Karlsruhe. Im Streit um den Vertrieb zweier PCSK9-Hemmer auf dem deutschen Markt hat der US-Konzern Amgen einen Etappensieg erzielt. Der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe lehnte es am Dienstag (4.6.) ab, dass der Konkurrent Sanofi-Aventis eine von Amgen patentgeschützte Erfindung vorläufig benutzen darf. Das Unternehmen habe nicht glaubhaft gemacht, dass daran ein öffentliches Interesse bestehe (Az. X ZB 2/19).
Seit 2015 sind die beiden PCSK9-Inhibitoren Alirocumab von Sanofi-Aventis und Evolocumab von Amgen zugelassen. Beide werden gespritzt. Das europäische Patent dafür hält aber Amgen. Das versucht Sanofi derzeit anzufechten. Gleichzeitig geht Amgen in Deutschland gegen den französischen Konkurrenten wegen Verletzung des Patents vor. Außerdem streitet Sanofi vor dem Bundespatentgericht um eine Zwangslizenz. Dabei steht eine Summe von etwa zehn Millionen Euro auf dem Spiel. In Karlsruhe ging es formal um die Zwischenzeit bis zur Entscheidung.
2017 hatte der BGH in einem ähnlichen Verfahren den Vertrieb eines Medikaments zur Behandlung von HIV-Infektionen vorläufig erlaubt – weil Schwangere und Kinder darauf angewiesen seien, hieß es damals. Ein vergleichbares öffentliches Interesse sahen die Richter bei den Cholesterinsenkern nun aber nicht.
Richter sehen keine therapeutischen Vorteile
Dass Alirocumab greifbare therapeutische Vorteile gegenüber Evolocumab habe, sei nicht glaubhaft gemacht worden, begründeten die Richter ihre Entscheidung. Es sei nicht belegt worden, dass Alirocumab die Mortalitätsrate senke. Zwar seien mit Alirocumab weniger Patienten einem koronaren Herztod erlegen oder wegen eines kardiovaskulären Krankheitsbilds gestorben. Diese Ergebnisse seien aber “statitistisch ebensowenig signifikant wie die unterscheidlichen (nicht nach Todesursache unterscheidenden) Gesamtzahlen der Todesfälle, sondern können auch auf Zufall beruhen”, schreibt der BGH.
Dies rechtfertigt aus Sicht des Bundesgerichts keine Zwangslizenz, ebenso wenig wie die Tatsache, dass Alirocumab niedriger dosiert werden könne als Evolocumab. Darüber hinaus hätte Sanofi mit Amgen ernsthaft über eine Lizenz an dem Patent gegen Geld verhandeln müssen, so die Richter. Dies sei nicht der Fall gewesen.
G-BA nicht überzeugt
PCSK9-Hemmer kommen nur für sehr ausgewählte Patienten infrage, wenn alle anderen Therapieoptionen ausgereizt sind oder entsprechende Kontraindikationen bestehen. Bei einer erneuten Nutzenbewertung konnte weder Evolocumab (Beschluss September 2018) noch Alirocumab (Beschluss Mai 2019) den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) überzeugen. Er entschied wiederholt auf keinen Zusatznutzen gegenüber der bisher verfügbaren medikamentösen Therapien kombiniert mit einer Diät. Beide Präparate dürfen daher nur von ausgewählten Fachärzten verschrieben werden, hat der G-BA in Anlage III der Arzneimittel-Richtlinie festgelegt.
Menschen mit zu viel Cholesterin im Blut können ein höheres Risiko haben, einen Herzinfarkt oder Schlaganfall zu erleiden. Um das kardiovaskuläre Risiko zu senken, empfiehlt die Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM) zunächst eine Ernährungsumstellung, mehr Bewegung und mit dem Rauchen aufzuhören. Um das Cholesterin zu senken, sind unter den verfügbaren Medikamenten Statine die erste Wahl. Für sie bestünden die besten Langzeitdaten.
Auch die Deutsche Gesellschaft für Kardiologie empfiehlt gemäß der Leitlinie der europäischen Kardiologengesellschaft (ESC) zunächst, die Therapie mit Statinen auszureizen. Bei Patienten mit “sehr hohem Risiko, anhaltend hohem LDL-C” trotz Statinen und Ezetimib könnten Ärzte aber den Einsatz von PCSK9-Hemmern erwägen.
Mit Material von dpa