MännergesundheitPsyche: Auch an die Männer denken

Männer nehmen sich häufiger das Leben als Frauen, dennoch denken Ärzte bei ihnen seltener an eine Depression: In puncto Männergesundheit gibt es noch viel zu tun.

Gleichberechtigung ist eine der Errungenschaften unserer Zeit und der vielleicht größte gesellschaftliche Fortschritt seit Ende des zweiten Weltkriegs. Frauen können heute jede berufliche Position erlangen – das ist hervorragend und zeigt, wie weit die Emanzipation gekommen ist.

Wirkliche Gleichberechtigung werden wir aber erst dann erreichen, wenn auch die Benachteiligungen von Männern in der öffentlichen Debatte angekommen sind. Hier gibt es einiges zu diskutieren: So sterben Männer im Durchschnitt fünf Jahre früher als Frauen. Sie werden öfter Opfer von Gewalt als Frauen und nehmen sich häufiger das Leben. Zudem werden Depressionen bei ihnen öfter übersehen als bei Frauen.

Depressionen erkennen

Bei Männern werden Depressionen häufig nicht bemerkt, weil sie oft nicht die klassischen Symptome zeigen: Statt Niedergeschlagenheit, Antriebslosigkeit, Grübeln und Rückzugstendenzen kommt es zu Ärger, Aggressivität, Wut, Hyperaktivität, antisozialem Verhalten und Substanzabusus [1].

Das häufige Übersehen von Depressionen wird mit als Ursache für die hohe Suizidrate bei Männern gesehen [1]. Hier sind wir Hausärztinnen und Hausärzte gefordert: Wenn sich das Verhalten von Männern hin zu mehr Ärger, Aggressivität, Wut, Hyperaktivität, antisozialem Verhalten und zum Beispiel vermehrtem Alkoholabusus ändert, sollten wir an eine Depression und die Möglichkeit eines Suizids denken und dies auch ansprechen.

Die von Männern gewählten “harten” Suizidmethoden führen übrigens häufiger zum Tod als die eher “weichen” Methoden von Frauen (zum Beispiel Selbstvergiftungen mit Tabletten oder Drogen) [1].

Wir Hausärzte sollten berücksichtigen, dass Männer ihre Beschwerden im Vergleich zu Frauen häufiger ignorieren oder mit Suchtmitteln kompensieren. Auch versuchen viele Männer ihre psychischen Probleme zu verstecken und berichten eher über körperliche Symptome.

Generell gehen Männer seltener als Frauen zu Ärzten, weil dasZeigen von Schwäche und das Äußern von Beschwerden mit ihrem Rollenverständnis oft nicht vereinbar sind und sie den Verlust von Ansehen, Autonomie und Männlichkeit fürchten. [1]

Auch Frauen sind Täter

Gewalt von Frauen gegen Männer findet häufiger statt, als die meisten glauben dürften. In einem Artikel des Deutschen Ärzteblatts hieß es im März 2017: “Mindestens eine Million Männer in Deutschland erleiden regelmäßig häusliche Gewalt durch ihre Partnerin.” [2]

Dabei zeigen Männer Gewalt, die sie erlitten haben, seltener an als Frauen. Dies gilt besonders dann, wenn die eigene Partnerin Täter war. Daher darf von einer hohen Dunkelziffer ausgegangen werden. Leider ist das Interesse an Studien, die Gewalt von Frauen gegen Männer untersuchen, gering.

Schulische Förderung

Erinnern Sie sich noch daran, wie die Medien jahrelang die schlechteren Ergebnisse für Mädchen in Mathematik und Physik in der Pisa-Studie diskutiert haben? Dass gleichzeitig die Jungen schlechter lesen konnten, wurde deutlich weniger thematisiert.

Mittlerweile hat sich das Blatt zumindest bei den Schwächen der Mädchen gewendet: So ist dem deutschen Schulportal zu entnehmen, dass 51 Prozent der Studienanfänger im Fach Mathematik Frauen sind.

Die Lesekompetenz der Jungen hat sich auch etwas verbessert, die Mädchen sind ihnen hier aber nach wie vor deutlich voraus. [3] Mein Eindruck ist: Seitdem die Mädchen in einigen Fächern so stark aufgeholt haben, gilt den Unterschieden in den schulischen Leistungen nicht mehr viel Aufmerksamkeit.

Dabei ist es Realität, dass viele Jungen nach wie vor schlecht lesen können und dass sie auf Haupt- und Förderschulen überrepräsentiert sind. Professor Christian Pfeiffer, ehemaliger Direktor des kriminologischen Instituts Niedersachsen hat es in einem Zeitungsinterview so formuliert: “Wir verlieren unsere Jungs in den Schulen.” [4]

Einseitiges Engagement

Das Engagement für Gleichberechtigung zwischen den Geschlechtern ist in unserer Gesellschaft einseitig. Das Bild, das gemalt wird, ist oft schwarz-weiß; gefördert werden sollen besonders Mädchen und Frauen.

Die Benachteiligungen von Männern spielen bei diesen Überlegungen meist keine Rolle. Die Einseitigkeit ist auch schon lange Teil der Politik: Das geht so weit, dass das ehemalige Bundesfamilienministerium heute Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend heißt. Und Männer? Kommen nicht vor. Höchstens als Teil von Familien, Senioren und Jugend. In der Regel aber auch dabei nicht.

Fazit

Wir Hausärztinnen und Hausärzte sollten im Hinterkopf behalten, dass auch Männer Opfer von Gewalt werden und auch Frauen Täter sind.

Wenn sich bei Männern vermehrt Ärger, Aggressivität, Wut, Hyperaktivität, antisoziales Verhalten oder Substanzabusus zeigen, sollten wir an Depression bzw. Suizidalität denken und dies auch ansprechen.

Gerade wir Hausärzte sollten auch in der Öffentlichkeit dafür werben, dass zu Gesundheit Wertschätzung gehört, und dass diese – auch in politischen Debatten – jedem gebührt: Jungen wie Alten, Hell- wie Dunkelhäutigen und den Männern genauso wie den Frauen.

Quellen:

  1. Männer zeigen andere Symptome bei einer Depression. Ärzteblatt, 04/2015. www.hausarzt.link/Sbzca
  2. Sonnenmoser M. Häusliche Gewalt gegen Männer: Unbeachtet und tabuisiert. Ärzteblatt, 03/2017. www.hausarzt.link/MMzMF
  3. Anders F. Schneiden Jungen in der Schule schlechter ab? Das deutsche Schulportal, 05/2020. www.hausarzt.link/YSpjK
  4. Experten schlagen Alarm: Die Jungen werden in der Schule abgehängt! Aber woran liegt das? News4Teachers, 11/2019. www.hausarzt.link/LacR8

Interessenkonflikte: Der Autor ist Mitglied bei MANNdat und den Liberalen Männern. Vorträge für Berlin-Chemie und Novartis.

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