Interview mit Dr. Peter Schweikert-WehnerAntidepressiva und Schlafstörungen

Benzodiazepine und Z-Substanzen sind bewährte Schlafmittel, führen aber häufig zur Abhängigkeit. Hier kommen als Alternative Antidepressiva, wenn auch "Off-Label" zum Einsatz. Folgende Fragen stellen sich bei der Verordnung.

Wie häufig kommen Schlafstörungen unter Antidepressiva vor?

Vor allem Trizyklische Antidepressiva werden, wegen ihrer sedierenden Nebenwirkung, als Einschlafhilfe verordnet. Die Schlafförderung wird bei diesen Substanzen in erster Linie über antihistaminerge und anticholinerge Wirkungen entfaltet [1].

Auf der anderen Seite sind Schlafstörungen als unerwünschte Wirkung der Antidepressiva beschrieben. Dies betrifft vor allem Monoaminooxidase Hemmer (MAOs), einige Trizyklische Antidepressiva (TCAs ,nicht jedoch Amitriptylin), und Selektive Serotonin Wiederaufnahmehemmer (SSRI), vor allem Venlafaxin und Moclobemid [2].

So findet man in den Fachinformationen verordnungsstarker Antidepressiva, wie Mirtazapin und Escitalopram Schlaflosigkeit als häufige unerwünschte Wirkung und bei Citalopram, Venlafaxin und Sertralin sogar als sehr häufige (> 10 Prozent) Störwirkung [3].

Verändern Antidepressiva die Schlafarchitektur?

Insomnie kann auch durch eine veränderte Schlafarchitektur ausgelöst werden, wie zum Beispiel durch vermehrte Wachphasen nach Schlafbeginn, ein Mangel an Tiefschlaf oder eine verkürzte REM-(Rapid-Eye-Movement) Latenz (vorzeitiger REM-Schlaf). Trizyklische Antidepressiva fördern hingegen den Schlaf auch durch eine Erhöhung des Tiefschlafanteils.

SSRI können im Gegenzug hier zu einer verminderten Schlafeffizienz und Störung der Schlafkontinuität führen. Für Bupropion beispielsweise ist nachgewiesen, dass es die REM-Latenz verkürzt und den REM-Schlaf verstärken kann [4].

Agomelatin, ein Naphtalinderivat ist das erste Antidepressivum, mit agonistischer Wirkung an Melatonin-Rezeptoren (MT1- und MT2), sowie antagonistischer Wirkung an Serotoninrezeptoren. Bei depressiven Patienten erhöht es den “Slow Wave Sleep”, also die Phase des Übergangs in den Tiefschlaf und die Phase des Tiefschlafes ohne den REM-Schlafanteil oder die REM-Latenz zu verändern.

Agomelatin verkürzt die Einschlafzeit und die Zeit bis zum Herzfrequenzminimum. Es verbessert bereits in der ersten Behandlungswoche das Einschlafen und die Schlafqualität, ohne zu Tagesmüdigkeit zu führen [3].

Treten Restless-Legs als unerwünschte Wirkung und somit als Auslöser von Schlafstörungen auf?

Das Restless-Legs-Syndrom ist gekennzeichnet durch ein unangenehmes, kribbelndes und manchmal auch schmerzhaftes Unruhegefühl in den Beinen, selten auch in den Armen. Es kann durch verschiedene Krankheiten (z.B. Diabetes mellitus, Eisenmangel oder Rheumatoide Arthritis) gefördert werden und ist wohl auf ein Transmitterungleichgewicht zwischen Serotonin und Dopamin zurückzuführen.

So ist es nicht verwunderlich, dass es auch als unerwünschte Wirkung einiger Antidepressiva auftritt und über dieses Phänomen den Schlaf massiv stört. Belegt ist diese Störwirkung für Lithium, Mianserin und Mirtazapin. Aber auch bei fast allen anderen Anitidepressiva muss mit dem Auftreten gerechnet werden [5,6].

Wirkt Metabolisierung als Problemverstärker?

Alle erwähnten und zu Schlafstörung führenden Antidepressiva werden über Cytochrom-P450-Enzyme, die klassischen Antidepressiva über den Subtyp 2D6 abgebaut. Starke Hemmstoffe der Cytochrome, wie Fluoxetin, Duloxetin und Paroxetin können die Plasmaspiegel erhöhen und damit das Risiko unerwünschter Wirkungen steigern.

Zudem kommen diese SSRI auch selbst als Auslöser für Schlafstörungen in Frage, daher ist eine Kombination besonders kritisch zu sehen. Der Polymorphismus von CYP2D6 ist mit unterschiedlichen Abbaugeschwindigkeiten der Antidepressiva assoziiert und kann bei langsamen Metabolisierern zu stark erhöhten Plasmaspiegeln und häufig zu Störwirkungen und Therapie-Änderungen führen [7].

Sollen trotz allem Antidepressiva als Schlafmittel eingesetzt werden?

Sedierende Antidepressiva sind zwar nicht zur Therapie von Schlafstörungen zugelassen, werden aber häufig in dieser Indikation verordnet.

In kleinen Studien konnte eine schlaffördernde Wirkung von Mirtazapin, Doxepin, Opipramol und Trazodon gezeigt werden [8]. Mirtazapin und Doxepin gehören zur Gruppe der Tri-, bzw. Tetrazyklischen Antidepressiva mit etwa gleich starker Rezeptoraktivität zu Serotonin- und Histaminrezeptoren.

Mirtazapin hat, wie oben erwähnt, zwar Schlaflosigkeit als häufig unerwünschte Wirkung, aber die Fachinformation verzeichnet auf der anderen Seite “Schläfrigkeit” als sehr häufige Wirkung. Durch die antagonistischen Wirkungen an Histamin 1, und Serotonin (5-HT2A)-Rezeptoren zeigt Opipramol sedierende Effekte.

Trazodon, ein Triazolonpyrimidinderivat wirkt ebenfalls sedierend über die Blockade von Serotoninrezeptoren [3]. Die Dosierungen bei Schlafstörungen liegen deutlich unter der antidepressiven Dosis: Bei Doxepin meist zwischen 10 und 50 mg, während für eine antidepressive Wirkung zwischen 100 und 300 mg benötigt werden. Um eine individuelle Dosisfindung zu ermöglichen, ist es sinnvoll Tropfen als Darreichungsform zu verwenden [1].

Mögliche Interessenkonflikte: Der Autor hat keine deklariert.

Literatur

  1. N. Griese-Mannen, C. Müller: Antidepressiva als Alternative zu Benzodiazepinen, Pharmazeutische Zeitung 20.11.2019 online, abgerufen am 29.01.2021
  2. A. G. Mayers, D. S. Baldwin: Antidepressants and their effect on sleep, Human Psychopharmacology. 20 (8): 533-559, 2005
  3. Fachinformationen: Cipramil®, Trevilor®, Cipralex®, Zoloft®, Thromban®, Remergil®, Aponal® Insidon® und Valdoxan®, Stand: 01.2021
  4. T. Mikoteit, E. Holsboer-Trachsler: Beeinflussung des Schlaf-Wach-Rhythmus durch Antidepressiva, Schweizer Zeitschrift für Psychatrie und Neurologie; 5: 4-8, 2013
  5. S. Cohrs et. al.: Restless-legs-Syndrom, periodische Gliedmaßenbewegungen im Schlaf und Psychopharmakologie. Der Nervenarzt; 79: 1263-1272, 2008
  6. B. Wick-Urban: Restless Legs Syndrom, Kribbeln in den Beinen, Pharmazeutische Zeitung, 162 JG., 42. Ausg., 28-35, 2017
  7. P. Schweikert-Wehner: Serotonin im Überschuss, Pharmazeutische Zeitung, 160 JG., 9. Ausg., 22-24, 2015
  8. J.K. Walsh: Pharmacologic management of insomnia, The Journal of clinical psychiatry 65 (supp. 16) 41-45, 2004
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