Hausarzt MedizinPro & Contra CRP-Schnelltest: sinnvoll oder überflüssig?

Wenn man zuverlässig zwischen bakteriellen und viralen Infektionen unterscheiden könnte, ließe sich ein erheblicher Teil der (unnötigen) Antibiotikaverordnungen in der Praxis einsparen, denn knapp 40 Prozent aller Antibiotika werden zur Therapie von Atemwegsinfekten [1] verschrieben. Allerdings sind z.B. 90 bis 99 Prozent aller akuten Bronchitiden viral bedingt [2]. Die Initiative „Erst testen, dann verordnen“ setzt sich dafür ein, dass die GKV die Kosten für den quantitativen CRP-Schnelltest in der Praxis übernimmt. ­Eine Verfechterin („Pro“) des Tests und ein Gegner („Kontra“) tragen nachfolgend ihre Argumente vor.

Pro: „Großes Einsparpotenzial, hohe Patientenzufriedenheit“

Eines vorab: Es gibt keinen Para­meter, der Anamnese, Befund und die Erfahrung des Arztes ersetzt. Der CRP-Wert kann aber eine objektivierbare ­Hilfe sein, bakterielle von ­viralen Infekten zu unterscheiden [5,6] und die Therapieentscheidung zu verbessern.

Eine diagnostische Entscheidungshilfe ist ideal, wenn sie: zur Klärung der Fragestellung geeignet ist, noch während der Konsultation verfügbar ist, kostendeckend abrechenbar ist, ein quantitatives Ergebnis für Entscheidung und Verlaufskontrolle ­liefert.

Eine 2017 durchgeführte Befragung unter Hausärzten zeigte: In 50 Prozent der Fälle würde ein CRP-Wert helfen, Antibiotika gezielt zu verschreiben [3]. CRP steigt bei bakteriellen Infekten stark an, bei viralen nur leicht bis gar nicht [4, 5]. Ergänzt um die klinische Symptomatik lässt sich eine verlässliche Therapieentscheidung treffen. Ein aktueller Cochrane-Review aus dem Jahr 2017 bestätigt, dass sich Antibiotikaverschreibungen durch ­einen quantitativen CRP-Test signifikant verringern lassen [6].

Außer als direkte Entscheidungshilfe dient das Ergebnis der CRP-Testung als ­objektivierbares ­Kriterium und Argumentations­hilfe im Arzt-Patienten-Gespräch, wann eine Antibiose notwendig ist – und wann nicht. Auch Untersuchungen von Little aus dem Jahr 2013 [7] sowie Cals aus dem Jahr 2009 [8] bestätigen das Potenzial der CRP-Testung. Die Studie von Little zeigt, dass die Kombination aus einer verbesserten Patientenkommunikation und einem CRP-Test das höchste Potenzial zur Einsparung von Antibiotikaverordnungen hat und gleichzeitig zu einer hohen Patientenzufriedenheit führt.

Wichtig sind klare Handlungsempfehlungen. Sowohl die niederländische „Acute Cough Guideline“ als auch die englische „NICE Guideline“ empfehlen folgende Interpretation des CRP-Schnelltests [9,10]:

Dies unterstreicht die Notwendigkeit einer quantitativen Bestimmung, denn die Cut-Offs der im Markt befindlichen qualitativen bzw. semiquantitativen Tests stimmen nicht mit diesen Empfehlungen überein. Zudem ist ­eine Verlaufs- und damit Erfolgskontrolle nur mit quantitativen Werten möglich.

In einigen europäischen Ländern wird der quantitative CRP-Test mittlerweile flächendeckend eingesetzt. In den Niederlanden verfügen etwa 60 Prozent der niedergelassenen Allgemeinmediziner über die CRP-Schnelltestung. Zugleich weisen die Niederlande die niedrigste Antibiotikaverordnungsrate auf. Aus meiner Sicht spricht daher alles für einen breiten Einsatz des CRP-Tests in der hausärztlichen Praxis, sofern dieser auch im EBM kostendeckend vergütet wird.

Dr. med. Katja ­Linke MPH, Hausärztin Viernheim

Interessenkonfilkte: Mitwirkung bei der Initiative "Erst testen, dann verordnen" von Roche und Orion Diagnostica

Contra: „Ein Tropfen auf den heißen Stein“

Aus meiner Sicht ist die Initiative „Erst testen, dann verordnen“ primär von wirtschaftlichen Interessen geleitet, denn es geht darum, Produkte zu verkaufen, die medizinisch gesehen entbehrlich sind. Der Grund: Die Bestimmung des CRP ist eben nicht geeignet, bakterielle von viralen Infekten zu unterscheiden. Dafür gibt es eine Reihe belastbarer wissenschaft­licher Quellen.

Obwohl es stimmt, dass mit steigendem CRP die Wahrscheinlichkeit ­eines bakteriellen Infekts zunimmt, gibt es unzählige CRP-positive Virusinfekte, teils mit sehr hohen Werten. So kann eine Influenza durchaus mit einem CRP-Wert von 200 mg/l oder mehr einhergehen. Sie würde auch nach dem Test antibiotisch behandelt werden – und dies kann nicht der Anspruch einer modernen Allgemeinmedizin sein!

Obwohl nur ein kleiner Anteil der Atemwegsinfekte primär bakteriell bedingt ist, werden in Deutschland bis zu 50 Prozent der Patienten, die deswegen eine Arztpraxis aufsuchen, antibiotisch behandelt. Die AOK hat daher 2016 über den AQUA Versorgungsspiegel [12] mitgeteilt, dass statistisch nicht mehr als 20 Prozent der Atemwegsinfekte in einer Praxis eine Indikation für ein Antibiotikum sein sollten.

Die Unterscheidung zwischen bakteriell und viral bedingten Infektionen ist primär klinisch zu treffen. Hier helfen die DEGAM-Leitlinien „Halsschmerzen“ [13], „Ohrenschmerzen“ [14] und „Rhinosinusitis“ [15]. Anhand des Centor-Scores [16] kann man abschätzen, ob eine Pharyngitis durch A-Streptokokken verursacht ist. All dies ist ohne großen Aufwand, oft schon anhand der Anamnese, möglich.

Warum werden trotzdem riesige Mengen Antibiotika verordnet? Gründe dafür können sein: der Wunsch des Patienten nach schneller Genesung (funktioniert hier aber nicht), Zeitmangel oder Bequemlichkeit des Arztes (man muss nicht mehr nachschauen, Stichwort „Watchful Waiting“), überholtes Wissen (z.B. dass die Sputumfarbe aussagekräftig sei) oder Angst und Unsicherheit von Arzt und Patient („wenn es doch eine Lungenentzündung ist“, obwohl alles dagegenspricht).

Welchen Beitrag kann die alleinige CRP-Bestimmung leisten, um die Anti­biotikaverordnungen zu begrenzen? Einen viel zu geringen, weil trotzdem massiv übertherapiert würde. Es wäre rechnerisch nicht viel mehr als der berühmte Tropfen auf den heißen Stein. Es gibt sicher­lich Fälle, in denen ein quantitativer CRP-Test bei der Entscheidungsfindung hilft, etwa der unklare, starke Bauchschmerz ohne Abwehrspannung am Freitag kurz vor Praxisschluss. Diese Ereignisse sind aber so selten, dass ein flächendeckender Einsatz des quantitativen Praxistests für CRP in keinem sinnvollen Kosten-Nutzen-Verhältnis stünde.

Wenn man Antibiotika einsparen möchte, wäre das Geld meiner Ansicht nach in Peer-to-Peer-Coachings besser angelegt.

Kevin Ortlieb, Facharzt für ­Allgemeinmedizin Müllheim/Baden

Interessenkonflikte: keine.

Literatur

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