Röntgen-Jahr 2020Medizinhistorische Schlaglichter: Röntgen-Diagnostik

2020 ist Röntgen-Jahr. Vor 175 Jahren wurde Wilhelm Conrad Röntgen in Lennep, das heute zu Remscheid gehört, geboren. Und vor 125 Jahren entdeckte er die von ihm so genannten "X-Strahlen", mit denen man erstmals Knochen sichtbar machen konnte. 1901 wurde Röntgen für seine Entdeckung mit dem ersten Physik-Nobelpreis der Geschichte ausgezeichnet.

“…beim Lesen von Professor Röntgens‘ … Mitteilung über eine neue Art der Strahlen konnte ich mich des Gedankens nicht erwehren, ein Märchen vernommen zu haben…”, schrieb der Physiker Otto Lummer aus Berlin am 15. Februar 1896. Diese Mitteilung über die von ihm so genannten “X-Strahlen” hatte der Würzburger Physikprofessor Wilhelm Conrad Röntgen (1845-1923) am 1. Januar 1896 an verschiedene Freunde geschickt. Beigelegt hatte er ein paar Fotos, darunter die Aufnahme einer hölzernen Labortür, auf der man die Streifen eines Bleianstrichs sieht. Dieses Foto hatte Röntgen am 20. November 1895 gemacht, es ist wohl die erste Röntgenaufnahme überhaupt.

Besonderes Aufsehen aber erregte das Foto der Hand seiner Frau Bertha, das er am 22. Dezember gemacht hatte. Man erkennt die Umrisse ihrer Hand und ganz deutlich die Handknochen und ihren Ring. Damals mutete das noch heute berühmte Foto nahezu gespenstisch an. Oder eben wie ein Märchen. Bertha Röntgen selbst soll ausgerufen haben: “Ich habe meinen Tod gesehen!”

Röntgen, ein introvertierter und äußerst bescheidener Mann, war zu der Zeit Professor für Experimentalphysik und Direktor des Physikalischen Instituts in Würzburg. Er experimentierte mit Elektronenströmen, die er durch teil-evakuierte Glasröhren leitete und dann mit einem Fluoreszenzschirm beobachtete. Dieser Schirm leuchtete im Dunkeln auf, wenn er von den Elektronenströmen getroffen wurde.

Seine Neuentdeckung nannte Röntgen X-Strahlen

Vor 125 Jahren, am 8. November 1895, gelang Röntgen die entscheidende Entdeckung: Bei höheren Spannungen sah er ein grünliches Leuchten an der Innenwand der Glasröhren. Er probierte aus, ob der Fluoreszenzschirm auch außerhalb der Röhre leuchtete. Er erwartete das allerdings nicht, denn Elektronenströme haben in Luft nur eine geringe Reichweite. Doch dieses grünliche Leuchten blieb zu sehen. Er entfernte den Schirm weiter und weiter, und es leuchtete immer noch. Da war Röntgen klar, dass das eine neue Art von Strahlen sein musste. Und er nannte sie X-Strahlen – “X”, da es sich hier um etwas Unbekanntes handelte.

Was genau zu der Entdeckung geführt hat, wozu diese neuen Strahlen in der Lage sind, ist nicht überliefert. Es kann sein, dass Röntgen aus Versehen mit seiner Hand zwischen Röhre und Schirm geraten war und seine eigenen Handknochen sah. Man kann sich vorstellen, wie überrascht er gewesen sein muss. Wahrscheinlich war ihm aber auch etwas unheimlich zumute. Auf jeden Fall behielt er seine Entdeckung erst einmal für sich.

Röntgen experimentierte wochenlang intensiv weiter, um einen unumstößlichen Nachweis zu bringen. Er wusste, dass Kathodenstrahlen Fotoplatten schwärzen, und hoffte, dass die neuen Strahlen ähnlich reagieren. Er hatte Recht. Seine Fotos waren dann der Beweis, dass diese X-Strahlen wirklich existierten. Und dafür, was sie konnten. Er fand heraus, dass die Strahlen Holz, Papier, die Wände seines Labors, das menschliche Gewebe und anderes durchdringen konnten, nur Blei nicht.

Am 28. Dezember 1895 veröffentliche Röntgen seine Entdeckung und verschickte diese Mitteilung, wie gesagt, am Neujahrstag 1896. Am 23. Januar hielt er auf Einladung der Physikalisch-Medizinischen Gesellschaft zu Würzburg seinen einzigen öffentlichen Vortrag über die neuen Strahlen. Während seines Vortrags machte er eine Aufnahme der Hand des Anatomen Albert von Kölliker: Deutlich waren die Handknochen und ein Ring zu sehen. Eine Sensation. Die Anwesenden waren begeistert. Von Kölliker selbst schlug vor, die X-Strahlen in “Röntgenstrahlen” umzubenennen.

Am 9. März 1896 veröffentlichte Röntgen eine zweite Mitteilung über die neuen Strahlen, und ein Jahr später, am 10. März 1897, die dritte und letzte. Der Physiker, der übrigens nicht einmal das Abitur hatte, weil er vorher von der Technischen Schule in Utrecht geflogen war, da er sich geweigert hatte, einen Mitschüler zu denunzieren, war ein äußerst gründlicher, penibler Forscher. Er versuchte, so viel wie möglich über die neuen Strahlen herauszufinden. Erst 1912 wurde seinen Erkenntnissen entscheidend Neues hinzugefügt.

Plötzlich waren überall Skelette zu sehen

Natürlich war es eine Riesensensation, dass plötzlich das Knochengerüst des Körpers sichtbar gemacht werden konnte. Ärzte erkannten schnell, welche Möglichkeiten der Diagnose ihnen nun zur Verfügung standen. Aber auch Zeitungen, Cartoonisten und Volksfeste schlachteten das leicht schaurige Thema aus. Überall waren plötzlich Skelette zu sehen.

Für seine Entdeckung wurde Röntgen vielfach ausgezeichnet. Vor allem wurde ihm 1901 der erste Nobelpreis für Physik überhaupt verliehen. Das Preisgeld von 50.000 Kronen stiftete er der Universität Würzburg (seit dem Tod seines Vaters war er Millionär, er hatte das Geld nicht nötig). Am Rande: Der erste Nobelpreis für Medizin ging 1901 ebenfalls an einen Deutschen: Emil von Behring (1854-1917). Röntgen war Pate eines der Söhne von Behrings.

Röntgen patentierte seine Entdeckung nicht. Er bestand darauf, dass es nicht sein Verdienst, sondern reiner Zufall gewesen war, dass er die Strahlen entdeckt habe. Außerdem war er der Auffassung, “dass seine Erfindungen und Entdeckungen der Allgemeinheit gehören und nicht durch Patente, Lizenzverträge und dergleichen einzelnen Unternehmungen vorbehalten bleiben dürften”.

Röntgen blieb zeitlebens bescheiden

Damit stand der schnellen Verbreitung der Röntgen-Diagnostik nichts im Wege. Sie wurde erstaunlich rasch von Ärzten und Patienten akzeptiert. Röntgengeräte gab es bald in vielen Krankenhäusern. Der erste “Röntgenkongress” fand 1900 in Paris statt, die erste Röntgengesellschaft wurde 1905 in Berlin gegründet. Und auch das Militär machte sich die neue Technik zunutze. Schon 1898 nahm Lord Herbert Kitchener ein mobiles Röntgengerät mit in den Krieg im Sudan. Und als 1900/1901 in China der Boxeraufstand niedergeschlagen wurde, gehörte zum Tross der alliierten europäisch-amerikanischen Imperialmächte auch ein Röntgenzug.

Röntgen selbst war einerseits geschmeichelt von dieser breiten Aufmerksamkeit. Aber sie war dem introvertierten Mann andererseits auch unangenehm. Der Physiker blieb bescheiden und lehnte es sogar ab, in den Adelsstand gehoben zu werden.

Quellen u.a.:

Deutsches Museum: “Die Versuchsanordnung von E.C. Röntgen”. Meisterwerke aus dem Deutschen Museum Band II. München

Eckart, Wolfgang: “Geschichte der Medizin”, Springer-Lehrbuch.

Paul, Gill: “Die Geschichte der Medizin in 50 Objekten”. Haupt Verlag, Bern, 2016.

Röntgen-Kuratorium Würzburg e.V.: “Wilhelm Conrad Röntgen”. Röntgen-Gedächtnisstätte

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