Hausarzt MedizinRisikoadaptiert und konsequent behandeln!

Beim diabetischen Fuß ist eine kontinuierliche und konsequente Behandlung notwendig. Diese erfordert von allen Beteiligten viel Geduld, zahlt sich aber durch eine Vermeidung von Komplikationen und letztendlich eine reduzierte Zahl an Amputationen aus.

Diabetes mellitus ist eine Stoffwechselerkrankung mit rasant zunehmender Prävalenz. In Deutschland leiden etwa neun Prozent der Erwachsenen an Diabetes, dies entspricht ca. sechs Millionen Erkrankten [1]. Dabei wird von einer auch in den nächsten Jahren steigenden Prävalenz ausgegangen. Bereits heute ist Diabetes eine der teuersten chronischen Erkrankungen, zum einen durch die direkten Kosten, zum anderen durch die Behandlung diabetischer Komplikationen [2]. Dem diabetischen Fuß kommt hierbei mit einer Prävalenz von sieben Prozent bei Diabetikern eine besondere Bedeutung zu [3].

Risikofaktoren

Die Entstehung des diabetischen Fußes und seiner Komplikationen ist multifaktoriell bedingt, die Erkrankungsdauer sowie das Patientenalter sind wichtige Risikofaktoren. Kausal sind jedoch die periphere Neuropathie sowie die arterielle Verschlusskrankheit zugrundeliegend.

Die periphere autonome Neuropathie verursacht trophische Störungen, z. B. eine trockene Haut, die Schädigungen des Fußes und der Haut begünstigen. Die motorische Neuropathie führt zu Muskelatrophie und konsekutiv häufig zu Fehlstellungen des Fußes, die in letzter Konsequenz unphysiologische Druckbelastungen bewirken. Darüber hinaus werden durch die sensible Neuropathie Schädigungen, Verletzungen und auch Infektionen am Fuß nicht oder nur verspätet wahrgenommen. Durch die periphere arterielle Verschlusskrankheit wird die Abheilung von z. B. Ulzerationen oder Infektionen deutlich erschwert, da sowohl die körpereigene Abwehr als auch z. B. eine Antibiotikatherapie nicht an den Wirkort gelangen können. Zusätzlich entstehen durch häufige Hyperglykämien sog. Advanced Glycation Endproducts (AGE), die durch eine vermehrte Bindegewebsneubildung eine reduzierte Beweglichkeit des Sehnen- und Bandapparates (limited joint mobility) und dadurch bedingte Fehlstellungen verursachen.

Prävention

Eine suffiziente Einstellung des Diabetes sowie das frühzeitige Erkennen und Behandeln von Risikofaktoren ist entscheidend, um schwerwiegende Komplikationen wie Ulzerationen oder Amputationen zu vermeiden.

Die primäre Prävention umfasst die tägliche Fußpflege inklusive Inspektion durch die Patienten selbst. Gleichzeitig sollten alle Patienten in risikoadaptierten Abständen (Tabelle 1) ärztlich untersucht werden, um aktiv Risikofaktoren und Komplikationen zu entdecken und die weitere Diagnostik und Behandlung zeitnah einleiten zu können.

Diagnostik

Die Anamnese sollte zum einen allgemeine Risikofaktoren (Diabetesdauer, Medikation, weitere Komplikationen) umfassen und andererseits spezifisch auf die Füße fokussiert sein. Es sollte u. a. nach der körperlichen Aktivität, Symptomen der Polyneuropathie, vorangehenden Infektionen, Ulzerationen und ggf. Operationen gefragt werden.

Die klinische Untersuchung sollte in jedem Fall den Gefäßstatus (Pulse, ggf. Duplexsonographie), den dermatologischen Status (Hornhaut, Beschwielung, Ulzerationen, interdigitale Läsionen, Tinea etc), den neurologischen Status (Vibrationsempfinden, Schmerzempfinden, Temperaturempfinden, Reflexstatus etc.) und den muskuloskeletalen Status (Deformitäten, eingeschränkte Beweglichkeit, Krafttestung) umfassen. Zusätzlich sollten auch das Schuhwerk und vorhandene Einlagen inspiziert werden [4]. Für die Befunddokumentation bieten sich verschiedene standardisierte Dokumentationsbögen an, wie z. B. der Fuß-Dokumentationsbogen der AG Fuß der Deutschen Diabetes Gesellschaft [5].

Zur weiteren Abklärung, insbesondere bei Infektionen, sind bildgebende Verfahren (insbesondere Röntgen und Kernspintomographie) unerlässlich. Die Röntgendiagnostik ist als Basisdiagnostikum wichtig: zum einen, um Strukturveränderungen zu entdecken, zum anderen, um bei Infektionen oder Ulzerationen eine Osteomyelitis nachzuweisen. Allerdings ist in der Frühphase einer Osteomyelitis das Röntgenbild unauffällig. Daher ist hier eine Kernspintomographie des Fußes entscheidend. Im MRT können auch äußerlich nicht sichtbare Abszesse und zudem die typischen Veränderungen der Charcot-Arthropathie entdeckt werden.

Sollten in der klinischen Untersuchung pathologische Befunde erhoben werden, die auf eine relevante Angiopathie schließen lassen oder sollte eine Ulzeration unter suffizienter Therapie nicht abheilen, ist eine weitere Gefäßdiagnostik erforderlich. In der Praxis wird die Dopplersonographie rasch und einfach Hinweise liefern. Zur weiteren Abklärung schließt sich dann häufig eine digitale Subtraktionsangiographie (DSA) an. Die gefundenen Stenosen können dann im selben Eingriff ggf. interventionell beseitigt werden. Sollte dies nicht möglich sein ist die Vorstellung beim Gefäßchirurgen unbedingt erforderlich.

Vor der Einleitung einer geeigneten Behandlung muss ein Ulkus zunächst genau inspiziert werden.Dies schließt auch eine Sondierung mittels Knopfkanüle und eine ggf. weiterführende Diagnostik (s. o.) ein. Dies ermöglicht eine Klassifikation des Ulkus (Tabelle 2) und die weitere Therapie.

Therapie

Die Hauptkomplikationen des diabetischen Fußes, die es zu vermeiden gilt, sind Ulzerationen, Infektionen sowie die Charcot-Arthropathie. Ulkus: Die Basis der Ulkustherapie ist das chirurgische Débridement, bei dem nekrotisches oder infiziertes Gewebe abgetragen und somit eine Wundheilung ermöglicht werden. Vorhandene Abszesshöhlen sollten hierbei auch inzidiert werden. Alternativ bzw. ergänzend bietet sich ein Débridement durch z. B. hydroaktive Wundkissen bzw. ein biologisches Wunddébridement durch Larven an.

Die Wundgranulation kann im Anschluss hieran durch Schaffung eines geeigneten Wundmilieus gefördert werden. Hierzu gibt es diverse Wundverbände, z. B. auf Basis von Hydrogelen, Hydrokolloiden oder Schaumstoffen. Bei sicherer Infektfreiheit kann auch eine Therapie mit Vakuumverbänden durchgeführt werden.

Der zweite wichtige Pfeiler der Ulkustherapie ist die Entlastung des betroffenen Gewebes. Hierzu eignen sich z. B. Einlagen oder Entlastungsschuhe.

Fußinfektionen werden bei Diabetes aufgrund der Neuropathie häufig erst spät bemerkt. Im Frühstadium ist eine ambulante Behandlung mittels oraler Breitspektrumantibiotika sowie lokaler Maßnahmen ausreichend. Bei fortgeschrittenen Infektionen sowie nicht erfolgreicher ambulanter Behandlung wird eine stationäre Behandlung erforderlich, da sich die Infektion rasch lebensbedrohlich ausbreiten kann. Neben der parenteralen Antibiotikatherapie sollten dabei ggf. vorhandene Nekrosen und Abszesse chirurgisch saniert werden. Sowohl beim Ulkus als auch bei Infektionen drohen Amputationen als Ultima ratio.

Charcot-Fuß: Eine Besonderheit ist der Charcot-Fuß, die sogenannte diabetische neuropathische Osteoarthropathie. Im akuten Stadium ist dieser einer Infektion sehr ähnlich (Ödem, Hyperthermie, Erythem), daher sollte diese zunächst ausgeschlossen werden. Hierbei ist das MRT hilfreich. Im akuten Stadium ist eine vollständige Entlastung des Fußes erforderlich. Im eigenen Vorgehen erfolgt diese durch eine 2-Schalen-Orthese, die für ca. 6 Monate getragen werden sollte.

FAZIT

  • Die kontinuierliche und risikoadaptierte Betreuung der Patienten hat eine grose Bedeutung.

  • Der diabetische Fus erfordert interdisziplinares Handeln.

  • Der Hausarzt hat vor allem die Aufgabe des Koordinators und sollte rasch die weiteren Fachdisziplinen in die Behandlung einbinden.

Literatur

  • 1 Kurth BM, Lange C, Kamtsiuris P et al. (2009) Gesundheitsmonitoring am Robert Koch-Institut. Sachstand und Perspektiven. Bundesgesundheitsbl – Gesundheitsforsch – Gesundheitsschutz 52(5): 557-570

  • 2 Köster I, Huppertz E, Hauner H et al. (2011) Direct Costs of Diabetes Mellitus in Germany – CoDiM 2000–2007. Exp Clin Endocrinol Diabetes Epub 24.01.2011

  • 3 Burger M, Tiemann F (2005) Diabetes mellitus in Deutschland. Eine Bestandsaufnahme nach Daten des telefonischen Gesundheitssurveys 2003. Bundesgesundheitsbl – Gesundheitsforsch – Gesundheitsschutz 48(11): 1242–1249

  • 4 Frykberg RG, Zgonis T, Armstrong TG et al (2006) Diabetic Foot Disorders: A clinical practical guideline. J Foot Ankle Surg 45 (5):1-66

  • 5 AG Fuß der Deutschen Diabetes Gesellschaft, http://www.ag-fuss-ddg.de/download/Fussdokumentationsbogen_DDG.pdf

Interessenkonflikte: keine

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