ReiseberichtWillkommen im Mittelalter

"Gesalzene Preise", etwas "im Schilde führen" und jemanden "auf die Folter spannen" haben eines gemein: Sie sind rund 600 Jahre alt. Einen echten Einblick ins Mittelalter und dessen Sprache bietet die Marksburg bei Koblenz.

“Zwischen Bingen und Koblenz – von der UNESCO zum Weltkulturerbe erklärt – steht im Durchschnitt alle 2,5 km eine Burg”, sagt Gerhard Wagner von der Deutschen Burgenvereinigung e.V. (DBV). Aber die meisten der 50 Burgen sind “Neubauten” des 19. und 20. Jahrhunderts, die auf den Ruinen der mittelalterlichen Gemäuer erbaut wurden. “Einen echten Einblick ins Mittelalter bietet die Marksburg, die selbst bewegteste Zeiten unbeschadet überdauert hat.” Sie ist die einzige Höhenburg am Rhein, die nie zerstört wurde.

Rüstungen und Zauberpflanzen

Die imposante Festung hauptsächlich aus dem 13. bis 15. Jahrhundert erhebt sich mit Bergfried, romanischen und gotischen Bauten, Zwingern und Bastionen trutzig hoch über dem romantischen Städtchen Braubach. Die Edelfreien von Braubach und die Herren von Eppstein wählten einen strategisch günstigen Platz: 90 Meter über dem Rheinthal thronend konnten weder die Schweden im 30-jährigen Krieg noch die Truppen Ludwigs XIV. 1689 die Marksburg erobern. In der bewegten 800-jährigen Burggeschichte kam sie 1479 an den Landgrafen Heinrich III. von Hessen. 1900 erwarb die DBV die Burg und restaurierte sie.

Neben der vollständig erhaltenen Wehranlage sind auch die Innenräume sehenswert, darunter Burgküche, Rittersaal, Kapelle, Rüstkammer und Turmstuben. Zu den Höhepunkten der Burgführung gehört die Rüstkammer mit der wertvollen Gimbelschen Sammlung, die 14 lebensgroße Figuren mit Panzerungen von der Bronzezeit bis ins 17. Jahrhundert zeigt und die in ähnlicher Form in Europa ganz selten zu sehen ist. Nicht weniger berühmt ist der botanische Garten der Marksburg, in dem es sogar spezielle Führungen gibt.

“Etwa 150 im Mittelalter bekannte Kräuter- und Heilpflanzen, über die vor 800 Jahren bereits Hildegard von Bingen berichtete, enthält der Kräutergarten der Burg”, erzählt Führerin Michaela Vary. Darunter befinden sich neben Baldrian, Eisenkraut und Artischocke auch Pflanzen wie die Schwarze Malve oder Rapunzel. Auch einige in unseren Breiten seltene Bäume gedeihen hier, darunter Maulbeere, Mispel und Pfirsich. “Eine klassische Zauberpflanze des Altertums und Mittelalters war die Alraune. Ihre Wurzel war heiß begehrt und galt als wahres Wundermittel, etwa gegen Zahnschmerzen. Heutzutage findet sie in der Heilkunde allerdings keine Anwendung mehr, da sie stark giftig ist und zu gefährlichen Rauschzuständen führen kann.”

Nachhilfe in deutscher Sprache

Danach gibt es Nachhilfe in deutscher Sprache. Während sich in der Folterkammer die Redewendungen “Daumenschrauben anlegen”, “auf die Folter spannen” oder “gerädert sein” oder in der Rüstkammer “mit offenem Visier kämpfen” fast von selbst erklären, muss Michaela Vary bei den “gesalzenen Preisen” auf die Sprünge helfen. In der Küche findet sich ein kleines, mit einem dicken Schloss versehenes Schränkchen, in dem die Burgherrin das damals überaus kostbare Salz lagerte.

Gleiches gilt für eine unscheinbare Holztruhe, deren Boden das Bild eines Hundes ziert. “Denn es war mittelalterliche Sitte”, erklärt Vary, “den Boden von (Schatz-)Truhen mit einem Hund zu versehen, der symbolisch das Geld vor Dieben schützen und den Schatzmeister zur Sparsamkeit bewegen sollte. Wenn man den Hund sah, war kein Geld mehr da – man war buchstäblich ʼauf den Hund gekommenʻ”. Auch “die hohe Kante” entdeckt man nur mit fachkundiger Unterstützung. In diesem Versteck hinter schweren Vorhängen im hölzernen Rahmen über dem Bett der Adeligen der Marksburg, bewahrten sie Kostbarkeiten und Geld auf.

Im Rittersaal, in dem an einem langen Holztisch rauschende Feste gefeiert wurden, geht es dann aber leichter. Denn man kann sich gut vorstellen, wie das Gesinde – nachdem der Burgherr gesättigt war – “die Tafel aufhob” und diese samt Böcken oder anderen Untergestellen, auf denen die Speisen standen, in Windeseile entfernte.

Freund oder Feind erkennen

Und auch wie es zur Redewendung “etwas im Schilde führen” gekommen ist, lässt sich angesichts der zahlreichen Wappen der Burgherren, die ausschließlich von Familienmitgliedern geführt werden durften, rasch erahnen. “Denn nicht nur Fahnen, sondern auch Helme und Schilde zierten die Adeligen mit diesen Abzeichen”, erläutert Vary. “Näherte sich ein gepanzerter Reiter, so konnte man schon von weitem erkennen, ob es sich um einen Freund oder einen Feind handelte – und zwar an dem Wappen, das er im Schilde führte.”

Nach diesen tiefen Einblicken ins Mittelalter legt man beim Verlassen der Burg schließlich “einen Zahn zu”. Diese Redewendung ist jedoch nicht 800 Jahre alt, verrät Gerhard Wagner von der DBV schmunzelnd. “Sie stammt nicht, wie allgemein angenommen, aus dem Mittelalter und seinen gezackten Topfstangen im Kamin, sondern aus dem frühen Automobilbau mit seinen Handgashebeln.”

INFO

Seit 11.Mai ist die Marsburg wieder jeden Tag zur Besichtigung geöffnet.

Wegen der Corona-Pandemie finden Führungen nur jede Viertelstunde und in kleinen Gruppen statt.

www.marksburg.de

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