S3-LeitlinieWege aus der Sucht

Unter den Suchtproblematiken führt Alkohol die Statistik an; harte und weiche Drogen, Medikamentenabusus und Nikotin spielen eine nachgeordnete Rolle. Im hausärztlichen Kontext haben vor diesem Hintergrund Prävention, Früherkennung und differenzielle Behandlung eine hohe Bedeutung.

Risikofaktoren für Alkoholkonsum können auch gelockerte soziale Bindungen, emotionale Labilität, Überprotektionismus und eine erbliche Disposition sein.

Alkoholkonsum versursacht in Deutschland erhebliche gesundheitliche und wirtschaftliche Folgen. Mit 20 Prozent riskantem Alkoholkonsum führen Frauen die Statistik noch vor Männern (17 Prozent) an. 25 Prozent der Frauen gaben in Umfragen an, episodisch bis zum Rausch zu trinken, bei den Männern sind es 43 Prozent.

Trotz Forderungen nach einem generellen Alkoholscreening im Rahmen des hausärztlichen Checkup sowie bei Neupatienten empfiehlt die aktuelle S3-Leitlinie “Screening, Diagnostik und Behandlung alkoholbezogener Störungen” weiter das Screening nach Bedarf, berichtete Prof. Dr. Erika Baum im Rahmen der practica in Bad Orb.

Die Allgemeinmedizinerin aus Biebertal, ehemals Präsidentin und aktuell Schatzmeisterin der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin wies darauf hin, dass die wenigsten Patienten von sich aus ihren Alkoholkonsum ansprechen.

Hausärzte sind bei Prävention, Früherkennung und Therapie gefragt

Zu häufigen Konsultationsanlässen zählen neben anderen Symptomen wie Appetitlosigkeit, Übelkeit, Gewichtsverlust, Reizbarkeit, Nervenschmerzen und Depressionen, Schlafstörungen sowie soziale Faktoren, etwa eine drohende Kündigung, die Notwendigkeit einer medizinisch-psychologischen Untersuchung nach Führerscheinentzug sowie der Wunsch nach einer Krankmeldung zum Wochenauftakt.

“Alkohol ist ein Problem, wenn er Probleme macht”, sagt Erika Baum. Oft verspürten die Patienten durchaus Leidensdruck, weil sie familiäre, berufliche oder psychische Probleme hätten, die im direkten Zusammenhang mit dem Alkoholkonsum stünden. Hausärzte sollten die Krise nicht unterstützend kaschieren, sondern sie als Tor zur Therapie verstehen.

Motivierende Gesprächsführung könne hier gute Erfolge erzielen. Eine Schutzbehauptung des Patienten sei häufig, dass Probleme nicht angesprochen worden seien. Diese Verleugnung sei durch eine gute Dokumentation der Gesprächshistorie einfach aufzudecken. Auch die Kooperation mit Betriebsmedizinern sei oft hilfreich.

Die Bereitschaft zur Therapie ist in der Regel der erste Schritt aus der Abhängigkeit. “Es ist nicht unser Auftrag, einen Patienten aus der Absichtslosigkeit in die Entwöhnung zu bringen”, betonte Erika Baum und verwies dabei auf das Stufenmodell der Verhaltensänderung nach Prochaska/Basler/Keller, wonach die Absichtsbildung Voraussetzung für die Vorbereitung und Handlung – in diesem Fall des Entzugs – sei.

Verharren Patienten in der Absichtslosigkeit als Ausgangsstadium, sei kein Therapieerfolg möglich. “Die Patienten sind grundsätzlich rückfallgefährdet”, führte Erika Baum aus. Wichtig sei, in diesem Fall zu vermitteln, dass sie bei einem erneuten Therapieversuch nicht bei null anfingen, sondern auf den Erfahrungen des ersten Entzugs aufbauen könnten.

Auch die Angehörigen sollten in den Blick genommen werden. “Ein Leben in Co-Abhängigkeit hat Charme”, warnte Erika Baum. “Auch hier existieren Strukturen. Eine Co-Abhängigkeit ist kein Zufall.” Deshalb sollten auch Angehörige eine Selbsthilfegruppe besuchen.

“Sie rechtfertigen, fangen viele Belastungen ab und helfen beim Lügen”, so die Allgemeinmedizinerin. “Gleichzeitig sind sie unaufrichtig gegenüber den eigenen Gefühlen.” Angehörige seien zwar nicht zwangsläufig selbst abhängig, zögen aber emotionalen Nutzen aus der Abhängigkeit des Partners, zum Beispiel das Gefühl gebraucht zu werden. “Auch hier laufen pathologische Prozesse ab.”

Schwierig zu erkennen sei häufig eine Medikamentenabhängigkeit. Die neue elektronische Patientenakte “ist eine Chance”, sagte Erika Baum. Das bis dato mögliche und kaum ermittelbare “Ärztehopping” könne über die EPA eventuell kontrolliert werden.

In Schweden gebe es seit Langem gute Erfolge mit einem zentralen Register, in dem zum Beispiel der Medikamentenkonsum jedes Bürgers dokumentiert sei. “Selbst wenn der Patient diese Daten nicht einsehen lässt, wissen wir das dann zumindest und können ganz anders darauf eingehen.”

TIPP

Bei Verdacht auf Alkoholabusus und bei trockenen Alkoholikern, Medikamente nicht als Tropfen, sondern Tabletten verschreiben, da in vielen Tropfen Alkohol enthalten ist.

Fazit

  1. Um einen Einstieg in die Abhängigkeit zu vermeiden, kommt es auch auf das hausärztliche Verordnungsverhalten und die Therapiebegleitung an.
  2. Bei Verdacht auf Alkoholabusus aktiv zuhören, den Patienten die Gesprächsagenda setzen lassen.
  3. Vor- und Nachteile der Verhaltensänderung ansprechen, Gespräch dokumentieren – dabei die Prinzipien der motivierenden Gesprächsführung beachten.
  4. Im Nachgang weitere Gespräche anbieten oder gegebenenfalls die Angehörigen mit einbeziehen.
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