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Debatte um Masern-Impfpflicht2.500 Euro Strafe für Impfgegner?

Um Masern-Infektionen einzudämmen, soll für Arztpraxen, Schulen und Co eine Impfpflicht kommen - Geldbußen inklusive. Die Debatte unter Ärzten und Politikern tobt. PLUS: Ein Überblick über die Stimmungslage in den Ländern.

Masern-Impfung: Wie können die Durchimpfungsraten erhöht werden?

Berlin. Wie können die Masern-Impfquoten erhöht und Infektionen so rigoros eingedämmt werden? In der aktuellen, teils hitzig geführten Debatte hat Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) die von ihm geplanten Geldbußen von bis zu 2.500 Euro verteidigt. Sanktionen bei der geplanten Masern-Impfpflicht in Kitas und Schulen sollen sich aber danach richten, wie schwer die Verstöße sind, machte der CDU-Politiker am Montag (6. Mai) in Berlin deutlich. “Wer hartnäckig und dauerhaft trotz mehrfacher Aufforderung einer Pflicht nicht nachkommt, der wird anders behandelt als jemand, der es einfach nur vergessen hat.” Insgesamt stieß der Vorschlag, den auch der Koalitionspartner SPD mitträgt, auf breite Unterstützung (siehe Übersicht unten) – auch bei Bundesärztekammer-Präsident Prof. Ulrich Montgomery. Zu möglichen Verfassungsproblemen wurden unterschiedliche Stimmen laut.

Bei einer Impfpflicht zum Gesundheitsschutz müsse es auch Sanktionen geben, erläuterte Spahn. “Das ist wie im Straßenverkehr.” Wenn man wegen zu schnellen Fahrens erwischt werde, sei ein Bußgeld zu zahlen. In den seltensten Fällen dürfte aber überhaupt ein Bußgeld verhängt werden, weil die allermeisten Menschen ihr Kind wahrscheinlich nach einer ersten Aufforderung doch impfen ließen. In anderen Fällen sei dann je nach Verhältnismäßigkeit vor Ort zu entscheiden.

Impfpflicht ab März 2020 für Schulen und Arztpraxen

Einem Entwurf des Ministeriums zufolge soll die Freiwilligkeit von Schutzimpfungen gegen Masern für bestimmte Gruppen aufgehoben werden, um “eine höhere Durchimpfungsrate” zu erreichen. Kommen soll eine Impfpflicht ab März 2020 für Kinder und das Personal in Kitas und Schulen, zudem für Beschäftigte in medizinischen Einrichtungen. Die Pflicht soll nur für Impfungen gegen Masern gelten, auch wenn es dafür derzeit nur Kombinationsimpfstoffe gibt, die meist zugleich gegen Mumps und Röteln immunisieren. Sind Kinder nicht gegen Masern geimpft, sollen sie vom Kita-Besuch ausgeschlossen werden können. Reicht bei Schulkindern der Impfstatus nicht aus, muss die Schule dies dem Gesundheitsamt melden, das dann Bußgelder veranlassen kann.

Zu konkreten Auswirkungen hat das Ministerium vorerst nur einige erste Schätzungen angestellt. Im ersten Jahr zu erwarten seien wohl 79.000 zusätzliche Impfungen bei Kita-Aufnahmen und 71.000 bei Einschulungen. Geimpft werden müssten zudem geschätzt 361.000 Kinder, die schon in Kitas sind. Zudem dürften 220.000 Menschen zu impfen sein, die in Schulen, Kitas und medizinischen Einrichtungen arbeiten, wie zuerst die “Bild”-Zeitung berichtete. Auf die gesetzlichen Kassen könnten 20 Millionen Euro Mehrausgaben zukommen.

„Mehr Hausärzte statt Impfpflicht“

Der Vorsitzende des Bayerischen Hausärzteverbandes, Dr. Markus Beier, sprach sich in der Debatte für mehr Aufklärung anstelle der geplanten Pflicht aus. „Vor allem wir Hausärzte, aber auch die Kinder- und Betriebsärzte leisten sehr viel Aufklärungsarbeit“, teilte er jüngst mit. Bei Kindern erreiche man in Bayern eine Impfquote von 92,9 Prozent. Bei den Erwachsenen indes sehe es schlechter aus: In Bayern seien nur 75,7 Prozent der Menschen ausreichend gegen Masern geimpft. In den Landkreisen Freyung-Grafenau und Bad Tölz/Wolfratshausen lägen die Impfquoten sogar nur bei rund 56 Prozent.

Dennoch spricht sich Beier gegen eine generelle Impfpflicht aus. „Damit würde die Politik nur den schwarzen Peter an uns Ärzte weiterschieben.“ Er fordert stattdessen: „Wir brauchen Hausärzte, die auch honorierte Zeit erhalten, um unsere Patienten aufklären zu können, und mehr soziale Verantwortung – keine generelle Impfpflicht. Das beste Mittel, um Impflücken zu schließen, sind deshalb die Hausarztverträge. Bei HZV-Patienten überprüft der Hausarzt regelmäßig den Impfstatus.“

Impfpflicht verfassungsrechtlich bedenklich?

Neben der generellen Frage, ob eine Impfpflicht der geeignete Weg sein kann, um die Quoten zu erhöhen, werden in der Debatte immer wieder auch Fragen der Verfassungskonformität laut. Der Göttinger Staatsrechtler Alexander Thiele sieht jedoch keine verfassungsrechtlichen Bedenken bei den Plänen von Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) für eine Masern-Impfpflicht. “Das ist natürlich ein Eingriff in das Recht auf körperliche Unversehrtheit”, sagte Thiele. Die entscheidende Frage sei, ob dieser Eingriff verfassungsrechtlich gerechtfertigt werden könne. “Aus meiner Sicht ist das möglich.” Eine solche Impfpflicht, die dem Gesetzentwurf zufolge für Kinder und bestimmte Berufsgruppen gelten soll, wäre nach Thieles Einschätzung nicht unverhältnismäßig. “Das gilt aus meiner Sicht auch für das vorgesehene Bußgeld in Höhe von bis zu 2500 Euro.”

1959 hatte das Bundesverwaltungsgericht entschieden, dass der Zwang zur Pockenschutzimpfung (siehe Kasten) mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Das könne man aber nicht pauschal auf jede Impfung beziehen, sagte Thiele. Eine Impfpflicht sei nur gerechtfertigt bei Krankheiten, die außerordentlich schwere Folgen haben. Spahn bringe die Impfpflicht nicht per Verordnung über das Infektionsschutzgesetz auf den Weg, sondern wähle ein Gesetz. “Er hat hier den demokratietheoretisch viel besseren Weg gewählt.”

Blick in die Länder

  • Baden-Württemberg: Die Pläne für eine Impflicht gegen Masern stoßen in der grün-schwarzen Landesregierung auf Zustimmung. Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) sagte, die Umsetzung müsse aber noch im Detail geklärt werden. “Denn nicht nur die Pflicht, sondern auch der Umgang mit Kindern ohne Impfschutz muss maßvoll und umsetzbar sein.” Zu dieser Frage erwarte sie noch weitere Vorschläge. Für 2019 wurden an das Landesgesundheitsamt Baden-Württemberg bislang 63 Masernfälle gemeldet. Im Gesamtjahr 2018 waren es 101 (2017: 62). Im Jahr 2015 wurden 133 Fälle registriert. Im Jahr 2017/18 betrug die Impfrate für die Erstimpfung 95,2 und für mindestens zwei Impfungen 89,7 Prozent.
  • Brandenburg: Das Brandenburger Gesundheitsministerium zeigt sich zurückhaltend und wartet auf den Bund. Obwohl der Brandenburger Landtag die rot-rote Landesregierung im April aufgefordert hatte, bis zu einer möglichen bundesrechtlichen Lösung die Rahmenbedingungen für eine Impfpflicht gegen Masern von Kita-Kindern in Brandenburg zu schaffen, warte man nun auf den entsprechenden Vorschlag von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU), hieß es aus dem Gesundheitsministerium. Ein Sprecher sagte am Montag (6. Mai): “Wenn es eine bundesweit einheitliche Regelung gibt, brauchen wir keine eigene Landesregelung mehr.” Er ergänzte: “Das wäre eine bessere Lösung, wenn es bundesweit einheitlich geregelt ist.”
  • Hessen: Gesundheitsminister Kai Klose sieht hohe verfassungsrechtliche Hürden für die bundesweite Einführung einer Impfpflicht. “Wir sind uns einig, dass wir die Impfquoten insgesamt erhöhen wollen und müssen”, sagte der Grünen-Politiker. Es gebe unterschiedliche Auffassungen darüber, was der beste Weg sei, um das Ziel zu erreichen. Offensichtlich sei der Bund überzeugt, die verfassungsrechtlichen Hürden nehmen zu können. Die hessische SPD hält Spahns Vorstoß für richtig und zielführend. Der Fraktionsvorsitzende Thorsten Schäfer-Gümbel sagte, er erwarte von der schwarz-grünen Landesregierung, dass sie den Gesetzentwurf im Bundesrat mittrage.
  • Hamburg: Für Gesundheitssenatorin Cornelia Prüfer-Storcks (SPD) geht der Gesetzentwurf zur Masern-Impfpflicht für Kinder und Beschäftigte sowie bestimmte Berufsgruppen in die richtige Richtung. “Ohne Sanktionen wird das nicht funktionieren”, teilte sie mit. “Da wir immer noch keine Immunisierung von 95 Prozent der Bevölkerung geschafft haben, ist es richtig, dass der Bundesgesetzgeber eine Impfpflicht gegen Masern bundeseinheitlich regeln will.”
  • Mecklenburg-Vorpommern: Trotz der vergleichsweise hohen Impfquote in Mecklenburg-Vorpommern hält Wirtschafts- und Gesundheitsminister Harry Glawe (CDU) eine bundesweite Impfpflicht für den richtigen Weg. Nach seinen Angaben sind Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg die einzigen Bundesländer, in denen die für die angestrebte Masern-Eliminierung erforderliche Quote von 95 Prozent bei der zweiten Masern-Impfung erreicht wird. Seit Jahren werde dafür aber auch intensiv geworben, unter anderem im Internet mit der Kampagne “MV impft”. Zudem böten die Gesundheitsämter in Impfsprechstunden die empfohlenen Impfungen an.
  • Niedersachsen: Gesundheitsministerin Carola Reimann (SPD) sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (6. Mai), eine Impfpflicht greife stark in das verfassungsrechtlich geschützte Selbstbestimmungsrecht ein. Sie löse nicht das Problem, “dass insbesondere für Jugendliche und Erwachsene eine Impflücke besteht”.
  • Sachsen: Gesundheitsministerin Barbara Klepsch (CDU), die Sächsische Landesärztekammer sowie die Fraktion der Linken im Landtag begrüßten den Vorschlag aus Berlin. Die angestrebte Impfpflicht beträfe zahlreiche Kinder und Erwachsene in Sachsen: Nach Angaben des Statistischen Landesamts besuchten im Vorjahr mehr als 318.000 Kinder Kindertagesstätten. Das Amt zählte außerdem mehr als 373.000 Schüler an allgemeinbildenden Schulen. Etwa 33.000 Erzieher und 34.000 Lehrkräfte sind laut Kultusministerium in Sachsen beschäftigt. Knapp 9.500 Ärzte arbeiten laut Statistischem Landesamt 2017 in sächsischen Krankenhäusern, etwa 43.700 weitere Angestellte zählen die Kliniken. Bereits 2006 habe sich die Sächsische Landesärztekammer für eine Impfpflicht gegen Masern ausgesprochen, sagte ihr Sprecher Knut Köhler am Montag (6. Mai).
  • Sachsen-Anhalt: Sozialministerin Petra Grimm-Benne (SPD) hat die Pläne von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) zur Masern-Impfpflicht begrüßt. Sie stimme einer bundesweit einheitlichen Regelung ausdrücklich zu, sagte Grimm-Benne in Magdeburg. In Sachsen-Anhalt seien vergleichsweise viele Menschen geimpft, betonte die Ministerin. Im Untersuchungsjahr 2017 habe die Quote bei 98,3 Prozent gelegen, bei der zweiten Impfung bei 94,1 Prozent. 2018 habe es in den Kitas lediglich einen Masernfall gegeben.
  • Schleswig-Holstein: Gesundheitsminister Heiner Garg unterstützt die Bestrebungen, mit einer Impfpflicht gegen die Ausbreitung von Masern vorzugehen. “Die Einführung einer Masern-Impfpflicht halte ich grundsätzlich für richtig”, sagte der FDP-Politiker. “Eine Masern-Impflicht ist eine konsequente Maßnahme, die Menschen in Zukunft besser vor Infektionen schützt.” Das Bußgeld sehe er jedoch kritisch, sagte Garg. Es werde sich dafür einsetzen, impfkritische Eltern von einem Arzt beraten zu lassen, bevor Geldstrafen verhängt werden.

Mit Material von dpa

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