Hausärzte gefragtVirus-Hepatitis – ein Update

Für viele Hepatitisformen existieren effiziente Therapieformen, bei denen in den letzten Jahren große Fortschritte erzielt wurden. Allerdings gibt es durchaus diagnostische Defizite, die nur mit Hilfe des Hausarztes behoben werden können.

Es sind fünf “klassische” Hepatitis-Erreger bekannt: A, B, C, D und E (Tab. 1); bei weiteren Virusinfektionen kann es eine Begleithepatitis geben, z.B. bei EBV- und CMV-Infektionen. Chronische Verläufe der HCV-, HBV- und HDV-Infektion können zu Zirrhose und Leberkrebs führen und sind weltweit jährlich für eine Million Todesfälle verantwortlich. Mehr als 500.000 in Deutschland lebende Menschen haben eine chronische HBV- oder HCV-Infektion, von der viele nicht wissen. Die HCV-Infektion kann man bei fast allen Patienten heilen und die Aktivität der Hepatitis B wirksam hemmen. Alle Leitlinien empfehlen, bei erhöhten Leberwerten und in Risikogruppen nach HCV und HBV zu suchen; mit der Bestimmung von HCV-Antikörper (HCV-Ak) und HBsAg erkennt man mit geringen Kosten fast alle HBV- und HCV-Infektionen.

Hepatitis A

Das Hepatitis A-Virus (HAV) wird fäko-oral übertragen. Eine Übertragung von Mensch zu Mensch ist seltener, aber möglich. Die Hepatitis A heilt spontan, chronische Verläufe gibt es nicht und schwere Verläufe sind selten; 2018 gab es bundesweit nur sechs Todesfälle (0,6 Prozent). Die HAV-Infektion ist bei uns zunehmend eine Reisekrankheit; 2018 wurden laut RKI 39 Prozent aller Infektionen im Ausland erworben. Die Impfung verhindert eine HAV-Infektion zuverlässig und wird bei Reisen in Endemiegebiete sowie anderen Risikogruppen empfohlen.

Hepatitis B

Die HBV-Infektion erfolgt oft unbemerkt über Blut oder Sperma. Bei 95 Prozent der Erwachsenen heilt die akute Infektion spontan. Die perinatale Infektion hat hingegen in > 80 Prozent einen chronischen Verlauf, der langfristig zu Leberzirrhose und -karzinom führen kann, wobei das Risiko von Virusreplikation und entzündlicher Aktivität abhängt. Die HBV-Impfung schützt wirksam. Seit 1992 empfiehlt die WHO die Impfung bei allen Kindern und Risikogruppen.

Heute kann man bei fast allen HBV-Infizierten eine Viruskontrolle erreichen. Virostatika werden bei HBV-DNA-Werten > 2.000 IU/ml und Nachweis von Entzündung und Fibrose empfohlen. Zirrhose-Patienten sollten auch bei geringer HBV-DNA behandelt werden. Heute wird meist mit den auch langfristig wirksamem, gut verträglichen, oralen Nukleos(t)iden Entecavir oder Tenofovir therapiert. Von Tenofovir gibt es zwei Formulierungen, das Tenofovir-Disoproxylfumarat (TDF) und das neuere Tenofovir-Alafenamid (TAF). Das TAF wird im Vergleich zum TDF in einer niedrigeren Dosis gegeben und führt zu geringeren Tenofovirspiegeln. Dadurch hat TAF eine bessere Nieren- und Knochen-Verträglichkeit und sollte bei Nieren- und Knochenerkrankungen gegenüber dem TDF bevorzugt werden.

Bei HBeAg Positiven ist die HBeAg-Serokonversion der angestrebte Endpunkt, über den hinaus die Nukleos(t)ide für weitere 12 Monate gegeben werden. Bei vielen HBeAg Negativen müssen die Medikamente langfristig verabreicht werden, sofern die o. g. HBV-DNA-Werte überschritten werden. Liegt keine Zirrhose vor, ist ein Auslassversuch nach mehrjähriger Therapie und negativer HBV-DNA unter Kontrollen vertretbar. Bei der seltenen HBsAg-Serokonversion kann die Therapie beendet werden. In der Forschung befinden sich Substanzen mit denen eine HBV-Elimination angestrebt wird.

Hepatitis C

Das HCV wird fast ausschließlich über Blut-Kontakte übertragen, zum Beispiel bei Drogengebrauch, über Blutprodukte (vor 1992) sowie medizinische Eingriffe, Tätowierungen und Piercings bei unzureichender Hygiene. Übertragungen durch Sexualverkehr und perinatal sind selten. Eine Schutzimpfung gibt es nicht. Die Infektion verläuft meist anikterisch und unerkannt und heilt nur in etwa 30 Prozent spontan. Weltweit haben über 100 Millionen Menschen eine chronische HCV-Infektion, in Deutschland nur noch etwa 200.000, da in den letzten Jahren viele Infizierte geheilt wurden.

Suchtest ist die Bestimmung von HCV-Antikörpern. Zur Diagnose der replikativen Infektion ist der Nachweis der HCV-RNA erforderlich. Aufgrund der guten Wirksamkeit und Verträglichkeit der neueren antiviralen Substanzen spielen Alter, HCV-RNA, Co-Infektionen, HCV-Genotyp und Co-Morbiditäten kaum noch eine Rolle für die Therapieentscheidung. Den Therapierfolg definiert man als den fehlenden Nachweis der HCV-RNA 12−24 Wochen nach Therapieende (Sustained Virological Response = SVR). Metaanalysen belegen die Risikoreduktion von Leberzirrhose, -karzinom, -transplantation und Sterblichkeit durch eine SVR. Bei Zirrhose verbleibt trotz SVR ein Leberkarzinomrisiko, so dass ein Früherkennungsprogramm empfohlen wird (alle sechs Monate Sonographie und optional Messung des AFP).

Die Aussichten einer SVR sind mit > 95 Prozent sehr gut. Dies gilt auch für Drogen-Substituierte, bei denen “Therapy as Prevention” gilt. Die Therapieoptionen hat der Autor im Jahr 2017 in dieser Zeitschrift detailliert beschrieben (Der Hausarzt 3/2017, S. 42-45). Von den dort erwähnten Medikamenten werden auch heute häufig die meist über 12 Wochen verabreichten Kombinationen von Grazoprevir/Elbasvir oder Sofosbuvir/Velpatasvir genutzt. Hinzugekommen sind zwei Optionen: Die Therapiedauer mit Glecaprevir/Pibrentasvir beträgt für fast alle Subgruppen nur noch acht Wochen. Die Triple-Therapie mit Velpatasvir/Voxilaprevir/Sofosbuvir ist den zuvor erfolglos mit den neuen Substanzen Behandelten vorbehalten.

Hepatitis D

Weltweit sind 10 Mio. Menschen mit HDV infiziert, in Deutschland wenige. Dem RKI wurden 2018 nur 59 HDV-Infektionen gemeldet. Zur HDV-Infektion kann es nur bei gleichzeitiger HBV-Infektion kommen, da das HDV HBsAg für seine Replikation benötigt. Die HBV-Impfung bietet so auch Schutz gegen HDV. HDV wird vorwiegend über Blutprodukte übertragen. Viele HDV-Infizierte stammen aus Endemiegebieten oder aus dem Kreis der Drogennutzer. Die chronische HDV-Infektion führt oft zu Leberzirrhose und -karzinom und ist schwierig zu behandeln. Hier steht nur Interferon zur Verfügung, mit dem man dauerhaft etwa ein Viertel der Patienten erfolgreich therapieren kann. Neue Therapien sind in Entwicklung, z.B. der Virusentry-Inhibitor Bulevirtide (früher: Myrcludex) und der Farnesyltransferase-Inhibitor Lonafarnib. Patienten mit chronischer HDV-Infektion sollten in Zentren betreut werden.

Hepatitis E

HEV-Infektionen sind in 80−90 Prozent der Fälle keine Reisekrankheit, die meisten Ansteckungen erfolgen in unserem Land über kontaminierte, nicht ausreichend erhitzte Nahrungsmittel, oft über Schweine- oder Wildfleisch. Erst Erhitzen > 70 Grad Celsius für 20 Minuten inaktiviert das HEV. Eine Infektion von Mensch zu Mensch ist sehr selten. Die dem RKI gemeldeten HEV-Infektionen sind mehr als dreimal so häufig wie die mit HAV und steigen weiter (Abb. 1). Die akute HEV-Infektion verläuft ähnlich wie die mit HAV. Laut RKI starben 2018 in Deutschland nur acht Patienten an Hepatitis E (0,2 Prozent). Bei Immunkompetenten heilt die Infektion sonst spontan, während sie bei Immunsupprimierten chronisch werden kann; chronische Infektionen sollten in Zentren betreut werden. Da die Antikörperdiagnostik (insbes. HEV-IgM-Ak) nicht immer zuverlässig ist, kann im Zweifelsfall die Bestimmung der HEV-RNA im Serum Klärung bringen. Es gibt keine von FDA oder EMA zugelassenen Impfstoffe. Im Rahmen der HEV-Infektion können Autoimmun-erkrankungen auftreten.

Erst in den letzten Jahren wurde erkannt, dass auch Blutprodukte eine mögliche HEV-Infektquelle sind. So hat das Paul-Ehrlich-Institut angeordnet, dass ab 2020 alle Erythrozyten- und Thrombozyten-Konzentrate sowie Stammzellpräparate aus Nabelschnurblut beziehungsweise peripherem Blut oder Knochenmark auf HEV untersucht werden müssen. Frischplasmen müssen ab 2021 auf HEV getestet werden.

 

Fazit

  • Die HEV-Infektion ist bei uns die häufigste Ursache der akuten Virushepatitis und wird meist auch in Deutschland erworben. Bei akuter Hepatitis muss man vor allem nach HEV suchen. Seit 2020 werden auch Blutprodukte auf HEV getestet.
  • Bei HBsAg-positiven Patienten sollte nach HDV gesucht werden.
  • Die Hepatitis B ist gut behandelbar und die Hepatitis C heilbar, viele Patienten wissen aber nicht von ihrer Infektion. Bei erhöhten Leberwerten und in Risikogruppen sollte deshalb nach HBV und HVC gesucht werden.
  • WHO und Bundesregierung haben das Ziel ausgegeben, die Hepatitis B und C bis 2030 zu eliminieren. In Deutschland wird dieses Ziel auch wegen der Laborrestriktion der KBV nicht erreicht.

 

Mögliche Interessenkonflikte

Prof. Niederau hat für Studien-, Vortrags- und Beratungstätigkeiten von folgenden Firmen Honorare erhalten: Abbvie, Biogen, BMS, Falk, Janssen, Sanofi-Genzyme, Gilead, MSD, Novartis, Roche und Takeda-Shire.

Dr. Frühauf hat keine Interessenkonflikte.

Literatur

  1. BIS 2030 – Strategie zur Eindämmung von HIV, Hepatitis B und C und anderen sexuell übertragbaren Infektionen. Bundesministerium für Gesundheit. Berlin 2016 Apr 6.
  2. Kramer J, Wolffram I, Früh U, et al. Laboratory reform counteracts the WHO hepatitis C elimination strategy in Germany. J Viral Hepat 2019;26:1493-5.
  3. Robert Koch-Institut. Infektionsepidemiologisches Jahrbuch meldepflichtiger Krankheiten für 2018, Berlin 2019. ISBN: 978-3-89606-297-0.
  4. Simmons B, Saleem J, Heath K, et al. Long-term treatment outcomes patients infected with hepatitis C virus: a systematic review and meta-analysis of the survival benefit of achieving a SVR. Clin Infect Dis 2015;61:730-40.
  5. WHO combating hepatitis B and C to reach elimination by 2030. www.who.int/hiv/topics/hepatitis/en/
  6. www.bundesanzeiger.de/ebanzwww/wexsservlet?page.navid=to_bookmark_official&bookmark_id=8ziFMqlkUHaYCwHxuin. Paul-Ehrlich-Institut.
  7. www.dgvs.de/leitlinien/therapie-der-chronischen-hepatitis-c
  8. Gemeinsame Stellungnahme zur Herausnahme der Hepatitis-C- Antikörpertestung aus den extrabudgeta¨ren Laborleistungen. www.fernwisser.de/dgs/wp-content/uploads/2019/03/B-KBV-Hepatitis-C-Antikörperbestimmung_04.03.19.pdf.
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