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Hausarzt MedizinÜberraschendes zur Niere

Vorsicht bei aktiviertem Vitamin D, ein paar Schritte als Schutz vorm Krankenhaus, und eine neue Hoffnung gegen die IgA-Nephropathie – der europäische Nephrologenkongress hatte einige Highlights zu bieten.

Für manche Kollegen waren sie früher „die Dialyseärzte“, mit einem gewissen Hang zur Histologie von Glomeruli und Tubuli: Doch die Nephrologen sehen in ihrem Fach mehr als nur eine „organ-zentrierte Spezialität“, denn viele Nierenerkrankungen sind Systemerkrankungen, wie auf der 54. Jahrestagung ihrer europäischen Fachgesellschaft ERA-EDTA[1] Anfang Juni in Madrid deutlich wurde. Das große Ziel der Nierenärzte, von denen sich über 8.000 beim Kongress getroffen hatten: Organregeneration statt Organersatz. Davon sind sie zwar noch etliche Jahre entfernt, doch auf anderen Gebieten machen sie Fortschritte – die auch für Hausärzte wichtig sind.

Aktiviertes Vitamin D gescheitert

Als „Alleskönner“ oder „Wunderwaffe“ wird Vitamin D hin und wieder beworben. Dem ist aber wohl nicht so – in manchen Fällen passiert sogar genau das Gegenteil, wie neueste Daten aus Japan zeigen. In den vergangenen Jahren hatten Nephrologen in Studien begonnen, aktiviertes Vitamin-D bei Patienten mit chronischer Niereninsuffizienz (CKD) einzusetzen – auch ohne Vorliegen eines sekundären Hyperparathyreoidismus (SHPT). Dahinter steckten Beobachtungen von einer geringeren Übersterblichkeit bei so behandelten Patienten. Aktiviertes Vitamin D (auch Vitamin-D-Analoga oder Vitamin-DRezeptor- Aktivatoren, kurz VDRA, genannt) wird bei CKD-Patienten bekanntlich gegen einen SHPT eingesetzt, der in Folge der Hypokalziämie und des Vitamin-D-Mangels entsteht. Die Analoga wie Calcitriol, Alfacalcidol oder Paricalcitol aktivieren den Vitamin- D-Rezeptor, wodurch die Sekretion des Parathormons (PTH) gedrosselt wird. Auf Basis der Beobachtungen, dass VDRA auch bei CKD-Patienten mit „intakten“, nicht erhöhten PTH-Spiegeln mit einer niedrigeren Mortalität einhergehen kann [2], entstand die Idee, mit VDRA generell die erniedrigten Vitamin-D-Spiegel bei Nierenpatienten heben zu können. Zur Erinnerung: Mit fortschreitender Niereninsuffizienz sinkt die Fähigkeit des Körpers, das in der Leber aus Vitamin D3 (Cholecalciferol) gebildete Calcidiol in den Nieren zur aktiven Form 1,25-Dihydroxy-Vitamin-D (Calcitriol) zu hydroxylieren. Bereits voraktivierte Formen wie Alfacalcidol müssen hingegen nur noch in der Leber metabolisiert werden.

Der deutsche Nephrologe Prof. Danilo Fliser vom Uniklinikum des Saarlandes sprach in Madrid denn auch von „einem heißen Thema, welche Effekte Vitamin D hat“. Offenbar eher geringe, wenn nicht gar schlechte, wie sein japanischer Kollege Prof. Tetsuo Shoji von der Osaka City University präsentierte. In seiner prospektiven J-DAVID-Studie [3] hatten er und seine Kollegen zwischen 2008 und 2011 knapp 1.000 Hämodialyse-Patienten ohne SHPT rekrutiert, die randomisiert zusätzlich das aktivierte Vitamin D Alfacalcidol (0,5μg/Tag p.o.) oder nur ihre Standardtherapie erhielten. Innerhalb des Follow-ups von im Mittel dreieinhalb Jahren gab es in der Verum- Gruppe weder beim primären Endpunkt (fatale und nicht-fatale kardiovaskuläre Ereignisse) noch bei der Gesamtmortalität (sekundärer Endpunkt) einen positiven Effekt. Im Gegenteil waren die Hazard-Ratios in der Intention-to-treat-Analyse mit 1,25 und 1,12 zwar nicht signifikant jedoch nominell erhöht. Die J-DAVID-Auswertung zeigt damit erstmals, dass VDRA bei Dialyse- Patienten ohne SHPT keinen vorteilhaften Effekt erzielen. Bereits in den vergangenen Jahren war der VDRA Paricalcitol bei Nierenpatienten mit einem CKD-Stadium 3 oder 4 ohne SHPT gescheitert. In den beiden Studien PRIMO [4] und OPERA [5] konnte er das Risiko für einen Myokardinfarkt nicht reduzieren. Für Studienautor Shoji gibt es damit keine Rationale für eine VDRA-Therapie bei Dialysepatienten mit normalen PTH-Werten. Oder mit seinen Worten: „Wir sollten VDRA bei diesen Patienten unbedingt vermeiden.“

Gehtraining schützt vor Krankenhaus

Jeden Tag ein paar zusätzliche Schritte können Dialysepatienten vor Krankenhauseinweisungen bewahren. Was zunächst banal, weil plausibel klingt, haben jetzt italienische Nephrologen nachgewiesen. Die Daten ihrer randomisierten, kontrollierten Studie mit knapp 300 Patienten aus verschiedenen italienischen Landesteilen haben sie beim ERAEDTA vorgestellt. Danach lässt sich die Zahl der Hospitalisierungen langfristig nahezu halbieren, wenn die Patienten zuhause täglich Gehübungen machen. Einen Effekt auch auf die Sterblichkeit konnten die italienischen Forscher bislang aber noch nicht ermitteln. Im Rahmen ihrer EXCITE-Studie [6] hatten die Nephrologen 296 Hämodialyse-Patienten randomisiert in zwei Gruppen aufgeteilt: 145 sollten täglich zuhause die Gehübungen durchführen, 151 Patienten dienten als Kontrollen. Die Studienpatienten waren zu Beginn des Versuchs im Mittel 65 Jahre alt. Studienleiterin Prof. Francesca Mallamaci, Chefin der Nephrologie am Uniklinikum im italienischen Ancona, bezeichnete die Gehübungen als „einfach und personalisiert“. Zweimal täglich, vormittags und nachmittags, sollten die Patienten zuhause nach einem von einem Metronom vorgegebenen Takt fünfmal zwei Minuten gehen. Die Übungen mussten sie in einem Tagebuch notieren. Erlaubt waren den Patienten auch längere Gehübungen.

Bereits nach sechs Monaten (dem Interventionszeitraum) war in der Übungsgruppe das Risiko für eine Krankenhausweisung drastisch gesunken, die Hazard Ratio (HR) lag bei 0,46. Zwar war das Konfidenzintervall mit 0,22 bis 0,97 reichlich breit, doch immerhin signifikant. Der Effekt hielt auch drei Jahre später noch signifikant an mit immerhin einem 29 Prozent niedrigeren Hospitalisierungsrisiko (HR: 0,71). Noch deutlicher und hochsignifikant war das niedrige Risiko bei sehr adhärenten Patienten: Bei ihnen reduzierte sich das Risiko auf 0,55, also fast die Hälfte (0,35-0,87; p=0,01). Die Therapietreue maßen die Studienärzte anhand vollständig ausgefüllter Tagebücher und daran, ob die Patienten das Metronom zum Batteriewechsel in die Kliniken brachten. Über Ursache und Wirkung können die Studienautoren nur spekulieren. Jedenfalls verbesserten die Gehübungen den Zustand der Patienten [7]. In der Interventionsgruppe erhöhte sich binnen sechs Monaten die Sechs- Minuten-Gehstrecke von 328 auf 367 Meter, jedoch nicht in der Kontrollgruppe. Auch beim Sitz-Steh-Test verbesserten sich die Patienten: von 20,5 auf 18,2 Sekunden. Und auch die kognitiven und sozialen Funktionen, gemessen über den bei Nierenärzten beliebten KDQOL-SF-Fragebogen, verbesserten sich signifikant.

Neue Therapie für IgA-Nephropathie ante portas

Die IgA-Nephropathie gilt als eines der Sorgenkinder der Nephrologie: Sie ist die häufigste Form der Glomerulonephritiden. Rund jeder fünfte Betroffene entwickelt im Verlauf der Erkrankung ein terminales Nierenversagen, doch eine zielgerichtete Therapie gibt es bislang nicht. Das aber könnte sich ändern: In Madrid haben Nephrologen erste Erfolge mit einer neuen Therapie vorgestellt – und zugleich die Rolle der Hausärzte hervorgehoben.

Bislang stehen bei der IgA-Nephritis vor allem ACE-Hemmer und AT1-Blocker im Vordergrund der Therapie, um die Proteinurie unter 0,5–1g/Tag zu senken. Zur Eskalation werden Glukokortikoide wie Budesonid eingesetzt, mit den bekannten systemischen (Neben-) Wirkungen. Und spätestens seit der großen deutschen STOP-IgAN-Studie von vor eineinhalb Jahren [8] ist bekannt, dass die Immunsuppression keinen zusätzlichen Vorteil bei einer intensivierten supportiven Therapie (RAS-Blockade) bringt, jedoch die Zahl schwerer Infekte zunimmt.

Das könnte sich nun mit einer neuen Formulierung von Budesonid ändern, wie aus Daten der europäischen NEFIGAN-Studie hervorgeht, die die Autoren in Madrid präsentiert haben [9]. An der vom schwedischen Pharmaunternehmen Pharmalink finanzierten randomisierten, doppelblinden, plazebokontrollierten Phase-2b-Studie um Erstautor Professor Bengt Fellström sind auch deutsche Nephrologen beteiligt, unter anderem Professor Jürgen Floege aus Aachen. Das von Pharmalink hergestellte TRFBudesonid („Target-Release Formulation“) namens Nefecon wird oral verabreicht und erst im distalen Ileum freigesetzt, wo es eine lokale, ileozökale Immunsuppression bewirkt. Dort sind bekanntlich die Peyer‘schen Plaques lokalisiert, in denen IgA in großer Menge sezerniert wird.

In ihrer dreiarmigen Studie mit insgesamt 150 Patienten von 62 Studienzentren in Europa haben die Ärzte TRF-Budesonid in zwei Dosierungen gegen Plazebo getestet – jeweils zusätzlich zur optimierten RAS-Blockade. Nach neun Monaten hatte sich unter Verum die Protein-/Kreatinin-Ratio im Urin (P/C-Ratio) um im Mittel 24 Prozent reduziert (mit einem stärkeren Effekt bei höherer Dosis), während sich ihr Verhältnis unter Placebo leicht verschlechterte.

Zur Erinnerung: Die P/C-Ratio verwenden Nephrologen als Prädiktor für die Entwicklung der Niereninsuffizienz. Werte ab 1mg Protein/mg Kreatinin werden als Progression gewertet. Der Referenzbereich liegt bei 0,1. In der Studie hatten die Patienten zu Interventionsbeginn im Mittel eine P/C-Ratio von 0,8.

Und auch den Verlust der Nierenfunktion (eGFR gemessen mittels CKD-EPI-Formel) konnten die Ärzte unter Verum während der Intervention stoppen, wohingegen die eGFR unter Plazebo nach neun Monaten um im Mittel weitere zehn Prozent abnahm. Die Rate der Nebenwirkungen war in den drei Studienarmen vergleichbar. Zwei von 13 schweren Ereignissen führen die Autoren aber „möglicherweise“ auf TRF-Budesonid zurück: eine tiefe Venenthrombose und eine „unerklärbare“ Verschlechterung der Nierenfunktion. In einem im „The Lancet“ veröffentlichten Editorial zur NEFIGAN-Studie äußert sich der US-Kindernephrologe Prof. Robert J. Watt von der University of Tennessee geradezu euphorisch [10]: „Meiner Meinung nach ist das die wichtigste Therapiestudie, die jemals zur IgA-Nephropathie durchgeführt wurde“, schreibt er. Die Ergebnisse würden vermutlich die Therapiestrategie für eine „wichtige“ Patientengruppe verändern. Watt weist aber daraufhin, dass die Studie ob ihres Surrogatendpunktes (P/C-Ratio) limitiert ist: Damit lasse sich zwar in kurzer Zeit die Veränderung der Nierenfunktion bestimmen. Goldstandard für die Ergebnismessung sei jedoch das Fortschreiten der Erkrankung hin zur terminalen Insuffizienz. Das kann bei einer IgA-Nephropathie zehn bis 20 Jahre dauern. Nur über diesen Zeitraum lässt sich untersuchen, ob die Therapiestrategie aus NEFIGAN Dialysepflicht und nierenbedingte Mortalität verringern kann. Umso mehr mahnt Watt die Früherkennung der Erkrankung an. Gerade Hausärzte seien dazu in der Lage, solche Patienten zu erkennen. Ab einer Proteinurie von über 0,5 g/Tag oder einer P/C-Ratio von über 0,5 sollten Allgemeinmediziner die Erkrankung in Betracht ziehen.

Möglicher Interessenskonflikt: Der Autor hat einen Teil seiner Reisespesen zum Kongress von der ERA-EDTA erstattet bekommen. Deren Jahrestagungen besucht der Autor regelmäßig.

Quellen:

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