Hausarzt MedizinAmbulante Palliativversorgung

Der bevorzugte Sterbeort ist laut Umfragen in Deutschland die eigene häusliche Umgebung. Die ambulante Palliativversorgung versucht dieses Versterben zuhause möglichst häufig zu ermöglichen.

Die häusliche medizinische Versorgung ist eine ureigene Aufgabe von Hausärzten und ggf. häuslichen Pflegediensten. Da sich jedoch zeigte, dass besonders schwer Betroffene mit hohem Versorgungsbedarf häufig am Lebensende kaum mehr zu Hause adäquat versorgt werden können, wurde die spezielle ambulante Palliativversorgung (SAPV) für diese besondere Gruppe sterbender Patienten eingeführt.

Seit 2007 haben Krankenversicherte mit der Einführung zweier neuer Paragraphen (§37 b und §132d) im V. Sozialgesetzbuch einen ­gesetzlichen Anspruch auf eine spezielle Palliativversorgung. Die SAPV umfasst ärztliche und pflegerische Leistungen. Sie wird in der Regel von Ärzten mit der Zusatzbezeichnung Palliativmedizin und entsprechender palliativmedizinischer Erfahrung sowie von Pflegenden mit Zusatzausbildung Palliativpflege (160 Stunden Kursausbildung) und entsprechender palliativer Berufserfahrung erbracht. Sie soll es den Betroffenen ermöglichen, zuhause zu sterben. Kriterien dafür, ob Betroffene der speziellen ambulanten Palliativversorgung bedürfen, sind in Tabelle 1 zusammengefasst.

Flickenteppich SAPV

Die SAPV ist in keiner Weise an eine bestimmte Erkrankungsgruppe (z.B. Tumorerkrankung) gebunden. Allein die ­aufwändige, komplexe Versorgungssituation, die von anderen Strukturen nicht geleistet werden kann, entscheidet über die Aufnahme in die besonders vergütete SAPV.

Die genauere Ausgestaltung der ­konkreten Bedingungen und der Finanzierungen der SAPV wurde in der gesetzlichen Regelung in die Hand von regionalen ­Verhandlungen zwischen den Kostenträgern und den Leistungserbringern gegeben. Dies führte in Deutschland zum sogenannten „Flickenteppich SAPV“.

Grundprinzip ist, dass nicht einzelne Berufsgruppen, sondern multi­professionelle Versorgungsteams gemeinsam die Leistung erbringen und abrechnen. Träger dieser Versorgungsteams können eigens gegründete Gesellschaften (GmbH), Krankenhäuser, Pflegeheime, Großpraxen,­ Hospize, Pflegedienste etc. sein. Es sind die unterschiedlichsten Modelle vertreten. Ebenso unterschiedlich ist die Finanzierung.

Manche Teams haben in beeindruckender Weise zeigen können, in wie vielen Fällen ein häusliches Versterben möglich ist (z.B. SAPV-Team Universität München).

Während die ärztliche und pflegerische Kompetenz in den SAPV-Regelungen gut vertreten ist, wurden die psychosoziale und spirituelle Begleitung nicht in gleichem Maß berücksichtigt. Damit sind wesentliche Teile des ganzheitlichen Versorgungsansatzes nicht in ausgewogenem Verhältnis präsent. Besonders wichtig ist daher das Einbeziehen von hospizlichen Begleitungsangeboten, da sonst die Gefahr besteht, in rein professioneller Perspektive den ganzheitlichen Ansatz der Versorgung zu verlieren.

Die Verordnung der palliativen Versorgung kann sowohl durch einen niedergelassenen Arzt als auch durch einen Krankenhausarzt erfolgen. Es wird dazu das Muster 63: „Verordnung spezieller ambulanter Palliativversorgung (SAPV)“ verwendet.

Palliativversorgung im EBM

Die allgemeine ambulante Palliativversorgung (AAPV) war lange Zeit in den meisten Regionen nicht speziell organisatorisch und finanziell­ geregelt. Dies ist nur zu verständlich, ging man doch davon aus, dass die Versorgung fortgeschritten Erkrankter in ihrem häuslichen Umfeld eine Aufgabe der Hausärzte und Pflegedienste ist und nur in besonders komplexen Situationen die ­spezielle ambulante Palliativversorgung hinzu tritt. 2013 wurde dann mit neuen EBM-Gebührenziffern versucht, den besonderen Versorgungsbedarf der allgemeinen ambulanten Palliativversorgung entsprechend zu vergüten. Die entsprechenden Regelungen des EBM lauten:

    1. Die Gebührenordnungspositionen 03370 bis 03373 sind berechnungsfähig für die Behandlung von schwerstkranken­ und sterbenden Patienten in jedem Alter, die an einer nicht heilbaren, ­fortschreitenden und so weit fortgeschrittenen Erkrankung leiden, dass dadurch nach fachlicher Einschätzung des behandelnden Arztes die Lebenserwartung auf Tage, Wochen oder Monate gesunken ist. Eine Erkrankung ist nicht heilbar, wenn nach dem allgemein anerkannten Stand der Medizin Behandlungsmaßnahmen nicht zur Beseitigung dieser Erkrankung führen können. Sie ist fortschreitend, wenn ihrem Verlauf trotz medizinischer Maßnahmen nach dem allgemein anerkannten Stand der Medizin nicht nachhaltig entgegengewirkt werden kann. Der behandelnde Arzt ist verpflichtet, in jedem Einzelfall zu überprüfen, ob eine angemessene ambulante Versorgung in der Häuslichkeit (darunter fallen auch Pflege- und Hospizeinrichtungen) möglich ist.
    1. Der grundsätzliche Anspruch eines Patienten auf eine spezialisierte ambulante Palliativversorgung (SAPV) im Sinne des § 37b SGB V wird durch das Erbringen der nachfolgenden Gebührenordnungspositionen nicht berührt.
    1. Die Gebührenordnungspositionen 03371, 03372 und 03373 sind nicht bei Patienten berechnungsfähig, die eine Vollversorgung nach § 5 Abs. 2 der Richtlinie zur Verordnung von spezialisierter ambulanter Palliativversorgung (SAPV) des ­Gemeinsamen Bundesausschusses erhalten.
    1. Die Gebührenordnungspositionen 03370 bis 03373 sind nicht berechnungsfähig, wenn der behandelnde Vertragsarzt äquivalente Leistungen bei dem Patienten im Rahmen der spezialisierten ambulanten Palliativversorgung gemäß § 37b SGB V i.V.m. § 132d Abs. 1 SGB V erbringt.

Erforderliche Qualifikation

Streng der eingangs geschilderten Logik folgend, dass die allgemeine ambulante Palliativversorgung eine Leistung ist, die ohnehin schon von Hausärzten erbracht wird, ­wurden zunächst keinerlei palliative Qualifikationsvoraussetzungen für die Abrechnung festgeschrieben. Dies erscheint problematisch, da auch palliativmedizinisch überhaupt nicht ausgebildete Hausärzte die gleiche Gebühren­ziffer abrechnen können wie Hausärzte, die einen Basiskurs in Palliativmedizin besucht oder sogar die Zusatzbezeichnung Palliativmedizin erworben haben. Seit 2017 ist daher der Basiskurs Palliativmedizin ­Voraussetzung für die Abrechnung.

Wichtig ist es, dass die spezielle palliative Haltung, die sich von ärztlicher Haltung und Vorgehen in anderen Situationen zum Teil deutlich unterscheidet, gelehrt und gelebt wird. Der Autor richtet daher Basiskurse für Palliativmedizin speziell in von den Arbeitsorten weit entfernten Settings aus, die sich für eine Auszeit gut eignen, um diesen Haltungserwerb besonders gut zu ermöglichen.

Auch in der allgemeinen ambulanten Pallia­tivversorgung wurde die medizinische und pflegerische Leistung abgebildet. Die Leistungen der psychosozialen und spirituellen Versorgung sind nicht speziell abgebildet. Auch hier besteht die Gefahr, dass die ganzheitliche Palliativversorgung reduziert wird auf Palliativmedizin und Palliativpflege. Dies entspricht nicht der WHO-Definition der Palliativversorgung. Der engmaschige Einbezug ambulanter hospizlicher Strukturen ist daher besonders wichtig und kann helfen, diese einseitige Reduktion zu vermeiden.

Mögliche Interessenkonflikte: Der Autor hat keine deklariert.

Literatur: Gerhard C. Praxiswissen Palliativmedizin, Thieme Stuttgart 2015

Fallbeispiel

Frau Schmidt (Name geändert) leidet an einem stark fortgeschrittenen, weit meta­stasierten Lungenkarzinom und liegt auf der Palliativstation. Es ist gelungen, ihre­ Luftnot und ihre Schmerzen gut zu lindern. Ihre Lebenserwartung ist auf Tage bis Wochen begrenzt. Obwohl sie allein lebt, möchte sie zuhause sterben. Zusammen mit ihrem Sohn, unterstützt durch das Team der Palliativstation, wird ein Netz organisiert, das sie zuhause versorgen wird. Das SAPV-Team übernimmt die palliative Versorgung, ist 24 Stunden erreichbar und kommt mehrmals täglich zur Patien­tin. Ehrenamtliche des ambulanten Hospizes stehen für Sitzwachen zur Verfügung. Nachbarn helfen mit Einkäufen und einfachen Hausarbeiten. Der Sohn ist so oft, wie er trotz seines stressigen Berufs kann, vor Ort und unterstützt seine Mutter mit allen Kräften. Gemeinsam gelingt es, dass Frau Schmidt die letzten zwei Wochen ihres Lebens zuhause verbringen kann und auch dort stirbt. Ohne die speziellen Mittel der SAPV wäre das nicht gelungen.

Fazit

In der ambulanten Palliativversorgung wird unterschieden zwischen

  • der allgemeinen ambulanten Palliativversorgung (AAPV), die in der Regel von (palliativmedizinisch ausgebildeten) Hausärzten und Pflegediensten erbracht wird, und

  • der speziellen ambulanten Palliativversorgung, die bei komplexem Versorgungsbedarf von Teams aus Ärzten mit der Zusatzbezeichnung Palliativmedizin und speziell palliativ ausgebildeten Pflegekräften erbracht wird.

  • Das Einbeziehen ambulanter Hospize ist besonders wichtig, um die Gefahr einer einseitig medizinischen, pflegerischen Palliativversorgung zu reduzieren und die ganzheitliche Sichtweise der Palliativversorgung zu fördern, wie sie in der WHO-Definition festgelegt wurde.

Gesetzliche Bestimmungen zur SAPV Die im SGB V festgelegten Bestimmungen zur speziellen ambulanten Palliativversorgung (SAPV) finden Sie online unter ­https://hausarzt.link/1DAfe

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