Hausarzt MedizinSport als Pille bei Diabetes Typ 2

Regelmäßiges körperliches Training gilt heute zunehmend als äquivalente Therapieform zur medikamentösen Behandlung. Studien zeigen, dass sich damit die Blutzuckerwerte senken und kardiovaskuläre Risikofaktoren verringern lassen. Je eher mit dem Training begonnen wird, desto größer sind die Erfolge.

Was bewirkt sportliche Aktivität bei Typ-2-Diabetikern? Prof. Martin Halle aus München erklärte dies anhand des Vorhofflimmerns, eine der zahlreichen diabetischen Komplikationen, die sich schrittweise entwickelt: Zunächst führt die diabetische Erkrankung zu einer Gefäßfehlfunktion, wodurch es im weiteren Verlauf zu einer Myokardfehlfunktion im Sinne einer diastolischen Herzinsuffizienz kommen kann. Dabei muss der linke Vorhof gegen die Versteifung des Ventrikels „anpumpen“ und dehnt sich folglich aus. Dadurch kommt es zu Störungen des Reizleitungssystems, welche das gefürchtete Vorhofflimmern nach sich ziehen.

„Das körperliche Training können wir während der gesamten pathophysiologischen Entwicklung vom Diabetes hin zum Vorhofflimmern einsetzen, um die Kaskade zu unterbrechen“, betonte Halle. Denn sportliche Aktivität verbessert sowohl die diabetische Stoffwechsellage als auch die diastolische Funktionsstörung der Gefäße und des Herzens. Wie der Sportmediziner ausführte, lässt das körperliche Training die Gefäße wieder elastischer werden, die versteifte Herzkammer-Muskulatur normalisiert sich. Selbst die Größe des dilatierten Vorhofs reduziert sich aufgrund regelmäßiger Bewegung.

Diabetiker und Herz-Kreislauf-Erkrankte profitieren

Dass ein gezieltes Sportprogramm die Leistungsfähigkeit sowie das kardiovaskuläre Risikoprofil verbessert, zeigt auch eine aktuelle Studie der Techniker Krankenkasse. Die 318 teilnehmenden Männer (81,5 Prozent) und Frauen (18,5 Prozent) litten an Diabetes (n= 59), Koronarer Herzkrankheit (n=252) oder Herzinsuffizienz (n=7) und waren im Durchschnitt knapp 66 Jahre alt. Im Anschluss an eine umfassende Eingangsuntersuchung absolvierten die Teilnehmer ein sechsmonatiges Trainingsprogramm, das von Prof. Halle entwickelt und begleitet wurde. Es erfolgte zum Teil unter Aufsicht, teilweise als eigenständiges Training.

Wie die Abschlussuntersuchung belegt, lassen sich durch regelmäßiges Training (bis zu fünf mal pro Woche) die maßgeblichen Gesundheitsparameter auch bei älteren, chronisch kranken Personen verbessern. So stieg die körperliche Leistungsfähigkeit gemessen anhand der Sauerstoffaufnahme um fast ein Zehntel an, zudem verbesserte sich die Herzfrequenz. Der Langzeitblutzuckerwert (HbA1c) verringerte sich hingegen deutlich, ebenso die Cholesterinwerte. Die Patienten verloren signifikant an Gewicht und zeigten einen deutlich geringeren Bauchumfang und BMI. Insulinpflichtige Teilnehmer konnten aufgrund der vermehrten körperlichen Aktivität ihren Verbrauch an Insulin deutlich reduzieren, von etwa 40 IE auf gut 20 IE.

Die gesundheitsbezogene Lebensqualität wurde mittels SF-36 erfragt und ergab eine signifikante Steigerung im Verlauf des Trainingsprogramms. „Durch unsere Studie können wir jetzt erstmals auf der Patienten-Versorgungsebene bestätigen, dass Sport signifikant die Leistungsfähigkeit und das kardiovaskuläre Risikoprofil bei Herz-Kreislaufpatienten und Diabetikern verbessert“, resümierte Halle.(1)

A und O ist das Ausdauertraining

Die aktualisierte Praxisempfehlung der Deutschen Diabetes Gesellschaft zu Diabetes, Sport und Bewegung liegt seit Ende 2014 vor. Hier betonen die Autoren, dass Maßnahmen, welche die Steigerung der Insulinsensitivität bewirken – in erster Linie regelmäßige körperliche Aktivität – eine kausale therapeutische Option zur Behandlung der Typ-2-Diabetiker bieten. Allerdings ist es mit „ab und zu ein wenig mehr Bewegung“ nicht getan.

Möchte man mit der Sport-Therapie einen dauerhaften Effekt erreichen, ist eine langfristige Umstellung auf einen aktiven Lebensstil und regelmäßiges Training erforderlich. „Das A und O bei einem Sport-Konzept stellt das Ausdauertraining dar“, betonte Halle. Dadurch lassen sich etwa bei einer gestörten Glukosetoleranz die Insulinsensitivität sowie die Stoffwechseleinstellung verbessern. Dieser Effekt hält jedoch nur solange an, wie das Ausdauertraining beibehalten wird.

Individuell dosiertes Training

Ein weiterer maßgeblicher Punkt ist die Regelmäßigkeit des Trainings. Wie der Sportmediziner betonte, ist es – vergleichbar mit der täglichen Tabletten-Einnahme bei einer medikamentösen Behandlung – entscheidend, dass die Patienten jeden Tag ihr körperliches Training absolvieren. „Und zwar nicht einen Tag drei Minuten lang, am nächsten Tag 30 Minuten oder gar nicht, sondern kontinuierlich, jeden Tag das gleiche Programm über die selbe Zeit.“ Laut Halle verringert bereits ein 10-minütiges Training pro Tag das kardiovaskuläre Risiko bei Diabetes Typ 2-Patienten um die Hälfte. Geeignet ist hierfür beispielsweise strammes Gehen.

Allerdings gilt es, die richtige Bewegungs-Dosis für jeden einzelnen Patienten herauszufinden. „Denn bei einer zu hohen Intensität, entstehen Blutzuckerturbulenzen, wodurch die Blutzuckerwerte eher ansteigen als abfallen“, so Halle. Er orientiert sich an den Pulswerten der Patienten und legt die Grenzen individuell fest. „Bei manchen Patienten ist es wichtig, mit einer sehr niedrigen Belastung anzufangen. Ein Training mit Nordic-Walking wäre für sie bereits eine starke Überbelastung“, erklärte der Sportmediziner.

Bei der Auswahl der geeigneten Sportart sind daher die alters- und krankheitsbedingten Beeinträchtigungen aber auch die Interessen und Lebensgewohnheiten der Patienten zu berücksichtigen. Generell kommen Ausdauersportarten wie Tai Chi, Wandern, Nordic-Walking, Radfahren, Schwimmen oder Gymnastik in Frage. Häufige diabetische Begleiterkrankungen wie koronare Herzkrankheit, periphere arterielle Verschlusskrankheit, periphere diabetische Neuropathie oder Hypertonie sind keine Argumente gegen ein Training. Denn selbst bei Patienten mit Herzinsuffizienz oder Vorhofflimmern können sich die Komplikationsraten durch regelmäßiges Training noch verringern. „Je früher die Patienten allerdings damit beginnen, desto effektiver lassen sich die Folgeschäden des Diabetes kontrollieren“, betonte Halle.

Geeignete Sportarten

Tai Chi, Wandern, Nordic-Walking, Radfahren, Schwimmen, Gymnatsik. Immer mit sehr niedriger Belastung beginnen.

Quellen: Pressekonferenz „Innere Medizin fachübergreifend – Diabetologie grenzenlos“ in Unterschleißheim, veranstaltet von OmniaMed in Kooperation mit Bundesverband Deutscher Internisten e.V.

(1) Pressekonferenz „Sport als Therapie“ in Berlin, veranstaltet von der Techniker Krankenkasse.

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