Berlin. Ob freundschaftlich oder erotisch, ob politischer Bruder- oder verräterischer Judaskuss – der Kuss ist eine uralte Geste mit vielerlei Bedeutung. Was Sie zum Tag des Kusses (6.7.) rund ums Küssen wissen sollten:
KUSSGESCHICHTE
Geht der Kuss auf die Brutpflege und das Mund-zu-Mund-Füttern unserer evolutionären Ahnen zurück? Verhaltensforscher wie der 2018 gestorbene Irenäus Eibl-Eibesfeldt behaupten das. Die bei einigen Völkern noch heute praktizierte „Kuss-Fütterung“ hat der Österreicher auf seinen Reisen ausführlich dokumentiert. Die Mutter kaut die Nahrung vor und verabreicht sie dem Kind mit dem Mund – so ist es auch bei vielen Tierarten üblich, etwa bei Vögeln. Andere Forscher halten es für möglich, dass das Küssen mit dem Saugen des Säuglings an der Mutterbrust zusammenhängt oder gehen von einem rein sexuellen Hintergrund des Kusses aus – als Ersatz für das tierische Schnüffeln im Anal- und Genitalbereich.
KUSSGESUND
In einem Punkt ist sich die Wissenschaft jedoch einig: Der Kuss ist wie eine Energiespritze, die das Immunsystem stärkt und Stress abbaut. Das Herz schlägt schneller, der Stoffwechsel kommt in Schwung, der Körper schüttet Hormone aus – zum Beispiel das sogenannte Kuschelhormon Oxytocin mit seiner beruhigenden und befriedigenden Wirkung. Küssen stärkt das Bindungsgefühl – zwischen Mutter und Kind ebenso wie unter Partnern. Wer gerne küsst, könnte für Bluthochdruck und Depressionen weniger anfällig sein, heißt es.
KUSSREKORDE
Den Weltrekord im Massenküssen kann derzeit Brasilien für sich verbuchen: Laut Guinness-Buch knutschten 13.577 Paare 2014 im Zentrum von São Paulo. Schon 1941 hatten sich dem Guinness-Buch zufolge Jane Wyman und Regis Toomey in dem Film „Schrecken der zweiten Kompanie“ („You’re in the Army now“) mit 3 Minuten und 5 Sekunden den bis heute gültigen Weltrekord auf einer kommerziellen Leinwand gesichert. Doch auch atemlos und unter Wasser hat das Küssen wohl seinen Reiz: Mit 3 Minuten und 24 Sekunden verewigten sich Elisa Lazzarini und Michele Fucarino aus Italien 2010 im Guinness-Buch.
TIERISCHE KÜSSE
Sie tun es zwar selten, aber sie tun es: Auch Affen küssen sich, zum Beispiel Schimpansen. Allerdings nicht in der Absicht, sich zu paaren, sondern zum Abbau von Stress oder auch als Form des Spiels. Auch andere Tiere haben gelernt, dass körperliche Nähe positive Gefühle erzeugen kann: So gehört das „Schnäbeln“ zum Paarungsverhalten mancher Vogelarten – vor allem wenn der Schnabel lang ist, wie zum Beispiel bei Reihern oder Störchen.
KUSSKULTUR
Nicht überall wird munter drauflos geknutscht. Eine Studie des Kinsey Instituts in Bloomington (US-Bundesstaat Indiana) zum Beispiel kommt zu dem Ergebnis, dass nicht einmal die Hälfte aller Völker das Küssen mit den Lippen überhaupt praktiziert. Weit verbreitet sei der mit Liebe oder Sexualität verbundene Kuss auf den Mund vor allem in Asien und Europa, im Nahen Osten und in Nordamerika, fand der Anthropologe Justin Garcia heraus. Bei afrikanischen Völkern südlich der Sahara, auf Neuguinea oder in Zentralamerika spiele der romantische Kuss eher keine Rolle. Und dass Eskimos zur Begrüßung lieber die Nasen aneinander reiben, hat wohl klimatische Gründe: In der Kälte könnten sonst die Lippen gefrieren.
Quelle: dpa