Hausarzt MedizinArzneimittelprobleme lassen sich vermeiden

Wechselwirkungen, falsche Einnahme, falsche Lagerung – diese und andere Probleme mit der Medikation kommen bei ambulant versorgten Menschen mit Demenz häufig vor. Ein geeignetes Medikationsmanagement könnte Abhilfe schaffen.

Etwa 75 Prozent der 1,5 Millionen Menschen mit Demenz in Deutschland werden ambulant versorgt [1]. Fortgeschrittenes Alter, Multimorbidität und nachlassende Kognition erhöhen das Risiko für arzneimittel­bezogene Probleme in dieser Patienten­gruppe [2, 3].

Studie DelpHi-MV

Welche arzneimittelbezogenen Probleme treten bei Menschen mit Demenz auf und wie können sie vermieden werden? Mit dieser und vielen weiteren Fragen beschäftigt sich die clusterrandomisierte kontrollierte Interventionsstudie DelpHi-MV (Demenz: lebensweltorientierte und personenzen­trierte Hilfen in Mecklenburg-Vorpommern) in deren Rahmen das Dementia-Care-Management (DCM)-Konzept entwickelt und evaluiert wird [4–6]. 94 Hausärzte, 29 Apotheken in Mecklenburg-Vorpommern und 516 Hausarztpatienten haben an dieser Studie teilgenommen. 6 speziell qualifizierte Studienschwestern besuchten die Studienteilnehmer zuhause, um die häusliche Versorgungssituation zu verbessern [7].

Im Rahmen dieser Besuche wurde u.a. eine computergestützte häusliche Medikationsanamnese durchgeführt: Der speziell­ programmierte Tablet-PC gewährleistete die ­automatisierte Erfassung der Präparate und die Interviewführung. Dabei wurden Informationen über die gesamte Medikation, einschließlich freiverkäuflicher Präparate, gesammelt. Die teilnehmenden Apotheker haben auf dieser Basis eine standardisierte Medikationsanalyse durchgeführt und diese an die behandelnden Hausärzte weitergeleitet.

Viele arzneimittelbezogene Probleme

Die Teilnehmer der Studie nahmen durchschnittlich 6,4 rezeptpflichtige Medikamente regelmäßig ein, bei Berücksichtigung der OTC-Präparate stieg die durchschnittliche Anzahl auf 7,4. Nur 21 Prozent von den im Schnitt 80-jährigen Studienteilnehmern ­ (49 Prozent leben allein) erhielten bei der Medikation Unterstützung durch pflegende Angehörigen oder einen Pflegedienst.

Allerdings wurden selbst bei Patienten, die Unterstützung erhielten, arzneimittelbezogene Probleme registriert, denn 93 Prozent aller Studienteilnehmer hatten mindestens ein arzneimittelbezogenes Problem (Durchschnittswert 2,6 arzneimittelbezogene Probleme pro Studien­teilnehmer). 40 Prozent der Studienteilnehmer nahmen ihre Medikamente zum ­falschen Zeitpunkt ein, 41 Prozent lagerten die Medikamente in der häuslichen Umgebung unsachgemäß, bei 1,6 Prozent betraf das die ungekühlte Lagerung von Insulinpräparaten, 25 Prozent hatten keinen oder einen veralteten Medikationsplan, 18 Prozent der Studienteilnehmer berichteten eine unregelmäßige Medikamenteneinnahme aufgrund von Vergesslichkeit.

Insgesamt 22 Prozent der Studienteilnehmer nahmen potenziell inadäquate Medikamente der Priscus-Liste ein [8]. Zu den häufigsten potenziell inadäquaten Medikamenten gehörten Amitriptylin und Diazepam, aus dem OTC-Bereich waren dies vor allem anticholinerge Hypnotika. Nur 57 Prozent der Studienteilnehmer mit einer formalen Demenz-Diagnose erhielten ein Antidementivum [9]. 6 Prozent der Studien­teilnehmer nahmen gleichzeitig ein Anticholinergikum und einen Acetylcholinesterasehemmer ein. ­10 Prozent der Studienteilnehmer wurden mit Antipsychotika behandelt [10].

Strategien gegen Arzneimittelprobleme

Welche Ergebnisse aus der DelpHi-MV-Studie können im praktischen Alltag zur Vermeidung von arzneimittelbezogenen Problemen bei Menschen mit Demenz beitragen?

  • Die selbstständige Medikamentenverwaltung von Patienten in der häuslichen Umgebung sollte immer kritisch überprüft werden, um ggf. frühzeitig durch die Verordnung der Medikamentengabe durch einen Pflegedienst Hilfe anzubieten.

  • Ein aktueller Medikationsplan ist besonders wichtig. Um dies zu erreichen kann ein regelmäßiger (z.B. quartalsweiser) Austausch des Medikationsplans hilfreich sein. Bieten Sie an, die veralteten Medikationspläne zu entsorgen, denn diese werden oft beibehalten und mit den aktuellen Versionen verwechselt.

  • Der Medikationsplan sollte auch OTC-Präparate enthalten, nur so ist ein effektiver und realitätsnaher Interaktionscheck der Gesamtmedikation möglich. Wenn gewünscht, kann diese Aufgabe auch die Stammapotheke übernehmen.

  • Vermeiden Sie die gleichzeitige Einnahme der Acetylcholinesterasehemmer Donepezil, Rivastigmin und Galantamin mit Anticholinergika. Oft werden die freiverkäuflichen Hypnotika mit anticholinergen Eigenschaften von den Patienten oder pflegenden Angehörigen selbst erworben.Sprechen Sie Ihre Patienten gezielt darauf an. Vermeiden Sie nach Möglichkeit die Verordnung von Arzneimitteln mit anticholinergen Eigenschaften.

  • Nutzen Sie bei den Verordnungen Datenbanken zu potenziell inadäquater Medikation, z.B. die Priscus-Liste [11].

Fazit

Die Versorgung von Menschen mit Demenz ist multidimensional und wird von den Vertretern der verschiedenen Professionen gewährleistet, Hausärzte spielen dabei eine zentrale Rolle. Die DelpHi-MV-Studie hat gezeigt, dass alle Beteiligten die Kooperation zwischen Hausarzt, Apotheker und Pflegefachperson in der Versorgung von Menschen mit Demenz begrüßen [12]. Die Medikationsüberprüfung basierend auf der häuslichen Medikationsanamnese ist für Menschen mit Demenz mit komplexen Medikationsregimen empfehlenswert.

Mögliche Interessenkonflikte: Die Autorin hat keine deklariert.

Literatur

  • 1 Grass-Kapanke, B., T. Kunczik, and H. Gutzmann, Studie zur Demenzversorgung im ambulanten Sektor – DIAS. 2008.

  • 2 Bähler, C., et al., Multimorbidity, health care utilization and costs in an elderly community-dwelling population: a claims data based observational study. BMC Health Serv Res, 2015. 15: p. 23.

  • 3 Leendertse, A.J., et al., Frequency of and risk factors for preventable medication-related hospital admissions in the Netherlands. Arch Intern Med, 2008. 168(17): p. 1890-1896.

  • 4 Thyrian, J.R., et al., Life- and person-centred help in Mecklenburg-Western Pomerania, Germany (DelpHi): study protocol for a randomised controlled trial. Trials, 2012. 13: p. 56.

  • 5 Thyrian, J.R., et al., Systematic, early identification of dementia and dementia care management are highly appreciated by general physicians in primary care – results within a cluster-randomized-controlled trial (DelpHi). J Multidiscip Healthc, 2016. 9: p. 183-90.

  • 6 Thyrian, J.R., et al., Community-Dwelling People Screened Positive for Dementia in Primary Care: A Comprehensive, Multivariate Descriptive Analysis Using Data from the DelpHi-Study. Journal of Alzheimers Disease, 2016. 52(2): p. 609-617.

  • 7 Dreier, A., et al., Qualifications for nurses for the care of patients with dementia and support to their caregivers: A pilot evaluation of the dementia care management curriculum. Nurse Educ Today, 2016. 36: p. 310-7.

  • 8 Wucherer, D., et al., Potentially Inappropriate Medication in Community-Dwelling Primary Care Patients who were Screened Positive for Dementia. J Alzheimers Dis, 2016.

  • 9 Wucherer, D., et al., Antidementia drug treatment in people screened positive for dementia in primary care. J Alzheimers Dis, 2015. 44(3): p. 1015-1021.

  • 10 Eichler, T., et al., Antipsychotic drug treatment in ambulatory dementia care: prevalence and correlates. J Alzheimers Dis, 2015. 43(4): p. 1303-1311.

  • 11 Holt, S., S. Schmiedl, and P.A. Thurmann, Potentially inappropriate medications in the elderly: the PRISCUS list. Dtsch Arztebl Int, 2010. 107(31-32): p. 543-551.

  • 12 Thyrian, J.R., et al., Systematic, early identification of dementia and dementia care management are highly appreciated by general practitioners in primary – results within a cluster-randomized-controlled trial (DelpHi). Journal of Multidisciplinary Healthcare, 2016.

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