In Deutschland gibt es derzeit schätzungsweise 1,4 Millionen Demenzkranke, Tendenz stark steigend. Das Risiko für eine demenzielle Erkrankung liegt für Frauen ab 90 Jahren bei rund 45 Prozent, für Männer bei knapp 30 Prozent.
Die häufigste Form ist die Alzheimer-Demenz (AD) mit etwa 60 – 65 Prozent, gefolgt von der vaskulären Demenz (VD) mit 25 – 33 Prozent. VD wurde früher salopp als “Verkalkung” bezeichnet. Tatsächlich führen – bei der häufigsten Variante der VD – Verdickungen der Blutgefäßwände zu Durchblutungsstörungen und kleinen Infarkten bzw. einem Absterben der Nervenzellen. Bei der selteneren Multi-Infarkt-Demenz wird das Gehirn durch viele kleine Schlaganfälle geschädigt. Je nach Ursache verläuft die VD unterschiedlich. Die Multi-Infarkt-Demenz setzt meist abrupt ein und verschlechtert sich stufenweise, andere Formen ähneln dem Verlauf der AD mit schleichendem Beginn und langsamem Fortschreiten.
Gleiches gilt für die Symptomatik. Manche Symptome gleichen der AD wie etwa Orientierungsstörungen oder Sprachprobleme. Zusätzlich können jedoch – abhängig von der Lokalisation des Schlaganfalls – Stimmungsschwankungen, Lähmungen oder Taubheitsgefühle hinzukommen. Mischformen aus AD und VD erschweren die Unterscheidung. Als Risikofaktoren der VD gelten z.B. Bluthochdruck, Diabetes mellitus, hoher Cholesterinspiegel, Herzerkrankungen, Übergewicht, Bewegungsmangel und Rauchen. Weitere, eher seltene Demenz-Formen sind die Levi-Körper-Demenz (LBD) bzw. die Parkinson-assoziierte Demenz sowie die Frontotemporale lobäre Degeneration (FTLD). Bei Letzterer fällt zuerst eine deutliche Persönlichkeitsveränderung auf, welche der kognitiven Beeinträchtigung einige Zeit vorausgeht.
Zur Abklärung einer Demenz dienen neben der Fremd- und Eigen-Anamnese auch die körperliche Untersuchung sowie Laborbefunde. Priv.-Doz. Dr. Jens Benninghoff vom kbo-Isar-Amper-Klinikum München-Ost verwies darauf, dass auch eine Schilddrüsenunterfunktion mit einer kognitiven Einschränkung einhergehen kann. Als erste Tests können der Mini-Mental-Status-Test oder der Uhren-Test herangezogen werden. Eine weiterführende Diagnostik sollte in einer Gedächtnisambulanz erfolgen.
Begleitsymptome lindern
“Wir können unseren Demenz-Patienten keine ursächliche Therapie anbieten”, erklärte Benninghoff. Und dies trotz jahrelanger Forschung insbesondere zur Alzheimer-Demenz. Diese stellt man sich inzwischen als ‚Kontinuum-Erkrankung‘ vor, die über eine längere Zeit fortschreitet, bevor die ersten Symptome auftreten. Obwohl einige Biomarker wie β-Amyloide oder das Tau-Protein bekannt sind, lässt sich die ablaufende Kaskade nicht aufhalten. Daher rät Benninghoff von einer präsymptomatischen Diagnose ab, die womöglich die Lebensqualität beeinträchtigt, aber keinen Benefit für den Patienten bringt.
Im Rahmen einer ambulanten Therapie kann dennoch ein therapeutischer Gewinn erzielt werden. So ist es mit verschiedenen nicht-medikamentösen Maßnahmen möglich, unangenehme Begleitsymptome wie innere Unruhe, aggressives Verhalten oder psychotisches Erleben zu verbessern. Dazu zählt beispielsweise (klassische) Musik, die in einer Untersuchung Angst reduzierte und das autobiographische Gedächtnis verbesserte. Wie Benninghoff berichtete, wird auch gemeinsames Singen von Betroffenen und ihren Angehörigen sehr gerne angenommen. Eine Lichttherapie mit 2500-8000 Lux vermindert den Tagesschlaf und kann Verhaltensauffälligkeiten lindern. Positive Effekte werden insbesondere der körperlichen Aktivität zugeschrieben. Sie bessert die Stimmung, das Gedächtnis sowie die innere Unruhe der Demenzkranken. In einer Studie erreichte man mit vier 20-minütigen Übungseinheiten an drei Tagen pro Woche eine Verbesserung der neuropsychiatrischen Symptome wie emotionaler und psychomotorischer Agitation und Aggression. “Körperliche Aktivität ist auch der Lebensqualität zuträglich und verhilft zu besserem Schlaf”, ergänzte Benninghoff.
Ansätze zur Prävention
“Es ist eine Illusion zu glauben, die Demenz als solche wäre behandelbar, bestenfalls lassen sich einzelne Effekte eindämmen”, erklärte Prof. Hans Förstl, Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der TU München. Dagegen spreche viel dafür, dass sich die Demenz hinauszögern lasse, indem man die Risikofaktoren eindämmt. Ein wichtiger Ansatzpunkt ist die Altersdepression, die sich nicht immer ein- deutig von einer beginnenden Demenz unterscheidet. Charakteristisch ist ein gehemmtes, langsames, jedoch nicht verwirrtes Denken. Zudem klagen Depressive darüber, nichts mehr zu können oder zu erinnern, während Demente ihre Defizite bagatellisieren bzw. verleugnen. Eine frühzeitige Diagnosestellung und die leitliniengerechte Behandlung der Depression hilft, einer Demenz vorzubeugen.
Große Bedeutung kommt auch dem gesunden Schlafen zu, da während des Schlafens mehr schädliche β-Amyloide abgebaut werden als im Wachzustand. “Guter Schlaf ist die wahre Prophylaxe, allerdings nur, wenn keine Beruhigungsmittel oder Alkohol genommen werden”, betonte Förstl. Denn im Schlaf entgiftet das gehirneigene Lymphsystem – das glymphatische System – das Gehirn, indem es toxische Stoffwechselprodukte abtransportiert. Förstl verwies auf Untersuchungen, wonach eine seitliche Schlafposition den Entgiftungsprozess begünstigt.
Als weitere Risikofaktoren gelten schlecht eingestellter Diabetes, Hypertonie, Adipositas, Bewegungsmangel und Rauchen. “Je besser wir diese Risiken in den Griff bekommen, desto effektiver reduzieren wir das Demenzrisiko”, resümierte Förstl.
Quelle: Veranstaltung “Seelische Gesundheit im Alter” in München, Veranstalter: kbo Kliniken des Bezirks Oberbayern