Forsa-StudieArthrose: In Bewegung bleiben – trotz Homeoffice

Im Corona-bedingten Homeoffice schrumpft der Bewegungsradius auf ein Minimum, dafür werden die Portionen größer und der Bauchumfang nimmt bei Vielen deutlich zu. Für Patienten mit Arthrose ist das besonders nachteilig – mit gezielter Bewegung lässt sich gegensteuern.

Den typischen Arthrose-Patienten charakterisierte Prof. Hans-Georg Predel von der Deutschen Sporthochschule Köln folgendermaßen: “Ein Patient über 50, meist mit mehr oder weniger ausgeprägtem Bewegungsmangel und Sarkopenie”, so Predel.

Hinzu kämen häufig Komorbiditäten wie Adipositas, Diabetes Typ 2, Schlafapnoe, Fettstoffwechselstörungen sowie orthopädische und psychosoziale Probleme. “Es handelt sich also um ein komplexes Problem, das uns vor eine klinische Herausforderung stellt”, konstatierte der Sportmediziner.

Schlimmer durch Homeoffice?

Die gesundheitlichen Folgen des “Zuhause-Arbeitens” untersuchte eine Forsa-Studie anhand einer repräsentativen Umfrage [1]. Hier zeigten sich profunde Veränderungen beim Ernährungs- und Bewegungsverhalten: Über ein Viertel der Erwachsenen (27 Prozent) gab an, Corona-bedingt zugenommen zu haben.

Besonders bedenklich: auch viele Kinder und Jugendliche legten an Gewicht zu. Dies hat Predel zufolge nicht nur mit der Ernährung zu tun, sondern auch mit fehlender Bewegung – und wird verschärft durch die geschlossenen Sportvereine und Fitnessstudios.

Der Zusammenhang zwischen abdominellen Fettzellen und Arthrose ist mittlerweile gut erforscht [2]. Demnach stellt die Arthrose nicht nur ein mechanisch-degeneratives Problem dar, sondern ist eng mit der Inflammation assoziiert.

“Neben den klassischen Inflammatoren kennen wir heute auch die Adipokine, die vom abdominellen Fettgewebe sezerniert werden und sich negativ auf das Fortschreiten der Osteoarthritis auswirken”, erklärte Predel. Darüber hinaus spielen Adipokine wie Leptin, Visfatin und Resistin bei weiteren Erkrankungen eine Rolle, etwa bei Autoimmunerkrankungen, kardiovaskulären Erkrankungen und metabolischen Störungen [2].

Alle Möglichkeiten nutzen

Bei der Behandlung von Arthrose-Patienten sollte man laut Predel alle zur Verfügung stehenden Optionen nutzen: zunächst die proaktive Prävention; dann auch physiotherapeutische und medikamentöse Therapieoptionen.

Der Sportmediziner betonte insbesondere die Bedeutung von körperlicher Aktivität und Gewichtsabnahme: “Nahezu alle Organsysteme lassen sich durch adäquate sportliche Betätigung positiv beeinflussen”. Wobei die Effekte weit über das muskuloskelettale System hinausreichen, da die gesundheitsfördernden Auswirkungen von Sport ebenso das Herz, das Immunsystem, das Nervensystem, die Psyche sowie die Lungenfunktion und das Blut betreffen [3].

Um das Immunsystem in Pandemie-Zeiten zu stimulieren, rät Predel zu moderater körperlicher Aktivität an der frischen Luft. Denn – so zeigen Studien – gerade die moderate sportliche Betätigung beeinflusst das Immunsystem positiv und wirkt der Immunseneszenz und der Entwicklung chronischer Krankheiten entgegen [4].

“Eine gute Fitness gilt auch bei Arthrose-Patienten, die häufig diverse Komorbiditäten aufweisen, als protektiver prognostischer Faktor”, betonte der Sportmediziner.

Welcher Sport ist geeignet?

Für Arthrose-Patienten ist ein dynamischer Ausdauersport geeignet, da dieser dazu beiträgt, die synoviale Versorgung zu optimieren und den degenerativen (inflammatorischen) Prozessen entgegenzuwirken. Die gewählte Sportart sollte eine möglichst geringe Stoßbelastung aufweisen und die Gelenke mechanisch entlasten.

Je nach individueller Vorliebe kommen daher folgende Sportarten infrage: Radfahren, Nordic Walking, Laufen, Schwimmen Inline-Skating, Wassergymnastik, Yoga, Pilates oder Skilanglauf.

Optimal wirkt sich ein ergänzendes Krafttraining aus. “Das dient einerseits dazu, eine Sarkopenie zu verhindern, andererseits ermöglicht es, das optimale biochemische Profil auszuschöpfen, das von der Muskulatur bzw. den Myokinen erzeugt wird”, erklärte Predel (siehe Kasten).

Gerätegeführte Kräftigungsübungen seien auch bei Patienten mit arthrotischen Veränderungen effektiv. Wichtig ist, mit niedriger Belastung und vielen Bewegungs-Wiederholungen zu beginnen und diese, dem Kraftaufbau angemessen, zu steigern.

Da nur wenige Patienten im privaten Bereich über ein solches Gerät verfügen, sind während des Pandemie-bedingten Lockdowns Alternativen gefragt. Zwei mögliche Alternativen sind Aerobic und Geist-Körperübungen wie z.B. Pilates.

Diese zeigten in einer Metaanalyse die besten Effekte bezüglich der Schmerzlinderung und der Funktionalität von Arthrose-Patienten, verglichen mit Kräftigungsübungen, Flexibilitäts- bzw. Geschicklichkeitsübungen oder gemischten Übungen [5]. “Da es wenig sinnvoll ist, Patienten mit Schmerzen zu mehr Bewegung animieren zu wollen, sollte zunächst eine zumindest weitgehende Schmerzfreiheit sichergestellt werden”, erklärte Predel. Als Mittel der Wahl gelten dafür NSAR.

Myokine

Über 400 verschiedene Myokine werden im Zellkern von quergestreiften Muskelzellen gebildet. Die Botenstoffe üben zahlreiche regulatorische Funktionen aus – allerdings nur, wenn die Muskeln intensiv arbeiten, also vor allem während des Krafttrainings.

Zu den gut erforschten Myokinen zählen etwa die Interleukine IL-6 und IL-8: IL-6 ist an der Insulin-induzierten Glukoseaufnahme beteiligt, wirkt sich positiv auf die Lipolyse und die Fettoxidation aus und hemmt die Produktion des Entzündungszytokins TNF-alpha. IL-8 beeinflusst den Energiestoffwechsel sowie die Bildung neuer Blutgefäße [6].

Interessant sind auch die Auswirkungen von Myokinen auf das Gehirn. Besonders relevant scheint hier das Myokin BDNF (brain-derived neurotrophic factor) zu sein. Denn es verbesserte die Lern- und Merkfähigkeit indem es Nervenzellen und Synapsen zum Wachstum anregt.

Zugleich schützt es vor Demenz und Depression. Nach nur 20 bis 40 Minuten Ausdauersport erhöht sich die BDNF-Konzentration um ein Drittel, während Inaktivität die Konzentration deutlich absinken lässt [7]. Als Schutz vor Osteoporose fungieren die beiden Myokine IGF-1 und IGF-2. Sie fördern die Neubildung von Knochen und erhöhen deren Dichte [8].

Literatur

  1. Repräsentative Befragung durch Forsa vom 11. bis 27. November 2020
  2. Poonpet T, Honsawek S. World J Orthop. 2014; 5(3): 319–327
  3. Predel H.-G, Tokarski W. Bundesgesundheitsblatt 2005; 48: 833-840
  4. Nieman DC, Pence BC. Journal of Sport and Health Science 2020; 9, (5): 432-445
  5. Goh SL et al. Sports Med. 2019; 49(5): 743-761
  6. Hollmann M. Physiopraxis 2017; 15(04): 38-39
  7. Schmolesky MT et al. J Sports Sci Med 2013; 12: 502-11.
  8. Perrini S et al. J Endocrinol 2010; 205(3): 201-210

Quelle: Virtueller Vortrag: “Bewegung im Home-Office – Bedeutung für den Patienten mit Arthrose” anlässlich des Deutschen Schmerz- und Palliativtags am 12.03.2021

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