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Serie "EKG in der Hausarztpraxis"Jung und schwer krank

Brustschmerzen und ST-Hebungen: Nicht immer ist ein Herzinfarkt schuld, wie der Fallbericht eines 23-jährigen Mannes ohne bekannte Vorerkrankungen zeigt.

Patienten mit einer akuten Herzmuskelentzündung können sich mit einem sehr variablen klinischen Bild präsentieren.

Ein 23-jähriger Patient kommt am Morgen gleich zu Sprechstundenbeginn in Ihre Praxis. Der junge Mann macht einen kranken Eindruck, nur mit Mühe und langsam bewegt er sich zur Untersuchungsliege.

Er berichtet über seit circa zwei Tagen bestehendes Fieber bis 39 Grad Celsius sowie eine ausgeprägte allgemeine Schwäche. In der vergangenen Nacht sei es außerdem aus der Ruhe heraus zu einer kurzen Episode mit starken, stechenden linksthorakalen Schmerzen gekommen. Diese hätten nach etwa zehn Minuten von alleine sistiert und seien seitdem auch nicht wieder aufgetreten.

Vorerkrankungen sind keine bekannt, Erkältungssymptome sowie Übelkeit, Erbrechen und Durchfall werden verneint. Er ist dreifach gegen Sars-CoV-2 geimpft (letztmalig vor einem halben Jahr) und hat zu Beginn der Pandemie eine leichte Corona-Infektion mit ambulantem Verlauf durchgemacht. Aufgrund der berichteten linksthorakalen Schmerzen nehmen Sie ein Troponin und eine CK ab und schreiben ein EKG (siehe Abbildung 1 unten).

EKG-Analyse

Wir sehen einen normofrequenten Sinusrhythmus (Herzfrequenz 81/min) mit einem Steillagetyp. Der QRS-Komplex ist schmal (88 ms), die PQ-Zeit (170 ms) sowie die QTc-Zeit (432 ms) sind normal. Sofort ins Auge springen die angedeuteten ST-Strecken-Hebungen in V4-6 (laut internationaler Definition des Myokardinfarkts noch keine Signifikanz) sowie die eindeutigen Hebungen in II und aVF.

Die ST-Hebungen in V4 kommen aus der (nicht besonders tiefen) S-Zacke und knicken recht scharf am J-Punkt ab. Eine solche Morphologie kann ein Hinweis auf eine entzündliche Genese, also eine (Peri-)Myokarditis sein.

Wie ging es weiter?

Aufgrund des EKG-Befunds alarmieren Sie den Rettungsdienst, der Patient wird in Notarztbegleitung in die nächste kardiologische Abteilung mit Herzkathetermessplatz gebracht. Das Troponin ist deutlich erhöht, ebenso die CK mit einem CK-MB-Anteil von 9 Prozent.

Der Patient hat weiterhin keine akuten thorakalen Schmerzen. Die Vortestwahrscheinlichkeit für eine stenosierende KHK ist sehr gering, die Anamnese passt auch nicht zu einer Koronardissektion, sondern insgesamt hervorragend zu einer entzündlichen Genese.

Da eine Koronarpathologie dennoch ausgeschlossen werden muss, entscheidet sich das Klinikteam für die Durchführung einer Koronar-CT. Hier finden sich wie erwartet unauffällige Herzkranzgefäße. Echokardiografisch ist die systolische Linksventrikelfunktion mittelgradig reduziert.

In der ergänzenden Herz-MRT findet sich ein ausgeprägtes myokardiales Ödem sowie ein geringes mittmyokardiales Late Gadolinium Enhancement und somit in Summe das typische Bild einer akuten Myokarditis.

Eine Herzinsuffizienztherapie wird etabliert, dem Patienten wird körperliche Schonung verordnet. In seriellen Echokardiografien bessert sich die systolische Linksventrikelfunktion über die kommenden Monate. In einer Verlaufs-Herz-MRT bleibt das geringe Late Gadolinium Enhancement, das myokardiale Ödem ist komplett rückläufig. Das Befinden des Patienten bessert sich langsam, aber deutlich.

Variable Klinik

Patienteninnen und Patienten mit einer akuten Herzmuskelentzündung können sich mit einem sehr variablen klinischen Bild präsentieren. Das Spektrum reicht von kurzzeitig bestehenden, leichten thorakalen Schmerzen bis hin zu lebensgefährlichen Arrhythmien und einem kardiogenen Schock.

In den meisten Fällen verläuft die Erkrankung milde mit einer guten Kurzzeit- und Langzeitprognose. Bis zu 20 Prozent der Patienten entwickeln allerdings eine chronisch-inflammatorische dilatative Kardiomyopathie: Die Myokarditis ist ursächlich für vier Prozent der Linksherzinsuffizienz-Fälle [1-3].

Somit sind das initiale Stellen der richtigen Diagnose, eine Risikostratifizierung, die allfällige Einleitung von therapeutischen Maßnahmen sowie Verlaufskontrollen essenziell im Management dieser Patienten.

EKG reicht nicht

Zwar ist das EKG die Basisdiagnostik bei allen Patienten mit Brustschmerzen, die EKG-Zeichen für eine Myokarditis sind allerdings weder besonders sensitiv noch spezifisch. Neben ST-Streckenveränderungen kann es zu AV-Blockierungen (vor allem bei kardialer Sarkoidose, Borreliose und Riesenzellmyokarditis) sowie Schenkelblockbildern kommen.

Zusätzlich zum EKG sind die Bestimmung der kardialen Ischämie-Marker sowie die transthorakale Echokardiografie essenziell. Sollte als Differenzialdiagnose eine stenosierende KHK infrage kommen, muss sie aufgrund ihrer Häufigkeit und der möglichen therapeutischen Konsequenz ausgeschlossen werden.

Dies kann je nach Vortestwahrscheinlichkeit und lokaler Verfügbarkeit per Herz-CT bzw. per Koronarangiografie erfolgen. Die Herz-MRT hat als ergänzende Methode einen hohen Stellenwert. Hier kann die Diagnose per Nachweis eines Ödems und/oder myokardialer Fibrose gesichert werden. Die Indikation für eine zusätzliche Myokardbiopsie muss im Einzelfall und mit strenger Nutzen-Risiko-Abwägung diskutiert werden [4, 5].

Eine immunsuppressive, antibiotische bzw. antivirale Therapie kann je nach Ursache der Myokarditis indiziert sein. Bei allen Myokarditis-Patienten mit reduzierter systolischer Linksventrikelfunktion wird eine Herzinsuffizienztherapie initiiert und für zumindest sechs Monate nach Normalisierung der Herzfunktion fortgesetzt. Körperliche Schonung (Vermeidung von intensiver körperlicher Anstrengung) wird für sechs Monate nach der kompletten Rekonvaleszenz empfohlen.

Literatur:

  1. Cooper LT. Myocarditis. N Engl J Med 2009, Apr 9;360(15):1526–38.
  2. Ammirati E et al. Clinical Presentation and Outcome in a Contemporary Cohort of Patients With Acute Myocarditis: Multicenter Lombardy Registry. Circulation, 2018 Sep 11;138(11):1088–1099.
  3. Cafori ALP et al. Current state of knowledge on aetiology, diagnosis, management, and therapy of myocarditis: a position statement of the European Society of Cardiology Working Group on Myocardial and Pericardial Diseases. European Heart Journal (2013) 34, 2636–2648.
  4. McDonagh TA et al. 2021 ESC Guidelines for the diagnosis and treatment of acute and chronic heart failure.
  5. Tschöpe C et al. Management of Myocarditis-Related Cardiomyopathy in Adults, Circulation Research, 2019;124:1568–1583.

Interessenkonflikte: Die Autoren sind Gründer und Geschäftsführer der Doctopia GmbH.

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