AU oder Beschäftigungsverbot?Wie Sie Schwangere unterstützen können

Schwangerschaft ist keine Krankheit. Gleichwohl können auch werdende Mütter arbeitsunfähig erkranken. In der Praxis führt die Frage nach Krankschreibung oder Beschäftigungsverbot immer wieder zu Verwirrungen. Einige klärende Antworten.

AU oder Beschäftigungsverbot? Diese Frage stellen sich viele Hausärzte, wenn Schwangere ihre Praxis aufsuchen.

Schwangere und ungeborene Kinder vor Schädigungen zu schützen, steht für Hausärztinnen und Hausärzte als Arbeitgeber und in der Betreuung ihrer Patientinnen im Fokus. Auch wenn Schwangerschaft keine Krankheit ist, so können Schwangerschaftsbeschwerden genauso wie davon unabhängige Erkrankungen der werdenden Mutter eine Arbeitsunfähigkeit (AU) begründen.

Zu unterscheiden ist im konkreten Fall zwischen Arbeitsunfähigkeit und Beschäftigungsverboten, welche sich in betriebliche und ärztliche aufteilen. In der Praxis führt dies häufig zu Verwirrungen und Fragen.

Arbeitsunfähigkeit

Hier greift regulär die AU-Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA), wonach die Arbeitsfähigkeit hinsichtlich der konkreten Tätigkeit, Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und ggf. Krankengeld etc. zu bewerten sind. Dabei ist unerheblich, ob es sich um Beschwerden handelt, die im Zusammenhang mit der Schwangerschaft stehen (wie Rückenschmerzen, Übelkeit und Erbrechen) oder nicht (wie grippale Infekte, Knochenbrüche etc.).

Merke: Eine Schwangere, die aufgrund von Beschwerden nicht arbeitsfähig ist, gilt – genau wie außerhalb einer Schwangerschaft – als arbeitsunfähig.

Betriebliches Beschäftigungsverbot

Arbeitgeber sind zur Erstellung einer Gefährdungsbeurteilung der von ihnen angebotenen Arbeitsplätze verpflichtet, dabei kann sie eine Fachkraft für Arbeitssicherheit und/oder Betriebsärzte unterstützen (s. BG-Vorschriften, DGUV).

In der Gefährdungsbeurteilung müssen immer mögliche Gefährdungen für eine Schwangere mit beurteilt werden – unabhängig davon, ob aktuell eine Arbeitskraft schwanger ist oder nicht. Das gilt sogar für Betriebe, in denen aktuell ausschließlich Männer beschäftigt sind (was für Praxen eher selten zutrifft).

Wenn Arbeitgeber Kenntnis von der Schwangerschaft einer Mitarbeiterin erhalten, müssen sie diese zum einen umgehend der zuständigen Stelle, meist Gewerbeaufsichtsamt oder Regierungspräsidium, melden. Oft ist die Gewerbeaufsicht bei Schwangeren in Praxen sehr hilfreich.

Zum anderen müssen Arbeitgeber anhand der Gefährdungsbeurteilung prüfen, ob die Schwangere an ihrem aktuellen Arbeitsplatz wie bisher eingesetzt werden kann. Ist dies nicht ohne Gefährdung möglich, ist zu prüfen, ob es durch zusätzliche Maßnahmen (Umgestaltung des Arbeitsplatzes, zusätzliche Schutzvorrichtungen, Sitzplatz etc.) erreicht werden kann.

Hierfür kann eine Beratung durch Betriebsärzte sinnvoll sein.

Ist auch dies nicht machbar, ist zu prüfen, an welchen Arbeitsplatz die Schwangere intern umgesetzt werden kann. Erst wenn auch dies unmöglich ist, haben Arbeitgeber ein betriebliches Beschäftigungsverbot auszusprechen und die Schwangere von ihrer Arbeit freizustellen.

Hierzu bedarf es keiner Anordnung einer Behörde! Wichtig: Die Einschränkungen gelten für jede potenzielle Schwangere. Sie hängen mit dem Arbeitsplatz zusammen, nicht mit individuellen Gegebenheiten der Schwangeren.

Ärztliches Beschäftigungsverbot

Anders ist es, wenn bei einer Schwangeren individuelle Faktoren vorliegen, die es ihr unmöglich machen, eine bestimmte Tätigkeit auszuüben, ohne sich oder ihr Kind zu gefährden. Dies können zum Beispiel vorzeitige Wehen bei einer stehenden Tätigkeit oder psychische Belastungen sein.

Es handelt sich hier um Einschränkungen, die nicht für jede Schwangere am gleichen Arbeitsplatz zutreffen würden, sondern in der individuellen Situation begründet sind.

Merke: Hier können behandelnde Ärztinnen und Ärzte aller Fachrichtungen ein individuelles Beschäftigungsverbot aussprechen.

Was muss im ärztlichen Beschäftigungsverbot stehen? Ärztinnen und Ärzte müssen klar benennen, welche Tätigkeit die Schwangere nicht ausführen kann. Dies ist deshalb wichtig, weil die Arbeitgeber grundsätzlich aufgefordert sind, eine Alternative anzubieten oder die Gefährdung zu beseitigen.

Nur wenn dies nicht möglich ist, soll die Schwangere von der Arbeit ganz freigestellt werden. Grundsätzlich gibt es im ärztlichen Beschäftigungsverbot relativ viel Spielraum – es kann sich um eine zeitliche Einschränkung der Arbeitsbelastung handeln, um Ausschluss bestimmter Tätigkeiten bis hin zum kompletten Arbeitsverbot.

Attestiert wird nur, was vorliegt

Für Schwangere und Arbeitgeber ist das Beschäftigungsverbot oft attraktiver als die AU. Denn sie erhält hier kein Krankengeld, sondern den Durchschnittsverdienst der letzten drei Monate vor Eintritt der Schwangerschaft (analog dem Mutterschutz). Den Arbeitgebern wird dies über das Umlageverfahren U2 komplett erstattet, sie tragen also nicht die Kosten der Lohnfortzahlung in den ersten sechs Wochen.

Merke: Deshalb sollten Ärztinnen und Ärzte sorgfältig prüfen, ob AU oder Beschäftigungsverbot vorliegt, und dies entsprechend attestieren.

Ärztliches Beschäftigungsverbot ausstellen

Das Attest für ein ärztliches Beschäftigungsverbot muss Art, Umfang und Dauer des Verbotes definieren und ggf. die Tätigkeit benennen, die beurteilt wurde. Die Kosten des Attestes hat die Patientin zu tragen.

Praxistipp: Die Abrechnung erfolgt nach GOÄ zum Beispiel mit der Nr. 75. Vorlagen für ein ärztliches Beschäftigungsverbot hat das Bayerische Familienministerium für Ärztinnen und Ärzte zum Herunterladen zusammengestellt unter www.hausarzt.link/Sm6GG

Arbeitgeber darf Zweitmeinung verlangen

Bezweifeln Arbeitgeber die Richtigkeit des Attestes, so können sie eine weitere Untersuchung bei einem anderen Arzt auf ihre Kosten verlangen. Die Frau hat hier jedoch freie Arztwahl. Bis zur Klärung gilt das ursprüngliche Beschäftigungsverbot. Eine Beschäftigung, auch mit Zustimmung der Frau, entgegen einem gültigen ärztlichen Beschäftigungsverbot, ist nicht erlaubt. Hierzu müsste der ausstellende Arzt das Attest widerrufen.

Dokumentation gegen Regress

Immer wieder hört man von Regressen bezüglich Beschäftigungsverboten. In einer Information des Bayerischen Sozialministeriums von 2019 heißt es dazu: “Den Ländern und dem Bund sind in dieser Hinsicht allerdings keinerlei Urteile oder Verfahren bekannt.”

Auch deswegen sollten Ärztinnen und Ärzte eine AU oder ein Beschäftigungsverbot im Einzelfall sorgfältig abwägen und ihre Begründung gut dokumentieren.

Schwierige Unterscheidungen

Die Unterscheidung zwischen AU und Beschäftigungsverbot kann in Einzelfällen aber auch schwierig sein.

Beispiel 1: Starkes Schwangerschaftserbrechen könnte eine AU bedingen. Handelt es sich um Erbrechen oder starke Übelkeit, die durch Gerüche am Arbeitsplatz hervorgerufen werden, kann hierdurch ein ärztliches Beschäftigungsverbot ausgelöst werden.

Beispiel 2: Vorzeitige Wehen oder Zervixinsuffizienz führen zur AU. Sind diese jedoch wieder stabilisiert, aufgrund einer stehenden oder körperlich anstrengenden Tätigkeit jedoch bei Wiederaufnahme erneut zu befürchten, begründet dies im Anschluss eher ein ärztliches Beschäftigungsverbot.

Beispiel 3: Manchmal beschäftigen Betriebe Schwangere, obwohl dies nach einer Gefährdungsbeurteilung nicht zu verantworten ist. Hier würde ein betriebliches Beschäftigungsverbot greifen. Hilfsweise können die betreuenden Ärzte bis zur Klärung ein befristetes ärztliches Beschäftigungsverbot aussprechen.

Muster-Atteste zum Beschäftigungsverbot: Vorlagen für verschiedene ärztliche Beschäftigungsverbote stellt das Bayerische Familienministerium zum Herunterladen bereit: www.hausarzt.link/Sm6GG

Besonderheiten während Corona

Schwangere sind besonders schutzbedürftig. Daher ist eine Schwangere, die während der COVID-19-Pandemie öffentliche Verkehrsmittel für den Arbeitsweg nutzen muss, nach aktuellen Empfehlungen in ein betriebliches Beschäftigungsverbot zu versetzen. Abhilfe könnte etwa ein Dienstwagen schaffen.

Praxistipp: Wer derzeit eine schwangere MFA beschäftigt, darf sie aktuell ausschließlich ohne Patientenkontakt einsetzen (Back- oder Homeoffice).

Was es für schwangere Ärztinnen in Weiterbildung und ihre Weiterbilder zu beachten gilt – samt zwei Checklisten:

www.hausarzt.link/PwpNg

www.hausarzt.link/4sxLb

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