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Neue FallstudieUnklare Hepatitis bei Kindern: Auf Spurensuche

Eine kleine Fallserie wirft die Frage auf, ob die in letzter Zeit auffällig gewordenen Fälle von unklaren Hepatitiden bei Kindern eine Spätfolge einer Corona-Infektion sein könnten. Die Antwort bleibt allerdings offen.

Akute Hepatitis: Bei einigen der betroffenen Kinder wurden Lebertransplantationen nötig.

München. Mehrere hundert Kinder und Jugendliche weltweit sind an einer akuten Hepatitis unklarer Ätiologie erkrankt, bei denen die klassischen Hepatitis-Viren als Auslöser ausgeschlossen wurden. Die ersten Fälle wurden im April aus Großbritannien bekannt (“Der Hausarzt” berichtete). Mit Stand zum 9. Juni gibt die Europäische Gesundheitsbehörde ECDC für Europa 402 Erkrankungen an.

Soweit bekannt, mussten 87 Kinder und Jugendliche intensivmedizinisch versorgt werden, 17 Kinder erhielten eine Lebertransplantation. Die ECDC meldet einen Todesfall. Aus Deutschland gibt es laut Robert Koch-Institut bisher einen möglichen Fall (“Der Hausarzt” berichtete).

Eine kleine Fallstudie wirft nun erneut die Frage auf, ob eine Sars-CoV-2-Infektion hinter den akuten Hepatitiden als Ursache stecken könnte: Ein Forschungsteam beschreibt darin fünf Fälle von Leber- und Gallenschäden bei Kindern, die alle zuvor eine Sars-CoV-2-Infektion durchgemacht hatten.

„Long-Covid Leber-Manifestation“

Die Ergebnisse der retrospektiven Fallserie im Einzelnen: Bei zwei gesunden Säuglingen im Alter von drei und fünf Monaten kam es zu einem Leberversagen, infolgedessen eine Lebertransplantation nötig wurde. Die Leber-Explantate zeigten eine deutliche Inflammation, massive Nekrose und Wucherungen in den Gallenwegen, berichtet das israelische Forschungsteam.

Die drei weiteren Kinder, zwei im Alter von acht Jahren und ein Kind im Alter von 13 Jahren, wiesen eine Hepatitis mit Cholestase auf. Bei zwei dieser Kinder wurde eine Leberbiopsie durchgeführt, die eine Inflammation der Pfortader und des Leberparenchyms ergab sowie ebenfalls Wucherungen in den Gallengängen.

Alle fünf Kinder hatten zuvor eine asymptomatische oder mild verlaufende Sars-CoV-2-Infektion durchgemacht. Bei vier der untersuchten Kinder betrug die mittlere Zeit von der Covid-19-Diagnose bis zur Feststellung von Schäden der Gallengänge 74,5 Tage, wobei die Zeitspanne sehr breit war: 21 bis 130 Tage. Beim fünften Kind war die Datenlage hierzu unzureichend. Untersuchungen auf weitere infektiöse und metabolische Ursachen für die Leberschäden blieben der Studie zufolge ergebnislos.

Die Forscherinnen und Forscher vermuten daher, die Leber- und Gallenschäden könnten ähnlich wie das multisystemische Entzündungssyndrom (MIS-C) eine seltene Langzeitfolge einer Sars-CoV-2-Infektion bei Kindern sein und schlagen daher den Begriff einer „Long-Covid Leber-Manifestation“ vor.

“Sars-CoV-2-Beteiligung weder bewiesen noch ausgeschlossen”

Professorin Sandra Ciesek vom Universitätsklinikum Frankfurt hält das allerdings für irreführend. Eine Beteiligung von Sars-CoV-2 sei weiterhin weder bewiesen noch ausgeschlossen, sagte Ciesek dem „Science Media Center“. Das machte die Virologin anhand mehrerer Punkte klar:

Zunächst handle es sich um eine retrospektive, sehr kleine Fallserie mit nur fünf Kindern. Die Patientengruppe sei zudem sehr heterogen: „Ein junger Säugling im Alter von drei Monaten sowie ein Kind im Alter von 13 Jahren werden hier gemeinsam präsentiert, obwohl in diesen Altersgruppen sehr unterschiedliche Aspekte und mögliche Ursachen berücksichtigt werden müssen“, meinte Ciesek.

Auch der klinische Verlauf der Erkrankung sei bei den Kindern uneinheitlich gewesen. „Während die beiden jüngeren Kinder (drei und fünf Monate) eine Lebertransplantation benötigten, wurden die drei älteren Kinder mit Steroiden behandelt. Bei den älteren Kindern (acht beziehungsweise 13 Jahre) sind auch die zeitlichen Verläufe äußerst variabel: Während ein Kind erst mehr als vier Monate nach der Sars-CoV-2-Infektion eine unklare Hepatitis entwickelte, trat bei dem 13-Jährigen die Hepatitis zum Zeitpunkt der Sars-CoV-2-Infektion selbst auf.“

Somit unterschieden sich auch die möglichen Pathomechanismen in diesen Fällen stark, betonte die Virologin und wies darauf hin,  dass immer wieder, auch bei Kindern, eine unklare Hepatitis oder ein unklares akutes Leberversagen auftritt, ohne dass sich eine Ursache finden lässt.

Mängel sieht Ciesek zudem in der Aufarbeitung der Fälle: „Bei den beiden Säuglingen wurden IgG-Antikörper gegen Sars-CoV-2 nachgewiesen. In diesem Alter kann der Nachweis sowohl durch eine Infektion des Säuglings als auch durch eine Infektion oder Impfung der Mutter erklärbar sein.“ Angaben über den Infektions- und Impfstatus der Mutter gebe es aber nicht, es sei daher anhand der Beschreibung in dieser Fallstudie nicht klar, ob die beiden Säuglinge überhaupt eine Sars-CoV-2-Infektion durchgemacht hätten.

Außerdem sei die erweiterte virologische Testung ebenfalls nicht einheitlich und zum Teil unvollständig. Bei keinem der Kinder sei eine akute Hepatitis-E-Virusinfektion ausgeschlossen worden. „Die Studie hilft meines Erachtens bei der Ursachenfindung nicht entscheidend weiter. Eine Beteiligung von Sars-CoV-2 ist weiterhin weder bewiesen noch ausgeschlossen“, resümierte Ciesek.

Spielen Adenoviren eine Rolle?

Professor Bertram Bengsch vom Universitätsklinikum Freiburg weist darauf hin, dass Sars-CoV-2 grundsätzlich die Leber infizieren kann. „Allerdings ist das Phänomen einer postinfektiösen Hepatitis oder Begleithepatitis im zeitlichen Abstand zur Infektion möglicherweise eher auch Ausdruck eines Einwanderns von aktivierten Immunzellen in die Leber, die dort eine unspezifische Entzündung vermitteln können. Eine solche Bystander-Hepatitis ist zum Beispiel für die Influenzainfektion in Tiermodellen beschrieben.“

In Summe hält Bengsch einen Zusammenhang der Hepatitis mit der vorangegangenen Covid-19-Erkrankung in der Fallserie im Gegensatz zu Ciesek aber für plausibel.

In der Gesamtschau bleibt die Ursache der akuten Hepatitiden bei Kindern damit weiter unklar. Neben Sars-CoV-2 könnte auch eine (Ko-)Infektion mit einem Adenovirus eine Rolle spielen, eine solche wurde bei vielen, nicht aber bei allen Kindern nachgewiesen.

Auch welches Adenovirus genau in Frage kommen könnte, ist ungewiss: Bei Genomsequenzierungen wurde bei einigen Kindern ein Adenovirus vom Untertyp F 41 detektiert. Dieser wurde bisher nicht mit Hepatitiden in Verbindung gebracht, kann aber Symptome wie Diarrhö auslösen. Bei anderen Kindern wurden AAV-2-Viren nachgewiesen.

Längst liegen nicht alle Ergebnisse der Genomsequenzierungen vor, auch ein bisher unbekanntes Adenovirus könnte als Ursache daher in Frage kommen. Auch Nachforschungen zu möglichen anderen Ursache (Lebensmittelintoxikation, Umwelteinflüsse) laufen noch. Die Spurensuche geht also weiter.

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