SuchtmedizinCannabis: Wo stehen wir heute?

Welche Substanzen sind verschreibungsfähig und für welche Indikationen kommen sie in Frage? Diese Fragen sowie praktische Aspekte der Verschreibung wurden auf dem diesjährigen Kongress für Suchtmedizin eingehend diskutiert.

Ist Cannabis eine echte Alternative zu Pharmazeutika?

Seit das “Cannabis-Gesetz” im Jahr 2017 in Kraft trat, steigen die Verschreibungen für medizinisches Cannabis immer weiter an. Gut ein Drittel – und damit die meisten der rund 142.000 Rezepte – stellen Hausärzte und Internisten aus, gefolgt unter anderem von Neurologen und Anästhesisten. Derzeit kommen viele neue Cannabis-basierte Medikamente auf den Markt, sowohl in Form von Cannabis-Extrakten als auch in Form einzelner Wirkstoffe (Cannabinoide).

“Bisher wissen wir noch nicht, ob bzw. welche Cannabinoide für bestimmte Erkrankungen besonders geeignet sind”, erklärte Prof. Kirsten Müller-Vahl, Hannover. Dafür sei noch einiges an Forschungsarbeit zu leisten. Denn alleine Cannabis sativa enthält über 115 verschiedene Cannabinoide und zudem über 500 weitere Inhaltsstoffe (z.B. Terpene, Fettsäuren Flavonoide etc). Überdies gibt es rund 26 verschiedene Blütensorten mit jeweils unterschiedlichen Anteilen an Cannabinoiden.

Verfügbare Cannabis-Arzneimittel

Das bekannteste und wohl am besten erforschte Cannabinoid ist Tetrahydrocannabinol (THC). Die stark psychotrop wirkende Substanz unterliegt dem Betäubungsmittelgesetz.

Zwei THC-Präparate sind hierzulande verfügbar: das Rezeptur-Arzneimittel Dronabinol in Form einer öligen Tropfenlösung (selten auch in Kapselform) zur oralen Einnahme. Sowie Nabilon, ein synthetischer Abkömmling von Dronabinol. Nabilon ist in Deutschland für die Behandlung von Übelkeit und Erbrechen aufgrund einer Chemotherapie zugelassen.

Ein weiteres, gut bekanntes Cannabinoid ist Cannabidiol (CBD). Da CBD keine THC-ähnlichen Effekte aufweist, unterliegt es nicht dem Betäubungsmittelgesetz und ist seit längerem als Nahrungsergänzungsmittel im Handel. “Derzeit existiert hier ein Parallelmarkt”, berichtete Müller-Vahl. Denn nachdem sich herausstellte, dass CBD zur Behandlung seltener Epilepsien geeignet ist, wurde es zum Arzneimittel deklariert und ist daher auch als verschreibungspflichtiges Medikament verfügbar. Für eine Therapie mit CBD sollte man immer ein Rezept ausstellen und nicht zu einem Drogerieprodukt raten, betonte die Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie. Hierfür kann man CBD als Rezeptur-Arzneimittel verschreiben, außerdem wird die Zulassung für einen CBD-Extrakt als Fertigarzneimittel noch in diesem Jahr erwartet.

Neben den Einzelsubstanzen steht auch ein Extrakt (Nabiximols) zur Verfügung, bestehend aus den Blättern und Blüten von Cannabis sativa mit ausgewiesenem, standardisiertem Gehalt an THC und CBD im Verhältnis 1:1. Nabiximols ist als Sublingual-Spray für die Behandlung der therapieresistenten Spastik bei Multipler Sklerose zugelassen. Laut Müller-Vahl kommen zunehmend neue Cannabis-Extrakte bzw. -Vollextrakte auf den Markt. Diese haben zwar keine Zulassung, sind jedoch als Rezeptur-Arzneimittel verschreibungs- und verkehrsfähig. “Diese Arzneimittel sind allerdings sehr teuer, ein Fläschchen kostet 400 bis 600 Euro”, sagte Müller-Vahl.

Aufgrund des neuen Gesetzes lassen sich auch Medizinal-Cannabisblüten verschreiben. Dabei ist wichtig, die gewünschte Blütensorte auf dem Rezept zu vermerken, denn die einzelnen Sorten weisen sehr unterschiedliche THC- und CBD-Konzentrationen auf. Zusätzlich sollte man sich vorab bei der Apotheke erkundigen, welche Sorten vorrätig sind, da es (aufgrund des erforderlichen Imports) nach wie vor zu großen Lieferengpässen kommt – und die Apotheke nur die rezeptierte Sorte herausgeben darf. Zur Inhalation der Blüten sollten die Patienten einen Vaporizer benutzen.

Indikationen für Cannabis

Für viele Erkrankungen aus praktisch allen Fachgebieten existieren kleinere Studien oder Fallberichte, die eine positive Wirkung einer Cannabis-Therapie zeigen. “Das reicht von Glaukom über Hauterkrankungen oder Reizdarm bis hin zu ADHS. In Zukunft wird es unsere Aufgabe sein, diese Indikationen einzeln zu überprüfen um herauszufinden, in welchen Fällen es sich um einen Placebo-Effekt handelt und wann eine echte therapeutische Wirksamkeit vorliegt”, erklärte Müller-Vahl.

Derzeit bestehen Evidenzen für die Therapie von Schmerzen, Spastik bei MS, Gewichtszunahme bei HIV, Schlafstörungen, Zytostatika-induzierte Übelkeit und Erbrechen sowie für das Tourette-Syndrom. Psychiatrische Erkrankungen wie beispielsweise Depressionen, ADHS, Angststörungen und Schizophrenie sind nach Ansicht von Müller-Vahl weitere denkbare Indikationen für eine Cannabis-Therapie.

Die häufigsten Nebenwirkungen der THC-haltigen Cannabis-Präparate sind Müdigkeit und Schwindel. Laut Müller-Vahl lassen sich viele Nebenwirkungen vermeiden, indem man niedrig dosiert mit der Therapie beginnt und langsam höher geht.

Quelle: Interdisziplinärer Kongress für Suchtmedizin in München: “Medizinisches Cannabis in der Therapie”

 

 

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