Problemzone LipödemWeg mit dem Fett

Ein Lipödem kann bei den Betroffenen zu einem hohen Leidensdruck führen. Die einzige Methode, die das krankhaft veränderte Fettgewebe reduzieren kann, bei gleichzeitig dauerhaftem Nutzen für die Patientinnen, ist die Liposuktion.

Das Lipödem wurde erstmalig 1940 in der medizinischen Literatur durch Allen und Hines erwähnt [1]. Die Erkrankung ist mittlerweile vollständig anerkannt und in der Internationalen Klassifikation der Krankheiten der WHO (ICD – International Classification of Diseases) mit einer eigenen Ziffer (E88.xx) [18] gelistet. Die Deutsche Gesellschaft für Phlebologie hat eine eigene S1-Leitlinie zu diesem Thema erstellt [7].

Ursachen

Die Ursachen des Lipödems sind noch nicht vollständig geklärt. Man geht davon aus, dass es hormongesteuert über das weibliche Hormon Östrogen über die vermehrte Ausschüttung von Wachstumsfaktoren zu einer Vermehrung und Vergrößerung von Fettzellen kommt [29, 30].

Aus der massiven Fettzellvermehrung resultiert ein Sauerstoffmangel im Gewebe, so dass Anteile der Adipozyten absterben [31]. Dieses wiederum setzt einen chronischen Entzündungsprozess in Gang, der zu einer Gewebsschädigung führt.

Weiterhin kommt es zu einer gesteigerten Durchlässigkeit der Gefäßwände, so dass vermehrt Lymphe in das Gewebe austreten kann, die dann vom intakten Lymphgefäßsystem nicht mehr abtransportiert werden kann (Hochvolumeninsuffizienz).

Es resultiert das typische Druck- und Spannungsgefühl (s. u.). Zusätzlich ändert sich das Gewebsmilieu mit der Folge einer erhöhten Empfindlichkeit der Schmerzrezeptoren als Ursache für den regelhaft beklagten Spontanschmerz. Durch eine erhöhte Brüchigkeit der Blutkapillaren entsteht eine Hämatomneigung [35].

Es wird vermutet, dass die Prävalenz in der weiblichen Bevölkerung 8 bis 17 Prozent beträgt [11, 17, 23]. Allein für Deutschland entspricht das einer Zahl von etwa 7 Millionen betroffener Frauen. Selten betrifft die Erkrankung auch Männer. Sie ist bei ihnen in den meisten Fällen mit einer hormonellen Störung vergesellschaftet. Dazu existieren zurzeit jedoch nur Einzelfallberichte [5, 10].

Symptome

Häufig sind es Zufälle, die zur Diagnose eines Lipödems führen, z. B. wenn Patientinnen ihre Symptome in Fernsehreportagen wiedererkennen oder von Freunden oder Bekannten auf das merkwürdige Aussehen der Beine angesprochen werden.

Das Leitsymptom ist Schmerz [33]. Druckschmerz, Berührungsschmerz, Spontanschmerz, Spannungsschmerz oder Bewegungsschmerz können dabei zusammen oder unabhängig voneinander auftreten.

Weiterhin besteht eine Hämatomneigung ohne adäquates Trauma [6, 29]. Die optische Veränderung an Armen und Beinen trägt zusätzlich zur Stigmatisierung der Patientinnen bei. Im Unterschied zur Adipositas reagiert das Lipödem nicht bzw. kaum auf Abnehmversuche [1, 13, 34].

Es tritt bilateral symmetrisch auf. Hände und Füße sind typischerweise ausgespart. Im Anfangsstadium können lediglich die konkaven Aussparungen neben der Achillessehne fehlen [10]. Bei Progression der Erkrankung kommt es zu den typischen säulenartigen Veränderungen der Beine.

An den Hand- und Fußgelenken bilden sich scharfe Abgrenzungen zum normalen Gewebe. Hier zeigt sich dann ein deutlicher Fettkragen (Abbildung 1). Des Weiteren finden sich typischerweise kleine Fettdepots unmittelbar ventral der Außenknöchel [10, 13]. Häufig besteht eine Fettgewebsvermehrung medial unterhalb der Knie.

Das Stemmer-Zeichen (Die Haut der 2. Zehe wirft bei Anheben keine Falte mehr) ist in Abgrenzung zum Lymph- bzw. Lipolymphödem negativ [13, 37, 42]. Im späten Stadium kann die veränderte Statik und das erhöhte Gewicht der Beine zu Gelenkfehlstellung und Arthrose führen (Abbildung 2) [39].

An den Armen zeigt sich im Anfangsstadium meist eine Zunahme und Verdichtung des Fettgewebes an den Oberarmen, in späteren Stadien bilden sich teils stark gestaute Fettdepots über Elle und Speiche mit Aussparung eines Dreiecks beugeseitig am Handgelenk.

Statistisch sind in 97 Prozent der Fälle die Beine betroffen, in 31 Prozent die Arme [18]. Aus eigener Erfahrung gehen wir jedoch davon aus, dass Arme und Beine immer gleichsam betroffen sind, wobei die Ausprägung an den Armen oftmals geringer ausfällt bzw. erst später zum Tragen kommt.

Abhängig vom klinischen Erscheinungsbild wird das Lipödem in 3 Stadien eingeteilt. Der Progress ist nicht vorhersehbar und individuell unterschiedlich [7].

Diagnose

Aktuell existiert keine apparative Methode, die ein Lipödem sicher nachweisen kann. Sonographie, Magnetresonanztomographie oder die Computertomographie können lediglich Hinweise auf vermehrte oder verdichtete Fettdepots geben [4, 8, 22, 25, 27].

Die eigentliche Diagnosestellung erfolgt anhand klinischer Kriterien [20, 33]. Selbst die histologische Analyse erkrankter Zellen ist unspezifisch, wie von Stutz 2009 an 30 Lipödem-Patientinnen nach wasserstrahlassistierter Liposuktion nachgewiesen wurde [40].

Die Aufarbeitung zeigte primär intakte Lipozyten mit geringer Gefäßdurchsetzung. Ob es sich bei der pathologischen Vermehrung des Unterhautfettgewebes um eine Adipozytenhypertrophie, -hyperplasie, oder eine Kombination von beidem handelt, ist weiterhin unklar [33].

Die klinische Diagnose erfolgt anhand der Anamnese mit typischem Beginn in der Pubertät, Schwangerschaft oder den Wechseljahren [1, 43]. Häufig besteht eine positive Familienanamnese, wobei die Angaben in der Literatur mit 16 bis 64 Prozent relativ variabel sind [1, 16, 38].

Konservative Behandlung

Die Erstmaßnahme nach der Diagnose eines Lipödems besteht in der Verordnung einer flachgestrickten Kompressionsstrumpfhose der Klasse II (Abbildung 3) nach Maß. Nur Flachstrickware besitzt unter Aktivität den dynamischen Effekt zur Entstauung des Gewebes. Eine Rundstrickkompression, wie sie z. B. bei einem Venenleiden erforderlich ist, ist beim Lipödem nicht ausreichend.

Bei stark gestautem Gewebe ist weiterhin die Verordnung von manueller Lymphdrainage erforderlich. Über viele Jahre galt diese konservative Therapie zusätzlich zur Gewichtsnormalisierung als Therapie der Wahl [12, 18, 41]. Weiterhin kann über Heimgeräte (“Lymphomat”) eine intermittierende Kompression durchgeführt werden.

Die genannten Maßnahmen dienen vornehmlich zur Reduktion des Ödems, reduzieren damit die Schmerzen und verhindern eine zügige Progression des Lipödems. Keine der genannten Methoden kann jedoch das krankhaft vermehrte Fettgewebe reduzieren. Obwohl die komplexe physikalische Entstauung in den bestehenden Leitlinien empfohlen ist, existiert keine evidenzbasierte Studie, die deren Nutzen belegt [7, 41]. Sie ist trotzdem ein essenzieller Kofaktor in der Behandlung des Lipödems. Die Lebensqualität der Patientinnen ist durch die lebenslange Notwendigkeit der eng sitzenden Kompressionswäsche und der regelmäßig erforderlichen Lymphdrainage massiv eingeschränkt [9].

Liposuktion

Seit 2004 wird die Liposuktion erfolgreich in der Behandlung des Lipödems eingesetzt [23, 32]. Dabei wird die über 30 Jahre alte Tumeszenz-Lokalanästhesie (TLA) zunehmend von der moderneren wasserstrahl-assistierten Liposuktion (WAL) abgelöst. Im Vergleich beider Methoden zeigen Studien eine geringere Schmerzsymptomatik, eine geringere Schwellneigung sowie kürzere Ausfallphasen im Beruf bei Nutzung der wasserstrahl-assistierten Liposuktion [2, 21].

Um effektiv zu arbeiten und gleichzeitig die Sicherheit der Patienten nicht zu gefährden, müssen die Beine mehrzeitig abgesaugt werden. Für die untere Extremität werden in der Regel 2 bis 3 Liposuktionen benötigt (Abbildungen 4 und 5), die Arme können normalerweise in einem Eingriff abgesaugt werden. Insgesamt ist die Komplikationsrate des Verfahrens mit 1 bis 2 Prozent sehr gering [36].

Mehrere Studien bestätigen mittlerweile die Effektivität der Liposuktion beim Lipödem. Die holländischen Leitlinien führen aus, dass abnormales Fettgewebe beim Lipödem nur chirurgisch therapiert werden kann [15]. In der S1-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Phlebologie ist die Liposuktion in jedem Stadium des Lipödems als Therapieoption genannt [7].

Weitere Studien belegen den Nutzen der Liposuktion und zusätzlich einen Langzeiteffekt. Bereits 2011 erfolgte durch Stefan Rapprich eine Nachuntersuchung an 25 Patientinnen. Er konnte nach 6 Monaten eine deutliche Reduktion des Beinumfangs, eine signifikante Reduktion der Schmerzsymptomatik sowie eine relevante Verbesserung der Lebensqualität nachweisen [26].

Ein Jahr später (2012) konnte Schmeller eine deutliche Beschwerdelinderung durch die Liposuktion über einen Nachuntersuchungszeitraum von knapp 4 Jahren an einem Kollektiv von 112 Patientinnen nachweisen [36]. Er folgerte, dass die Liposuktion eine “hocheffektive Behandlung des Lipödems” ist. Baumgartner zeigte 2016 an 85 Patientinnen, dass die nachgewiesenen Verbesserungen von Spontanschmerz, Druckempfindlichkeit, Ödemneigung und Bewegungseinschränkung sowohl 4, als auch 8 Jahre nach der Liposuktion unverändert nachweisbar waren [3].

Die Lebensqualität der Patientinnen, die durch Liposuktion behandelt werden, ist signifikant gesteigert. Zu dieser Erkenntnis kommt Frambach in einer Studie an 164 Patientinnen, die 4 und 8 Jahre postoperativ nachuntersucht wurden [14]. Die Schmerzsymptomatik war über den gesamten Nachuntersuchungszeitraum größtenteils vollständig regredient, ebenso die Druckempfindlichkeit, die Ödemneigung und die Bewegungseinschränkung.

Weiterhin zeigte sich über den Verlauf keine erneute Zunahme des Subkutanfetts. Die zurzeit laufende Nachuntersuchung unseres eigenen Patientenkollektivs bestätigt die guten Ergebnisse und zeigt für die untersuchten Variablen (u. a. Schmerzen, Schwellungen, Einschränkung der Lebensqualität, Einschränkung der Arbeitsfähigkeit) Verbesserungen zwischen 77 und 96 Prozent. Zu guter Letzt kann durch die Liposuktion die lebenslange Abhängigkeit von Kompressionskleidung und Lymphdrainage beendet werden [36].

Eine Kostenübernahme durch die Krankenkassen erfolgt zurzeit nur in Ausnahmefällen, wobei die Möglichkeiten für die Patientinnen immer weiter eingeschränkt werden. Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) schreibt der Liposuktion als Behandlungsalternative des Lipödems ein positives Behandlungspotenzial zu, weist aber auf eine nicht ausreichende Studienlage hin. Daher hat er aktuell dazu eine multizentrische Erprobungsstudie geplant.

Fazit

  • Bis zu 7 Millionen Frauen allein in Deutschland leiden an einem Lipödem.
  • Betroffen sind die Beine (einschließlich Gesäß) und die Arme.
  • Symptome sind Schmerzen, Hämatomneigung, optisches Missverhältnis von Beinen/Armen im Vergleich zum Oberkörper.
  • Als Erstmaßnahme nach der Diagnosestellung ist eine flachgestrickte Kompressionsstrumpfhose der Klasse II nach Maß erforderlich.
  • Bei stark gestautem Gewebe ist zusätzlich eine manuelle Lymphdrainage erforderlich.
  • Die einzige nachhaltige Therapie mit dauerhaftem Nutzen für die Patientinnen ist eine Operation mittels großvolumiger Fettsaugung.

Mögliche Interessenskonflikte: Beratende Tätigkeit für die human med AG.

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