StudieUmfeld ignoriert Signale von Suizidgefährdeten

Eine Studie zeigt: Suizidgefährdete Menschen geben ihrem Umfeld oft Hinweise auf einen geplanten Selbstmord - Angehörige wissen nur nicht damit umzugehen.

Nichts hören, sagen oder sehen: Das Umfeld ist oft überfordert

München/Wiesbaden/Kempten. Trotz Suizidankündigungen greift das Umfeld in vielen Fällen nicht rechtzeitig ein. Zu diesem Ergebnis kommt eine kürzlich veröffentlichte Analyse des Bezirkskrankenhauses Kempten. Insgesamt werteten die Ärzte und Wissenschaftler mehr als 600 Akten über Suizide in der Allgäuer Region aus. Bei knapp der Hälfte der untersuchten Fälle gab es zuvor Hinweise auf einen Selbstmord.

„Aus den Akten kann man oft direkt, aber meist eher zwischen den Zeilen eine Hilflosigkeit des Umfeldes herauslesen“, heißt es in der Untersuchung, in der Suizidfälle von 2001 bis 2009 analysiert wurden. „Die Angehörigen, Freunde, Kollegen etc. wussten einfach nicht, wie sie damit umgehen sollten oder wo sie sich professionelle Hilfe holen konnten.“

Bayern trauriger Spitzenreiter

Es gelte, präventive Hilfsmaßnahmen zu erforschen. „Wir müssen suizidgefährdete Menschen besser verstehen“, sagte Peter Brieger, der als ehemaliger ärztlicher Direktor des Bezirkskrankenhauses Kempten die Analyse veranlasste. Somatische Erkrankungen waren der Allgäuer Studie zufolge mit 26 Prozent Hauptgrund von Suiziden. Depressionen kamen mit 23 Prozent auf Platz zwei. In 15 Prozent der Fälle waren Partnerschaftsprobleme das Motiv.

In keinem Bundesland ist die absolute Zahl der Suizide so hoch wie in Bayern. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes in Wiesbaden nahmen sich im Jahr 2017 insgesamt 1597 Menschen im Freistaat das Leben – das sind noch 85 mehr als im bevölkerungsreichsten Bundesland Nordrhein-Westfalen. Bundesweit lag die Zahl der Suizide 2017 bei 9.241. In Deutschland sterben in jedem Jahr mehr Menschen durch Suizid als durch Verkehrsunfälle, Gewalttaten und illegale Drogen zusammen.

Sowohl in Bayern als auch im ganzen Land ist ein Großteil der Opfer männlich. 1.226 Männern, die sich 2017 in Bayern umbrachten, stehen 371 Frauen gegenüber. Die höchste Risikogruppe waren dabei die 50- bis 55-Jährigen. In dieser Altersklasse brachten sich 188 Menschen um – 48 Frauen und 140 Männer.

Spekulation über die Ursachen

Die Suizidrate sei im Durchschnitt im Alpenraum höher, sagte Brieger. Tradition, unterschiedliche Kohäsion der Gesellschaft und weniger Psychotherapeuten könnten ebenso eine Rolle spielen wie ein „schroffer Lebensalltag“. Eine genaue Erklärung haben aber auch Fachleute nicht. Letztlich seien die Gründe für einen Selbstmord ein komplexes Zusammenspiel mehrerer Faktoren, sagte Brieger. Sich rein auf regionale Ausreißer zu fokussieren, sei nicht zielführend.

Die Zahlen sind allerdings rückläufig. 2016 brachten sich noch 1738 Menschen um, 2015 rund 1.800 Menschen. Bei der weitaus größten Zahl (1082), lag damals laut bayerischer Polizeistatistik „Krankheit, Schwermut oder Nervenleiden“ vor. 84 Personen brachten sich demnach wegen Familienzwistigkeiten um, 71 aus Liebeskummer, 44 wegen einer wirtschaftlichen Notlage, 17 aus Furcht vor Strafe und in 11 Fällen lagen Drogenprobleme vor. In rund 500 Fällen gab es keinen erkennbaren Grund.

Historische Entwicklung gegenläufig

In den vergangenen 40 Jahren habe sich die Suizidrate trotz wachsender Bevölkerung mehr als halbiert, sagte Brieger. „Grund dafür sind bessere Versorgung, bessere Aufklärung, bessere Hilfen, Entstigmatisierung von psychischen Krankheiten, bessere Krisenkonzepte.“ Ein Beispiel ist der psychiatrische Krisendienst in Bayern: Unter einer Hotline können Betroffene in seelischen Krisen eine Soforthilfe und qualifizierte Beratung erhalten.

Quelle: dpa/lby

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