Hausarzt MedizinParkinson: Nicht nur die Motorik zählt

Die Deutsche Gesellschaft für Neurologie hat kürzlich neue, vollständig überarbeitete Parkinson-Leitlinien publiziert. Damit liegt nun ein umfangreiches Werk mit praxisorientierten Empfehlungen zur Diagnose und Therapie dieser Erkrankung vor. Was ist für den Hausarzt relevant?

Der Beginn der Parkinson-Erkrankung verläuft schleichend und unauffällig, die Symptome sind vielfältig. Das macht die Diagnose nicht einfach. Wichtig ist, bei Parkinson-typischen Bewegungsstörungen an diese Erkrankung zu denken. Ein charakteristisches, für die Diagnose wegweisendes Symptom ist die Akinese, die sich durch eine Verlangsamung der Bewegungsgeschwindigkeit, eine gestörte Bewegungsinitiation, Bewegungsblockaden, geringere Bewegungsamplituden und verminderte Spontanbewegungen äußert.

Das Gangbild wird kleinschrittig, die Sprache hypophon, außerdem zeigen die Patienten weniger Mimik und sie schlucken seltener. Kommt mindestens eines der Kardinalsymptome Rigor, Ruhetremor und posturale Instabilität hinzu, liegt der Verdacht auf eine Parkinson-Erkrankung nahe (Tab. 1). Auch Begleitsymptome können wichtige Hinweise liefern (Tab. 1). Bei vielen Patienten macht sich z. B. relativ früh im Krankheitsverlauf ein Riechverlust bemerkbar.

Für die Diagnose des idiopathischen Parkinson-Syndroms sind letztendlich eine umfassende neurologische Anamnese und Untersuchung erforderlich. Jeder Patient, bei dem eine Parkinson-Erkrankung vermutet wird, sollte an einen Spezialisten mit Expertise in der klinischen Differenzialdiagnose von Parkinson-Syndromen überwiesen werden, so die Empfehlung der neuen Leitlinie. Der Spezialist sollte ein Neurologe sein, der langjährige Erfahrung in der Betreuung von Parkinson-Patienten vorweisen kann. Die Überweisung sollte möglichst schnell erfolgen, und noch bevor eine Parkinson-Medikation verordnet wird, denn diese kann Symptome unterdrücken und damit die Beurteilung der Erstsymptomatik erschweren.

Der Neurologe wird neben der klinischen Untersuchung bei Bedarf, z. B. zum Ausschluss symptomatischer Ursachen, bildgebende Zusatzuntersuchungen wie eine kraniale Computertomografie oder eine kraniale Magnetresonanztomografie veranlassen, um so früh wie möglich eine korrekte Diagnose stellen zu können.

Auch den Experten wird empfohlen, die Diagnose in regelmäßigen Abständen zu überprüfen, entsprechende Kontrollen sollten alle sechs bis zwölf Monate erfolgen. Nach Beginn einer medikamentösen Therapie und in späteren Stadien der Krankheit sollten Verlaufskontrollen alle zwei bis drei Monate stattfinden.

Individuelle Therapieziele

Für die Therapie des idiopathischen Parkinson-Syndroms gibt es in der Leitlinie eine klare Vorgabe: Sie sollte rechtzeitig, altersgerecht und effizient beginnen. Wichtig ist dabei nicht nur, die Symptome zu kontrollieren und Funktionsbeeinträchtigungen zu lindern. Je nach Alter, Erkrankungsdauer und sozialer Situation sind weitere Aspekte zu berücksichtigen (Tab. 2). "Das Ziel ist die Wiederherstellung, Erhaltung oder Förderung der Beweglichkeit, dabei aber auch häufig Schmerzfreiheit, Wohlbefinden, Partizipation und Selbstständigkeit", so Prof. Günther Deuschl, Kiel, der an der Entwicklung der neuen Leitlinien beteiligt war.

Um dies zu erreichen, sollten die Substanzklassen Dopaminagonisten, MAO-B-Hemmer und Levodopa individuell eingesetzt werden (Tab. 3). Die effektivste Therapie für das idiopathische Parkinson-Syndrom ist Levodopa, das die Verschlechterung der Symptome reduziert. Die Substanz soll in einer möglichst niedrigen, aber ausreichend wirksamen Dosis eingesetzt werden. Bei der Auswahl eines geeigneten Medikaments müssen aber grundsätzlich die unterschiedlichen Wirkungen und Nebenwirkungen berücksichtigt werden, darüber hinaus das Alter des Patienten, Komorbiditäten und das psychosoziale Anforderungsprofil.

Alter berücksichtigen

Neu in die Leitlinien aufgenommen wurde die Empfehlung, bei der Auswahl der Medikamente die steigende Lebenserwartung der Patienten stärker zu berücksichtigen. Denn bei fast allen Parkinson-Patienten treten nach zehn Jahren Levodopa-Therapie motorische Fluktuationen und Dyskinesien auf. Deshalb "sind bei jüngeren Patienten die Vor- und Nachteile der jeweiligen initialen Therapie zu erörtern und gegeneinander abzuwägen", so Prof. Wolfgang Oertel, Marburg.

Bei älteren Parkinson-Patienten mit Einschränkungen der kognitiven Leistungsfähigkeit besteht dagegen ein erhöhtes Risiko, dass sie unter Dopaminagonisten Halluzinationen und psychotische Zustände entwickeln. Darum sollten diese Patienten keine Dopaminagonisten erhalten. "Generell empfiehlt sich bei älteren Patienten, Levodopa-Präparate als medikamentöse Kerntherapie zu verwenden", so Oertel. Neu steht als add on -Therapie zu Levodopa nun Safinamid zur Verfügung.

Therapien im fortgeschrittenen Stadium

Subkutane Apomorphin-Injektionen können zusätzlich zur oralen Therapie eingesetzt werden, um die OFF-Dauer und Dyskinesien bei Patienten mit schweren motorischen Komplikationen zu bessern. Auch für die Pumpenbehandlung mit der intrajejunalen Levodopa/Carbidopa-Infusion liegen mittlerweile Daten vor, die eine gute Wirksamkeit belegen. Invasive Therapien wie die tiefe Hirnstimulation können bei fortgeschrittener Parkinson-Erkrankung und motorischen Komplikationen zum Einsatz kommen, allerdings nur bei ausgewählten Patienten.

Physiotherapie, Logopädie und Ergotherapie

Eine Empfehlung der höchsten Evidenzstufe erhält in der neuen Leitlinie in allen Phasen der Erkrankung die Physiotherapie mit Schwerpunkten wie Gangtraining, Gleichgewichtsübungen, Kraft- und Dehnungsübungen sowie Sturzprävention. Dabei kann der Therapeut inzwischen auf ein breites Spektrum an klinisch geprüften Techniken zurückgreifen und ein den Bedürfnissen, Interessen und Präferenzen des Betroffenen angepasstes Programm auswählen. Dabei geht es nicht nur um die motorischen Probleme, sondern auch darum, die allgemeine körperliche Fitness und Alltagskompetenz zu erhalten und zu fördern.

Auch auf die Behandlung von Sprechstörungen, die bei etwa 70 bis 80 Prozent der Parkinson-Patienten im Krankheitsverlauf auftreten, wird Wert gelegt. Für die betroffenen Patienten eignet sich eine logopädische Sprechtherapie, die allerdings nur eine vorübergehende Wirkung zeigt. Aber auch bei Schluckstörungen kann die Logopädie helfen.

Patienten, die in ihrer Handlungsfähigkeit eingeschränkt oder von Einschränkungen bedroht sind, sollte eine Ergotherapie angeboten werden. Ziel ist, sie bei Tätigkeiten zur Selbstversorgung, im Berufsleben und in der Freizeit zu stärken.

Auch Depressionen behandeln

Parkinson-Patienten leiden häufig auch unter psychiatrischen Symptomen, z.B. Depressionen. In den Leitlinien werden zur Behandlung von Depressionen bei Parkinson-Patienten trizyklische Antidepressiva sowie selektive Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer (SSRI) und Venlafaxin empfohlen. Darüber hinaus kann eine Psychotherapie sinnvoll sein.

Aufklärung und Beratung

Das idiopathische Parkinson-Syndrom hat einschneidende Auswirkungen auf die Lebenssituation, ist aber nach wie vor nicht heilbar. Das bedeutet, dass die Patienten selbst und auch ihr soziales Umfeld zunehmend mit dem Fortschreiten der Erkrankung konfrontiert sind. Aus diesem Grund ist es besonders wichtig, dass der Patient und seine Angehörigen Informationen über die Erkrankung und die Therapiemöglichkeiten erhalten.

Es hat sich gezeigt, dass Aufklärung und Beratung die Stimmung und die Lebensqualität der Betroffenen positiv beeinflussen und den Belastungsgrad der Pflegeperson reduzieren können. Zudem werden die Patienten heute viel stärker als früher in die Behandlung mit eingebunden. Daher sollten sie dazu in der Lage sein, an Entscheidungen und Beurteilungen ihrer Behandlung mitzuwirken.

In den Leitlinien wird empfohlen, dass Patienten und Bezugspersonen ein strukturiertes Schulungsprogramm durchlaufen. Außerdem sollten die Patienten in allen Phasen der Erkrankung die Möglichkeit haben, sich in psychosozialer und sozialrechtlicher Hinsicht beraten zu lassen.

Genetische Aspekte

Immer wieder fragen Patienten, ob Parkinson vererbt werden kann. Diese Frage stellt sich vor allem bei frühem Manifestationsalter oder familiärer Häufung der Erkrankung. Auch dazu hält die Leitlinie eine Empfehlung bereit: Auf Wunsch des Patienten kann eine genetische Beratung angeboten werden, wenn mindestens zwei Verwandte ersten Grades ein Parkinson-Syndrom aufweisen oder wenn bei einem isoliert erscheinenden Parkinson-Syndrom eine Krankheitsmanifestation vor dem 45. Lebensjahr nachweisbar ist. Bei Verdacht auf eine monogene Ätiologie können Gentests durchgeführt werden, mit denen Marker für seltene, monogen erbliche Parkinson-Unterformen untersucht werden.

Quellen: Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN): S3-Leitlinie Idiopathisches Parkinson-Syndrom, April 2016; Pressetext der Deutschen Gesellschaft für Neurologie

Tab. 1: Parkinson-Symptome

Kardinalsymptome

  • Akinese

  • Rigor

  • Ruhetremor

  • Posturale Instabilität

Mögliche Begleitsymptome

  • Sensorische Symptome (Dysästhesien, Schmerzen, Hyposmie)

  • Vegetative Symptome (Störungen von Blutdruck und/oder Temperaturregulation, Blasen- und Darmfunktion sowie sexuelle Funktionen)

  • Psychische Symptome (vor allem Depression), Schlafstörungen

  • Kognitive Symptome (frontale Störungen, in fortgeschrittenen Demenz-Stadien)

Tab. 2: Ziele der Parkinson-Therapie

  • Therapie von motorischen und/oder autonomen Störungen

  • Therapie von Verhaltens- und psychologischen Symptomen

  • Erhaltung der Selbstständigkeit in den Aktivitäten des täglichen Lebens, in Familie und Gesellschaft (soziale Kompetenz)

  • Erhaltung der Berufsfähigkeit

  • Erhaltung/Steigerung der Lebensqualität

  • Verhinderung/Verminderung von Pflegebedürftigkeit

  • Vermeidung/Behandlung von Begleiterkrankungen und Komplikationen

  • Vermeidung von dopaminergen Nebenwirkungen

Tab. 3: Medikamentöse Therapie

  • Levodopa (in Kombination mit einem Decarboxylasehemmer)

  • Dopaminagonisten (Non- Ergot: Piribedil, Pramipexol, Ropinirol, Rotigotin; Ergot: Bromocriptin, Cabergolin, Dihydroergocriptin, Lisurid, Pergolid)

  • MAO-B-Hemmer (Selegilin, Rasagilin)

  • COMT-Inhibitoren (Entacapon, Tolcapon)

  • NMDA-Antagonisten (Amantadin, Budipin)

  • Anticholinergika

  • Dopaminerge/nicht dopaminerge Substanz (Safinamid)

  • Das idiopathische Parkinson-Syndrom ist definiert durch das Vorliegen von Akinese und mindestens einem der Kardinalsymptome Rigor, Ruhetremor und posturale Instabilität.

  • Die Diagnose sollte von einem erfahrenen Neurologen gestellt werden.

  • Die Therapie des idiopathischen Parkinson-Syndroms sollte rechtzeitig, altersgerecht und effizient beginnen.

  • Die Therapie sollte nicht nur die motorischen Probleme angehen, sondern auch auf die Erhaltung der Selbstständigkeit und der Lebensqualität abzielen.

  • Die Patienten sollten in die Behandlung mit einbezogen werden und entsprechende Schulungsprogramme erhalten.

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