Medizinstudierende “in der ambulanten und stationären Praxis kennen”, klinische und theoretische Studieninhalte sind von Tag eins des Studiums eng verknüpft, Datennutzung und digitale Anwendungen werden Teil der Ausbildung: Dieses Szenario soll mit der Studienreform Realität werden.

Mehr Praxisnähe ist ein entscheidendes Ziel. Diesem wird unter anderem durch obligatorische Module zur ärztlichen Gesprächsführung, Fertigkeiten im medizinisch-wissenschaftlichen Bereich und interprofessionelle Kompetenz Rechnung getragen. Außerdem werden Prüfungen im mündlich-praktischen Bereich patientenorientierter.

Dazu sollen unter anderem Simulationen oder sogenannte Parkourprüfungen stattfinden: Hierbei durchlaufen Studierende individuell oder in kleinen Gruppen simultan im Rotationsverfahren eine bestimmte Anzahl an praktischen und theoretischen “Prüfungsstationen” – ein wenig wie im Praxisalltag also. Blockpraktika beginnen bereits ab dem zweiten Semester.

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Ziel 2: Die Allgemeinmedizin wird gestärkt

Insbesondere Lehrinhalte aus der Allgemeinmedizin werden mit der Reform des Medizinstudiums aufgestockt und longitudinal, also entlang der gesamten Studiendauer, integriert. Dafür wird das bisher einmalige Blockpraktikum in der Allgemeinmedizin über zwei Wochen in eine dauerhaft verankerte Unterrichtsform transformiert. Als Gesamtumfang sind nun sechs Wochen zwischen dem zweiten und zehnten Semester vorgesehen:

  • 2-mal zwei Wochen + 2-mal eine Woche oder
  • 3-mal zwei Wochen.

Die in der bisherigen Approbationsordnung geplante vierwöchige Famulatur in einer Hausarztpraxis entfällt dafür. Die Blockpraktika beginnen bereits im zweiten Semester und sollen “einen engen studentischen Bezug zur hausärztlichen Patientenversorgung ab Beginn des Studiums” gewährleisten. Nur eine Ausbildung – in Ausnahmen maximal zwei, “im Einvernehmen mit der zuständigen Gesundheitsbehörde” – soll in der Praxis stattfinden, um eine enge Beziehung zu den Lehrärzten zu ermöglichen.

Außerdem wird das Praktische Jahr (PJ) von derzeit drei Tertialen auf vier Quartale umgestellt. Zu den Pflichtquartalen Innere Medizin und Chirurgie kommen zwei Wahlquartale. Eines davon muss in der hausärztlichen Versorgung oder in einem anderen “klinisch-praktischen Fachgebiet vollständig im ambulanten vertragsärztlichen Bereich” geleistet werden.

Hierfür ist ausdrücklich eine Lehrpraxis vorgesehen. Dagegen ist es nicht möglich, dieses Quartal in einer Hochschulambulanz zu absolvieren. “Den verpflichtenden, in einer Praxis abzuleistenden Teil des PJs haben wir gegen massive Widerstände aus den Reihen des Ärztetags, aber auch der Studierenden erkämpft”, betonte Ulrich Weigeldt, Vorsitzender des Deutschen Hausärzteverbandes, bereits zur Vorlage des entsprechenden Arbeitsentwurfs im November 2019.

Wichtig: Im Referentenentwurf wird den im PJ ausbildenden Ärzten die Option freigestellt, Teile der Ausbildung an Kollegen zu delegieren, die das dritte Weiterbildungsjahr in dem entsprechenden Gebiet abgeschlossen haben – allerdings nur im stationären Bereich! Für Lehrpraxen hingegen wird diese Möglichkeit bislang ausgeschlossen, was der Deutsche Hausärzteverband in seiner aktuellen Stellungnahme als “nicht nachvollziehbar” kritisiert und sich daher für die Streichung des entsprechenden Passus einsetzt (Paragraf 50 Absatz 2, 3).

Ziel 3: Angehende Hausärzte kommen früh mit dem ÖGD in Kontakt

Angesichts der Versorgungserkenntnisse aus der Corona-Pandemie will das Gesundheitsministerium auch “das öffentliche Gesundheitswesen… in der Ausbildung stärken”, wie es im Referentenentwurf neuerdings heißt – und zwar “so schnell wie möglich”. Diese Änderungen würden später entsprechend in die neue Studienordnung übernommen, so der Plan.

Konkret vorgesehen sind Optionen für ein Wahlquartal im PJ in Einrichtungen des Öffentlichen Gesundheitswesens (ÖGW) sowie generell der Einbezug von Einrichtungen des ÖGW als außeruniversitäre Lehrstätten. Zusätzlich wird ein Leistungsnachweis “ÖGW einschließlich Gesundheitssystem und Gesundheitsökonomie” geschaffen, der für die Zulassung zum zweiten Abschnitt der ärztlichen Prüfung verpflichtend sein soll.

Knackpunkt Finanzierung?

Interessant ist bei all diesen Zukunftsszenarien, dass das Gesundheitsministerium im Referentenentwurf nicht – wie sonst üblich – Angaben zum “Erfüllungsaufwand” macht. Dieser soll “im Rahmen der Abstimmung des Referentenentwurfs ermittelt” werden.

Dass die Studienreform finanzielle Mittel benötigt, wird schnell deutlich: digitale Lehrinhalte, Lehrpraxen, neue Prüfungsformate. Doch die Kosten hierfür sind noch nicht abschließend geklärt, ebenso wenig wie die Kostenträger.

Bereits der Masterplan Medizinstudium 2020 war ohne ein entsprechendes Finanzierungskonzept verabschiedet worden, die Kultusministerkonferenz der Länder hatte daraufhin zusätzliche Mittel verweigert – nicht zuletzt einer der Gründe für die bisherigen Verzögerungen.

“Allgemeinmedizin muss geprüft werden”

Kommentar von Robert Festersen, Geschäftsführer des Deutschen Hausärzteverbandes

Schon seit fast 20 Jahren wurde die Ärztliche Approbationsordnung nicht mehr angepasst. Die Welt hat sich inzwischen weiter gedreht – bezüglich des medizinischen Fortschritts, aber auch und vor allem hinsichtlich einer geänderten Auffassung, wie ärztliche Qualifikationen vermittelt werden sollen: weg vom “Faktenpauken” hin zur Vermittlung von ärztlichen Kompetenzen.

Dazu mehr Allgemeinmedizin, die in den Universitäten und der ärztlichen Ausbildung sträflich unterrepräsentiert ist. Das war die Quintessenz des Masterplan 2020, der in 37 Maßnahmen den Weg zu diesen hehren Zielen zusammenfasste.

Nun liegt seit November 2020 der Referentenentwurf zur Reform der Approbationsordnung vor. Gleich am Anfang, in der Beschreibung der Lösungen für die adressierten Probleme, wird betont, dass die Allgemeinmedizin in der künftigen Medizinerausbildung eine größere Rolle spielen wird.

Viele gute Ansätze sind erkennbar: Stärkere Patientenorientierung in Lehre und Prüfungen, Vermittlung kommunikativer Kompetenzen bereits in der Vorklinik und stärkere Berücksichtigung der ambulanten Versorgung und der hausärztlichen Praxis in PJ und Blockpraktika.

Wird die Allgemeinmedizin in der Ausbildung gestärkt? Ja, sie wird insbesondere im verpflichtenden sechswöchigen Blockpraktikum in der hausärztlichen Versorgung, das bereits ab dem zweiten Semester beginnt, eine herausragende Rolle spielen. So werden die Studierenden früh mit der hausärztlichen Praxis in Kontakt kommen.

Damit dieses Blockpraktikum auch den gewünschten Effekt hat, hatte der Deutsche Hausärzteverband vorgeschlagen, die Institute bzw. Abteilungen für Allgemeinmedizin bei der Auswahl und dem Coaching der Lehrpraxen für das hausärztliche Praktikum mit einzubeziehen. Denn dort gibt es die größte Kompetenz für die medizinische Ausbildung im ambulanten Bereich.

Das PJ wird in vier Quartale aufgeteilt. Dabei wird ausdrücklich ein Quartal in einer hausärztlichen Praxis genannt – wenn auch nicht als obligatorischer Abschnitt. Die Studierenden werden dennoch motiviert sein, eine allgemeinmedizinische Praxis zu wählen und zwar im Hinblick auf die Prüfung nach dem PJ:

Dass die Allgemeinmedizin Pflichtprüfungsfach im dritten Teil der staatlichen Prüfung wird, ist vor diesem Hintergrund ganz besonders wichtig. Dies ist im Referentenentwurf vorgesehen und dies muss unbedingt erhalten bleiben. So kann das Fach Allgemeinmedizin die ihr gebührende Stellung auch in der medizinischen Ausbildung einnehmen.

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