UpdateLipidmanagement bei Diabetikern

Über zwei Drittel der Diabetiker weisen eine Fettstoffwechselstörung auf, die – sofern sie unbehandelt bleibt – das Risiko für Herzinfarkt und Schlaganfall erhöht. Jüngste Studien untersuchten Fibrate und Omega-3-Fettsäure – mit gemischtem Fazit.

Sieht aus wie cross gebratene Butter: Fettzelle

Menschen mit Diabetes mellitus Typ 2 können mitunter eine Fettstoffwechselstörung entwickeln. Charakteristisch sind dabei erhöhte Triglyzeride und erhöhtes LDL sowie niedriges HDL. Basierend auf der Insulinresistenz kommt es zu einer Überproduktion von VLDL (very low density lipoproteins), die vergesellschaftet mit einem verringerten Abbau zur Hypertriglyzeridämie führt, erklärt Diabetologe Prof. Armin Steinmetz aus München [1]. Recht gut belegt ist, dass eine Cholesterinsenkung das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen reduziert. Diskutiert wird aber, welchen Einfluss die medikamentöse Behandlung der einzelnen Blutfette dabei hat – der Nutzen gilt bisher nur für die LDL-Senkung als belegt [2]. Die DEGAM rät daher, sich bei der Therapieentscheidung auch bei Diabetikern am kardiovaskulären Gesamtrisiko zu orientieren [3].

Innerhalb der Lipoproteine richte sich die Aufmerksamkeit derzeit vermehrt auf die Remnants (Remnant-Lipoproteine), die während des Abbaus von VLDL zu LDL entstehen, sagte Steinmetz. “Remnant-Lipoproteine verschwinden normalerweise sehr schnell aus dem Blut, bei Diabetikern verbleiben sie, aufgrund des verminderten Abbaus, jedoch länger in der Zirkulation”, erklärte Prof. Armin Steinmetz.

Wie eine Untersuchung zeigte, verringert sich das HDL-Cholesterin mit steigendem Remnant-Anteil, während die LDL-Cholesterin-Werte konstant bleiben [4]. Zugleich geht eine Erhöhung der Remnant-Lipoproteine mit einem erhöhten Risiko für ischämische Herzerkrankungen und Herzinfarkte einher, wobei die Konfidenzintervalle in der Studie breit ausfielen [5]. Mit dem neuen Begriff ‚non-HDL-Cholesterin‘, werden auch diese Lipoproteine erfasst, so Steinmetz, er sei definiert als Gesamt-Cholesterin abzüglich HDL-Cholesterin (Normwert: LDL-Cholesterin plus 30 mg/dl).

Nur Subgruppe profitiert von Fibrat

Neben dem primären Therapieziel – der Senkung des LDL-Cholesterins – stelle das non-HDL-Cholesterin ein sekundäres Therapieziel dar, sagte Steinmetz. Dies gelte auch vor dem Hintergrund, dass bei einem Teil der LDL-behandelten Patienten ein Restrisiko für weitere kardiovaskuläre Ereignisse bestehen bleibe. Um die Zielwerte des non-HDL-Cholesterins zu erreichen, gebe es zwei Möglichkeiten: Das LDL-Cholesterin weiter zu verringern oder die Triglycerid-reichen Lipoproteine zu senken, meinte Steinmetz.

Hierzu führte er die ACCORD-Lipid-Studie mit 5.500 Typ-2-Diabetikern an [6, 7]. Die Einnahme von Fenofibrat zusätzlich zu einem Statin verbesserte das kardiovaskuläre Outcome – jedoch nur bei einer kleinen Subgruppe von Patienten mit erhöhten Triglyzeriden und niedrigem HDL-Cholesterin. Dazu zählten besonders Männer mit einem HDL-Cholesterin ≤ 24 mg/dl und Triglyzeriden ≥ 204 mg/dl: tödliche und nicht-tödliche Herzinfarkte und Schlaganfälle verringerten sich signifikant [6, 7]. Verglichen wurde dabei die Kombination Simvastatin plus Fenofibrat gegenüber Simvastatin allein (plus Plazebo). Die Fortführung dieser Studie (ACCORDION) für weitere fünf Jahre bestätigte diese Ergebnisse [8], so Steinmetz. Daher rieten US-amerikanische Leitlinien inzwischen zur zusätzlichen Fibratgabe bei dieser männlichen Subgruppe – sie befürworteten allerdings nicht grundsätzlich die Kombination.

Dagegen sieht das Arznei-Telegramm noch keinen ausreichenden Nutzenbeleg für Fibrate bei Diabetikern. Die Autoren betonen stattdessen, dass die ACCORD-Lipid-Studie insgesamt keinen Vorteil für die Kombination mit Fibrat gegenüber der Monotherapie mit Simvastatin ergab. Die Gruppen hätten sich weder bei der Gesamtsterblichkeit (1,5 versus 1,6 Prozent) noch beim primären Endpunkt – einer Kombination aus Herzinfarkt, Schlaganfall oder kardiovaskulär bedingtem Tod – unterschieden (2,2 versus 2,4 Prozent). “Bedenklich” seien zudem Nierenfunktionsstörungen durch Fenofibrat, weshalb das Arznei-Telegramm von der Langzeitgabe bei Diabetikern abrät. Lediglich bei massiven Hypertriglyzeridämien sei dies eine Option. [9] Die DEGAM -Leitlinie empfiehlt Fibrate nur bei Statinunverträglichkeit [3].

Was bringt Omega-3-Fettsäure?

Seit längerem wird über mögliche Vorteile einer Supplementierung mit Omega-3-Fettsäure diskutiert. Die randomisierte Placebo-kontrollierte REDUCE IT-Studie facht dies erneut an [10], erläuterte Steinmetz. In diese Studie waren 8.179 Statin-behandelte Patienten mit erhöhten Triglyzerid-Werten (135 bis 499 mg/dl) und relativ niedrigem LDL-Cholesterin (41 bis 100 mg/dl) eingeschlossen. Rund 70 Prozent hatten eine kardiovaskuläre Erkrankung die übrigen 30 Prozent Diabetes in Kombination mit mindestens einem weiteren kardiovaskulären Risikofaktor.

Die Patienten erhielten randomisiert entweder hoch dosierte Omega-3-Fettsäure in Form eines hoch gereinigten Eicosapentaensäure Äthylesters (EPA 2 × 2 g täglich) oder Plazebo. Nach im Mittel 4,9 Jahren zeigte sich, dass die EPA-Gruppe signifikant besser profitiert hatte: So trat hier bei 17,2 Prozent ein Ereignis auf (primärer kombinierter Endpunkt: kardiovaskulärer Tod, nicht-tödlicher Herzinfarkt, nicht-tödlicher Schlaganfall, instabile Angina oder koronare Revaskularisation) versus 22,0 Prozent in der Plazebo-Gruppe. Dies entspricht einer Risikoreduktion um 25 Prozent (HR: 0,75; p<0,001). Die Risikoreduktion für den wichtigsten sekundären Endpunkt (kardiovaskulärer Tod, nicht-tödlicher Infarkt oder Schlaganfall) lag bei 26 Prozent (11,2 Prozent vs. 14,8 Prozent, HR: 0,74; p<0,001). Die Triglyzerid-Werte fielen um 18,3 Prozent in der EPA-Gruppe und stiegen um 2,2 Prozent in der Placebo-Gruppe, LDL-Cholesterin verringerte sich um 2 mg/dl unter EPA und erhöhte sich um 7 mg/dl unter Placebo.

Ausschlaggebend dafür ist laut Steinmetz, dass in der REDUCE-IT-Studie deutlich höhere Omega-3-Fettsäure-Spiegel erreicht wurden. Steinmetz zufolge belege dies einerseits, dass es ein Triglyzerid-assoziiertes Restrisiko gibt, welches trotz erreichter LDL-Cholesterin-Senkung besteht. Andererseits sprächen sie für die Beachtung des sekundären Therapieziels “non-HDL-Cholesterin”, welches die Hypertriglyzeridämie in die Therapieziele einschließt. Die Ergebnisse widersprechen allerdings anderen Studien mit Omega-3-Fettsäure [11], etwa der VITAL-Studie, wie auch Steinmetz zugab.

Das Arznei-Telegramm weist etwa darauf hin, dass bisher nicht klar ist, ob das in der REDUCE-IT-Studie gewählte Mineralöl ein adäquates Plazebo ist. Denkbar sei, dass das Mineralöl in der Kontrollgruppe die Wirkung des Statins beeinträchtigt hat. Ob Omega-3-Fettsäure tatsächlich einen kardiovaskulären Nutzen zeige, bleibe ungeklärt, so die Autoren. Zur Klärung sei die Folgestudie STRENGTH abzuwarten, bei der Maiskeimöl als Plazebo gewählt wurde.

Fazit

  • Die DEGAM rät, auch bei Diabetikern das kardiovaskuläre Gesamtrisiko zu ermitteln, etwa mit Arriba. Für eine Lipidtherapie sei das Gesamtrisiko ausschlaggebend.
  • Mittel der ersten Wahl sind Statine. Eine Kombination mit Fibrat wird grundsätzlich nicht empfohlen, sie zeigte nur bei einer männlichen Subgruppe einen Vorteil.
  • Die Wirkung von Omega-3-Fettsäuren ist noch ungeklärt.

 

(Mitarbeit Johanna Dielmann-von Berg)

Quellen 

  1. Steinmetz A. Gesundheitsforum Fettstoffwechsel beim Kongress „Diabetes grenzenlos“, 8.2.19, München
  2. https://deximed.de/home/b/endokrinologie-stoffwechsel/krankheiten/uebergewicht-und-fettstoffwechselstoerungen/hyperlipidaemie/, zuletzt abgerufen am 11.8.19
  3. DEGAM-Leitlinie Nr. 19: S3-Leitlinie Hausärztliche Risikoberatung zur kardiovaskulären Prävention. AWMF-Nr. 053-024
  4. Varbo A et al. Remnant cholesterol as a causal risk factor for ischemic heart disease. J Am Coll Car-diol. 2013; 61(4):427-436. DOI: 10.1016/j.jacc.2012.08.1026
  5. Varbo A et al. Remnant Cholesterol and Myocardial Infarction in Normal Weight, Overweight, and Obese Individuals from the Copenhagen General Population Study. Clinical Chemistry 2018; 64 (1): 219-230. DOI: 10.1373/clinchem.2017.279463
  6. Ginsberg HN et al. Effects of Combination Lipid Therapy in Type 2 Diabetes Mellitus. NEJM 2010; 362: 1563. DOI: 10.1056/NEJMoa1001282
  7. Erratum: Effects of Combination Lipid Therapy in Type 2 Diabetes Mellitus. NEJM 2010; 362: 1748. DOI: 10.1056/NEJMx100016
  8. Elam MB et al. Association of Fenofibrate Therapy With Long-term Cardiovascular Risk in Statin-Treated Patients With Type 2 Diabetes. JAMA Cardiol 2017; 2(4): 370-380. DOI: 10.1001/jamacardio.2016.4828
  9. ACCORD-Studie – Therapieempfehlungen bei Typ-2-Diabetes auf dem Prüfstand. a-t 2010; 41: 35-7
  10. Bhatt DL et al. Cardiovascular Risk Reduction with Icosapent Ethyl for Hypertriglyceridemia. NEJM 2019; 380:11-22. DOI: 10.1056/NEJMoa1812792
  11. REDUCE-IT-Studie: Schutz durch Fischöl oder Schaden durch Mineralöl? a-t 2018: 49: 100-1
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