Hausarzt MedizinPneumokokken: Was der Hausarzt wissen sollte

Im Jahr 2016 hat die Ständige Impfkommission am Robert-Koch-Institut (STIKO) die Empfehlung für Pneumokokken-Impfungen bei Erwachsenen aktualisiert. Die überraschende Neuerung: Polysaccharide-Vakzine gelten wieder als Standardimpfung für ältere Patienten.

Pneumokokken stellen in Europa die Haupt-ursache für bakterielle Lungenentzündung, Meningitis und Mittelohrentzündung dar. Bei älteren Menschen spielt insbesondere die Pneumokokken-Pneumonie eine große Rolle – aufgrund der Todesfälle bzw. der häufig sehr lange dauernden Rekonvaleszenz. Invasive Pneumokokken-Erkrankungen (invasive pneumococcal disease, IPD) betreffen neben den Kindern ebenfalls vorwiegend ältere Menschen. Laut RKI traten im Jahr 2016 von insgesamt 1081 gemeldeten IPD-Fällen 750 bei Patienten im Alter von ≥ 60 Jahren auf.

Impfung gegen einen Teil der Pneumokokken-Serogruppen

“Wir impfen nicht gegen Pneumonie, sondern gegen einen Teil der 90 bekannten Pneumokokken-Serogruppen, worunter sich einige der relevanten, pathogenen Serogruppen befinden”, erklärte Prof. Jörg Schelling, München. Dafür stehen zwei Impfstoff-Typen zur Verfügung: die 23-valente Polysaccharid-Vakzine (PPSV23) sowie die 13-valente Pneumokokken-Konjugat-Vakzine (PCV13).

Beide Impfstoff-Gruppen decken einige Pneumokokken-Serotypen ab, allerdings enthält PPSV23 zusätzliche 11 Serotypen, die in PCV13 nicht vorkommen.

Demgegenüber hat der Konjugat-Impfstoff den Vorteil einer höheren Immunogenität, die dadurch entsteht, dass die Pneumokokken-Antigene (Polysaccharide der Kapsel) an ein Konjugat-Protein gekoppelt sind.

Zudem ist die Immunantwort des Konjugat-Impfstoffs – im Gegensatz zu Polysaccharid-Impfstoffen – T-Zell-abhängig und erzeugt ein immunologisches Gedächtnis. Da Kinder unter zwei Jahren kaum Immunogenität gegenüber dem Polysaccharid-Impfstoff zeigen, ist die Empfehlung hier eindeutig: Kinder erhalten ausschließlich den Konjugat-Impfstoff.

“Spontan könnte man vermuten, dass auch alle älteren Patienten PCV13 erhalten sollten. Das ist allerdings nicht der Fall”, erklärte Schelling.

Aktuelle STIKO-Empfehlung: Standardimpfung

Die STIKO hat es sich nicht einfach gemacht: Sie lieferte eine 35 Seiten umfassende Begründung für die im August 2016 veröffentlichte, aktualisierte Empfehlung. Darin enthalten ist zunächst eine eindeutige Aussage zur Standard-impfung: Hier empfiehlt die STIKO bei Erwachsenen ab 60 Jahren eine einmalige Gabe der 23-valenten Polysaccharid-Vakzine. Bei der Wiederholungsimpfung wird es dann etwas schwammiger: Aufgrund der “begrenzten Dauer des Impfschutzes” erachtet sie Wiederholungsimpfungen mit PPSV23 nach frühestens sechs Jahren “nach individueller Indikationsstellung” für sinnvoll. “Damit bleibt die Entscheidung darüber, wer die Wiederholungsimpfung nach sechs Jahren bekommt, letztlich den Hausärzten überlassen”, konstatierte Schelling.

Zu beachten ist laut STIKO, dass die Patienten “auf die stärkere Reaktogenität der Wiederholungsimpfung im Vergleich zur Erstimpfung, aber auch auf den möglichen Verlust des Impfschutzes nach unterbleibender Wiederholungsimpfung hinzuweisen” sind.

Cave: Indikationsimpfung mit unterschiedlichen Impfschemata

Neben der Standardimpfung rät die STIKO zur Indikationsimpfung – bei allen Personen mit bestimmten Risikofaktoren für schwere Pneumokokken-Erkrankungen, unabhängig von ihrem Alter. Darunter fallen Patienten mit chronischen Grunderkrankungen oder solche mit erhöhtem Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf.

Die Indikationsimpfung unterscheidet sich jedoch, je nachdem welcher Gruppe die Patienten angehören. Für Gruppe eins und drei wird eine sequenzielle Impfung empfohlen, mit einer Dosis PCV13 gefolgt von einer Dosis PPSV23 nach 6 bis 12 Monaten.

Gruppe eins umfasst Patienten mit angeborenen oder erworbenen Immundefekten bzw. Immunsuppression. Dazu zählen:

  • T-Zell-Defizienz bzw. gestörte T-Zell-Funktion sowie B-Zell- oder Antikörperdefizienz
  • Defizienz oder Funktionsstörung von myeloischen Zellen
  • Komplement- oder Properdindefi- zienz
  • funktioneller Hyposplenismus, Splenektomie oder anatomische Asplenie
  • neoplastische Krankheiten
  • HIV-Infektion
  • nach Knochenmarktransplantation
  • immunsuppressive Therapie etwa aufgrund von Organtransplantation oder Autoimmunerkrankung
  • Immundefizienz bei chronischem Nierenversagen, nephrotischem Syndrom oder chronischer Leberinsuffizienz

In Gruppe drei fallen Patienten mit anatomischer und Fremdkörper-assoziierten Risiken für Pneumokokken-Meningitis, wie etwa die Liquorfistel und das Cochlea-Implantat.

Für den Hausarzt ist Gruppe zwei mit “sonstigen chronischen Krankheiten” besonders interessant. Diese umfasst Patienten mit chronischen Krankheiten des Herzens oder der Atmungsorgane wie etwa Asthma, Lungenemphysem oder COPD. Zudem Patienten mit Stoffwechselkrankheiten, z. B. mit oralen Medikamenten oder mit Insulin behandelter Diabetes sowie neurologische Krankheiten wie Zerebralparesen oder Anfallsleiden. Hier hatte der Arzt bislang die Wahl zwischen den beiden Impfstofftypen – gemäß der neuen Empfehlung sollten jedoch Patienten ab 16 Jahren eine Impfung mit PPSV23 erhalten. “An eine Indikationsimpfung ist zu denken, wenn wir Tumorpatienten, Patienten mit rheumatischen Erkrankungen, Niereninsuffizienz oder chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen vor uns haben”, resümierte Schelling. Der Hausarzt plädierte eindringlich für die Pneumokokken-Impfung, denn: “Wenn wir nicht impfen, macht es vermutlich keiner!”

Rationale für die Empfehlung

Den aktuellen Impfempfehlungen liegen unter anderem folgende Beobachtungen zugrunde: Die in PCV13 enthaltenen Serogruppen sind als Verursacher der Pneumokokken-Erkrankungen stark zurück gegangen, während andere Serogruppen gleich blieben bzw. leicht anstiegen. Bei den ≥ 60-Jährigen wurde 2015 und 2016 die Mehrzahl der IPD-Fälle durch PPSV23-Serotypen verursacht. PPSV23 besitzt eine breitere Serotypenabdeckung, wodurch mit der Impfung deutlich mehr Fälle von IPD und Pneumokokken-Pneumonie verhindert werden können, als mit PVC13. Die STIKO empfiehlt daher PPSV23 als Standardimpfstoff bei ≥ 60-Jährigen.

Quelle: 5. Forum: “Die Hausarztpraxis im Fokus, München Veranstalter: MSD Sharp & Dohme GmbH

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