Hausarzt MedizinInteraktionen: 5 Mechanismen beachten

Gerade bei älteren, multimorbiden Patienten ist die Gefahr von Arzneimittelinteraktionen groß. Daher sollten beim Verschreiben von Medikamenten allgemeine Empfehlungen und fünf wichtige Mechanismen beachtet werden.

Kasuistik

Die 76-jährige Patientin S. M. erhält aufgrund einer rheumatoiden Arthritis mittlerer Aktivität, an der sie seit fünf Jahren erkrankt ist, und aufgrund einer Hypertonie Methotrexat (12,5 mg/Woche), Prednisolon (4 mg/Tag) und Enalapril (10 mg/Tag). Drei Tage nach einer antibiotisch behandelten Harnwegsinfektion entwickelt sie plötzlich Fieber in Höhe von 39,6 Grad Celsius und eine Stomatitis, ihr Allgemeinzustand verschlechtert sich zunehmend. Sie wird daraufhin in ein Krankenhaus aufgenommen, wo eine Niereninsuffizienz, eine Leukopenie und eine Agranulozytose festgestellt werden. Nach vier Tagen auf der Intensivstation verstirbt die Patientin an einem septischen Schock. Prof. Dr. Klaus Krüger, München, stellte diesen Fall vor, um die Risiken von Arzneimittelinteraktionen plastisch zu schildern.

Nach seinen Ausführungen hatte der Urologe die Harnwegsinfektion mit Cotrimoxazol (Sulfamethoxazol/Trimethoprim) behandelt und dabei nicht bedacht, dass es Interaktionen mit Metho-trexat geben kann, die die Ausscheidung von Methotrexat über die Niere beeinträchtigen. Daher sind die Wirkspiegel deutlich gestiegen, was eine schwere Knochenmarktoxizität zur Folge hatte. Der Harnwegsinfekt könnte die Nierenfunktion durch Exsikkose zusätzlich geschädigt haben, zudem hätte sich die Patientin in den Tagen zuvor bei der Tabletteneinnahme vertan und Methotrexat dadurch überdosiert, erklärte Krüger das unglückliche Zusammentreffen von mehreren Ursachen für den tödlichen Verlauf.

Zur Häufigkeit von Arzneimittelinteraktionen stellte er eine britische Auswertung der Daten von mehr als 54.500 stationär behandelten Patienten vor, nach der bei 4,5 Prozent potenziell wichtige Interaktionen und bei 0,9 Prozent nachgewiesene Interaktionen mit klinischer Relevanz aufgetreten waren. Mehr als 300 Patienten seien in dem Kalenderjahr der Auswertung mit großer Wahrscheinlichkeit an den Folgen einer Arzneimittelinteraktion verstorben, hob Krüger hervor.

Er stellte fünf wichtige Mechanismen von Arzneimittelinteraktionen vor: Die Konkurrenz bei der Resorption im Darm, bei der Verstoffwechslung in der Leber, bei der Ausscheidung in der Niere sowie bei der Wirkung am Wirkort (z. B. am Rezeptor) und funktionelle Interaktionen. Die Folge kann sowohl eine Verstärkung als auch eine Verringerung der erwünschten Wirkung eines Medikamentes oder auch die Verstärkung von unerwünschten Wirkungen der Medikamente mit zum Teil lebensbedrohlichen Konsequenzen sein.

Fünf wichtige Mechanismen

Die Resorption im Darm kann bei einigen Medikamenten durch eine gleichzeitige Nahrungszufuhr gesteigert (u. a. Carbamazepin, wenige Nicht-steroidale Antirheumatika (NSAR)) oder aber vermindert bzw. verzögert (u. a. D-Penicillamin, Eisen, Salicylate, Tuberkulostatika, Indometacin, Paracetamol) sein. Als Faustregel, um auf Nummer Sicher zu gehen, empfahl Krüger, den Patienten aufzufordern, Medikamente optimalerweise eine Stunde vor oder zwei bis drei Stunden nach einer Mahlzeit einzunehmen.

Viele Interaktionen sind zudem durch eine gemeinsame Verstoffwechslung gleichzeitig eingenommener Medikamente über das Cytochrom-P450-System der Leber möglich. Besonders problematisch seien Medikamente mit multiplen Interaktionen und geringer therapeutischer Breite, warnte Krüger. Bei ihnen liegen der optimale Wirkspiegel und der Spiegel, ab dem die Substanz toxisch wird, sehr eng beieinander. Gemäß Krüger trifft dies insbesondere auf Antiepileptika, orale Antikoagulanzien, orale Antidiabetika, Herzglykoside und Cyclosporin A zu. Auch eine Reihe von pflanzlichen Präparaten können Interaktionen über das Cytochrom-P450-System auslösen, etwa Johanniskraut, Gingko, Ginseng, Knoblauch oder Kava (Piper methysticum).

Für die Konkurrenz bei der renalen Ausscheidung ist Methotrexat – wie in dem Fall der Patientin eingangs erläutert – ein typisches Beispiel. Der Folsäure-Antagonist wird ausschließlich über die Niere ausgeschieden und kann daher bei Einschränkungen der Nierenfunktion oder Hemmung des aktiven Transports in die Niere durch Medikamente wie Cotrimoxazol bedrohlich kumulieren.

Als oft verkanntes Risiko bezüglich der Konkurrenz am Wirkstoff nannte Krüger die gleichzeitige Anwendung von Acetylsalicylsäure (ASS) in niedriger Dosierung und Ibuprofen: Wird Ibuprofen vor ASS eingenommen, kann die aggregationshemmende Wirkung von ASS beeinträchtigt sein. Das gleiche gelte für Naproxen und Indometacin. Eine Alternative stellt laut Krüger Diclofenac (mit Magenschutz) oder ein Coxib dar. Als weitere Kombination, die aus diesem Grund vermieden werden sollte, nannte er Azathioprin und Allopurinol bzw. Febuxostat. Hier sei bei Vorliegen einer behandlungsbedürftigen Hyperurikämie Benzbromaron eine Alternative, so Krüger.

Bei funktionellen Interaktionen verstärken sich schließlich Nebenwirkungen von Medikamenten, etwa bei gleichzeitiger Einnahme von zwei traditionellen NSAR bzw. bei Kombination von einem traditionellen NSAR mit einem Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer (SSRI), einem Kortikoid, einem Antikoagulanz oder einer nephrotoxischen Substanz.

Empfehlung für die Praxis

Die potenziellen Interaktionen von Medikamenten lassen sich den jeweiligen Fachinformationen entnehmen. Zudem erleichtern Websites oder spezielle Computerprogramme für die Praxis das Abschätzen von möglichen Risiken bei kombinierter Gabe von mehreren Medikamenten (s. Kasten). Ergänzend empfahl Krüger, vor Beginn jeder neuen Medikation alle eingenommen Pharmaka lückenlos zu erfassen – inklusive der pflanzlichen Mittel und der Selbstmedikation. Darüber hinaus sollte den Patienten eingeschärft werden, sich bei jedem neu verordneten und bei jedem selbst gekauften Medikament vorab an den Hausarzt zu wenden, um mit diesem zu klären, ob es Probleme mit Arzneimittelinteraktionen geben könnte.

Weiterführende Informationen zu Arzneimittelinteraktionen

Internet

  • www.drugs.com/drug_interactions.html

  • www.kardiolab.ch

Praxissoftware

  • www.gelbe-liste.de

  • www.ifap.de

  • www.rpdoc.de

  • www.eprax.de

Publikation

  • Cascorbi I: Arzneimittelinteraktionen. Dtsch Arztebl 2012; 109(33–34): 546–56

Für Patienten

  • www.apotheken-umschau.de/Arzneimittel-Check

*Quelle: Vortrag " Arzneimittelinteraktionen: Was ist relevant für die hausärztliche Praxis?" beim

  1. MSD-Forum "Die Hausarztpraxis im Fokus", 11.-12.3.2016, Berlin*
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