ExperteninterviewCOPD: Symptome lindern, Exazerbation verhindern

Die medikamentöse Behandlung bei COPD sollte sich an den Beschwerden orientieren und vor akuten Exazerbationen schützen, denn jede dieser Verschlimmerungen beschleunigt den Verlust an Lungenfunktion, erklärt Prof. Adrian Gillissen, Reutlingen, im Gespräch mit Dr. med. Ulrich Scharmer. Er erläutert auch, wann bei COPD inhalative und systemische Kortikoide zum Einsatz kommen.

Woran orientiert man sich bei der Auswahl der inhalativen Bronchodilatatoren?

Gillissen: Die inhalativen Bronchodilatatoren sind nach wie vor die Basistherapie der COPD. Vom Wirkmechanismus her unterscheidet man Anticholinergika und Beta-2-Sympathomimetika. Die Vertreter dieser beiden Gruppen werden außerdem in kurz- und langwirksam eingeteilt. Die kurz wirksamen werden bei Bedarf angewendet, die lang wirksamen als Basistherapie.

Worin besteht der Vorteil, wenn man ein Anticholinergikum und ein Beta-2-Sympathomimetikum kombiniert? Lässt sich dadurch die Verträglichkeit erhöhen, etwa weil dann die Einzelsubstanzen niedriger dosiert werden können?

Aufgrund der unterschiedlichen Wirkmechanismen verbessern die Kombinationen die Lungenfunktion meistens stärker als die Einzelsubstanzen. Da die inhalativen Bronchodilatatoren allgemein sehr gut verträglich sind, bringt eine Kombination in Bezug auf die Reduktion eventeuller Nebenwirkungen allerdings keinen zusätzlichen Nutzen.

Für welche Wirkstoffe ist belegt, dass sie den jährlichen Verlust an Lungenfunktion verlangsamen können?

Die Zahlen dazu sind eher ernüchternd. Für einige Bronchodilatatoren – am besten untersucht ist das lang wirksame anticholinerge Tiotropiumbromid – lässt sich gegenüber Plazebo ein gewisser Vorteil beobachten. Der Nutzen ist insgesamt aber gering. Eine einzige Exazerbation kann den nur im zweistelligen Milliliter-Bereich liegenden FEV1-Vorteil schon zunichte machen.

Welche Rolle spielen Lungenfunktionswerte für die Steuerung der Therapie?

Die aktuelle GOLD-Leitlinie empfiehlt, die Therapie nicht an der Lungenfunktion auszurichten, sondern an den Symptomen und der Häufigkeit von Exazerbationen. Die Symptome lassen sich unter anderem gut mit dem validierten COPD Assessment Test (CAT) erfassen, der aus acht leicht verständlichen Fragen besteht und auch Aspekte der Lebensqualität abbildet. Die Patienten können den Fragebogen online (https://www.atemwegsliga.de/copd-assessment-test.html) ausfüllen und ausgedruckt in die Sprechstunde mitbringen. Oder man nutzt Vordrucke (Abb. 1), die die Patienten im Wartezimmer ausfüllen. Eine Punktesumme unter 10 bedeutet geringe Beschwerden.

Ferner sollte maximal eine akute Exazerbation pro Jahr auftreten, die sich zudem ambulant behandeln lässt. (siehe Abb. 2 zur Einteilung in die Gruppen A bis D nach GOLD).

Wann wird Roflumilast eingesetzt?

Der spezifische PDE-4-Hemmer ist zugelassen als zusätzliches Präparat, das heißt on top, wenn Anticholinergikum plus Beta-2-Sympathomimetikum nicht ausreichend wirksam sind und eine chronische Bronchitis besteht sowie häufig Exazerbationen auftreten. Problem sind die gastrointestinalen Nebenwirkungen, vor allem Übelkeit und Erbrechen. Es wird daher empfohlen, mit der subtherapeutischen Tagesdosis von 250 Mikrogramm zu beginnen und erst nach vier Wochen auf 500 Mikrogramm zu steigern.

Wann sind inhalative Kortikoide (ICS) indiziert?

ICS wirken nicht bronchodilatativ, sondern nur antientzündlich. Dadurch können sie die Exazerbationsrate verringern. GOLD empfiehlt ICS nur für Patienten mit Grad C oder D, also mindestens zwei Exazerbationen pro Jahr.

Wann kommt die Tripeltherapie aus langwirksamem Anticholinergikum, Beta-2-Sympathomimetikum und ICS infrage?

Ich würde sie nur Patienten mit häufigen Exazerbationen verordnen, das heißt mehr als eine schwere pro Jahr mit Krankenhausaufenthalt oder zwei oder mehr, die ambulant behandelt werden können. Ich sehe die Gefahr, dass man die Tripeltherapie in der Praxis gerne nach dem Motto “viel hilft viel” einsetzt. Der Zusatznutzen des ICS auf die Lebensqualität und die Exazerbationsrate ist aber eher gering. Meiner Erfahrung nach hat die Tripeltherapie ihren Stellenwert vor allem in der Gruppe D, in Ausnahmefällen auch in C.

Worin besteht die Therapie der akuten Exazerbation?

Man beginnt mit einer Kombination aus kurzwirksamen Bronchodilatatoren. Reicht der Effekt nicht aus, wird für fünf bis sieben Tage hochdosiert ein systemisches Kortikoid verabreicht, das heißt 50 mg Prednisolonäquivalent/Tag. Liegt eine infektbedingte Exazerbation mit eitrigem Auswurf vor, eventuell mit Fieber, oder besteht Verdacht auf eine zusätzliche Pneumonie, sollte man eine kalkulierte Antibiotikatherapie beginnen und Sputum für ein Antibiogramm gewinnen. Die Entscheidung für Antibiotika hängt unter anderem vom Alter des Patienten, der Schwere der Erkrankung und den Vorerkrankungen ab.

Welche Antibiotika sollen verordnet werden?

Der wahrscheinlichste Keim bei einer Exazerbation oder einer ambulant erworbenen Pneumonie ist Streptococcus pneumoniae, der sich sehr gut mit Amoxicillin beherrschen lässt. Dieses kann mit Clavulansäure kombiniert werden, wenn Risikofaktoren vorliegen wie Alter über 65 Jahre oder schwere Komorbidität. Als Alternative, etwa bei Betalaktamunverträglichkeit, würde man Levofloxacin oder Moxifloxacin einsetzen, in schweren Fällen, das heißt bei Zeichen einer Pneumonie, vielleicht zusätzlich noch ein Makrolid, vor allem wenn atypische Erreger eine Rolle spielen könnten.

Wann sollen Patienten mit akuter Exazerbation stationär eingewiesen werden?

Das hängt vom klinischen Gesamteindruck und der Hypoxie ab. Bestehen Tachypnoe und Tachykardie und liegt die mit einem Pulsoximeter bestimmte Sauerstoffsättigung unter 90 Prozent, sollte schnell ins Krankenhaus eingewiesen werden.

Welchen Stellenwert haben die nicht-medikamentösen Maßnahmen?

Ganz oben steht hier das Aufhören des Rauchens. Man sollte die Patienten dabei auf jeden Fall unterstützen, auch wenn die Rückfallquote hoch ist. Erfahrungsgemäß gelingt die Motivation besser, wenn es den Patienten sehr schlecht geht. Wichtig ist ferner, dass die Patienten sich mobilisieren und zum Beispiel an Lungensportgruppen teilnehmen. Das hat auch einen positiven Effekt auf die Lebensqualität. Großen Nutzen haben darüber hinaus Reha-Maßnahmen, auch schon bei mittelschwerer COPD. Eine stationäre Reha sollte unbedingt durch ambulante Maßnahmen fortgesetzt werden, um den erreichten Fortschritt zu erhalten.

Wie wichtig sind wiederholte Schulungen über die richtige Anwendung der Inhalationsgeräte?

Extrem wichtig, denn das beste Medikament wirkt nicht, wenn es seinen Zielort nicht erreicht. Die Deutsche Atemwegsliga stellt auf ihrer Homepage und auf Youtube Demonstrationsvideos zu allen verfügbaren Inhalern bereit. Ein Problem können in der Praxis Rabattverträge sein. Um einen Austausch gegen ein anders zu bedienendes Gerät zu verhindern, sollte das Kreuz bei Aut idem gesetzt werden. Auf jeden Fall muss bei einem Wechsel des Inhalers nachgeschult werden.

Vielen Dank für das Gespräch.

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