Medizinstudium und CMEWeiterbildung Allgemeinmedizin: Gut Ding will Weile haben

Im Mai will der Deutsche Ärztetag den finalen Haken an die Musterweiterbildungsordnung setzen. Ein Knackpunkt in der Novellierung war die Frage, wie die Vermittlung allgemeinmedizinischer Kompetenzen gesichert werden kann. "Der Hausarzt" hat bei Ärzten auf ihrem Weg in die Allgemeinmedizin nachgefragt, warum der Faktor Zeit dabei entscheidend ist.

Wo Allgemeinmedizin drauf steht, muss auch Allgemeinmedizin drin sein. Das haben in der jüngeren Vergangenheit etliche Beschlüsse unterstrichen: Allen voran stehen jene zur Novellierung der Musterweiterbildungsordnung (MWBO), mit der der Deutsche Ärztetag in den vergangenen zwei Jahren die grundsätzlichen Kompetenzen der Allgemeinmedizin nicht nur bekräftigt, sondern noch gestärkt hat.

Ärzte in allgemeinmedizinischer Weiterbildung müssen demnach 24 der 60 Monate Weiterbildungszeit in der Allgemeinmedizin in der ambulanten hausärztlichen Versorgung leisten. Im Mai soll der Ärztetag in Münster über das elektronische Logbuch abstimmen – ein wichtiges Instrument, um den Kompetenzerwerb in dieser Zeit nachzuweisen. Es wäre der Abschluss der Reform, die 2012 begann.

Auch der Masterplan Medizinstudium 2020 weist in eine ähnliche Richtung: Durch ein verpflichtendes PJ-Quartal in der ambulanten vertragsärztlichen Versorgung sowie eine vorgeschriebene Prüfung im dritten Staatsexamen werden allgemeinmedizinische Kompetenzen bereits im Studium verankert.

Umso erstaunlicher ist die Diskussion, die jüngst um den Quereinstieg – neben Studium und regulärer Weiterbildung ein zusätzlicher Weg in die Allgemeinmedizin – entbrannt ist. Schließlich muss auch hier sichergestellt sein, dass hausärztliche Kompetenzen in ausreichendem Maße erworben werden. Bei einer verkürzten Weiterbildungszeit für Quereinsteiger, wie dies jüngst in NRW diskutert wurde (https://hausarzt.link/frTT1), wäre dies aber wohl nicht gegeben.

Wie haben Betroffene die Diskussion verfolgt? “Der Hausarzt” hat bei Ärzten in regulärer Weiterbildung und Quereinsteigern nachgefragt.

 

Katrin Weiß, Ärztin in allgemeinmedizinischer Weiterbildung in Bad Mergentheim

“Nach zwei sehr intensiven Jahren in der Inneren Medizin in einer kleinen Klinik auf dem Land und einem knappen Jahr in der Psychiatrie blicke ich heute auf rund ein halbes Jahr hausärztliche Tätigkeit zurück.

Die Tätigkeit in der Inneren scheint der hausärztlichen Tätigkeit auf den ersten Blick vergleichsweise nah zu sein. Daher kommt meines Erachtens auch die Idee, für Fachärzte für Innere Medizin einen verkürzten Quereinstieg in die Allgemeinmedizin zu ermöglichen. Die Ähnlichkeit der Fachgebiete besteht aber nur auf den ersten Blick.

Zunächst einmal sehe ich jetzt im Alltag vielleicht noch zehn Prozent spezifisch internistische Beratungsanlässe. Zwar haben sicherlich 60 bis 70 Prozent meiner Patienten eine internistische Begleiterkrankung – aber sie stellen sich nicht deswegen vor, sondern weil sie eine Erkältung, Kopfschmerzen, Schwindel, einen Hautausschlag, Rückenschmerzen oder seelische Probleme haben.

Das internistische Hintergrundwissen – insbesondere das in einer kleinen Klinik mit unselektiertem Patientengut erworbene – ist dabei hilfreich, um gefährliche Verläufe herauszufiltern – aber definitiv nicht ausreichend, um den Patienten auch zu helfen. In den letzten Monaten hatte ich viel damit zu tun, hilfreiche Strategien für die 90 Prozent der nicht internistischen Fragestellungen zu erarbeiten. Und es wird auch noch viele Monate dauern, bis ich mich darin sicher fühle.

Des Weiteren ist der Umgang mit den Patienten ein völlig anderer. Am ehesten lässt sich noch die Tätigkeit in der internistischen Notaufnahme mit der hausärztlichen Tätigkeit vergleichen. Es gibt aber einen dramatischen Unterschied: In der Notaufnahme muss man primär davon ausgehen, dass der Patient kommt, weil er sehr krank oder zumindest sehr besorgt ist.

Man neigt also dazu, bei jedem die maximale Diagnostik zu veranlassen: EKG, Blutabnahme, vielleicht auch Röntgen der Lunge, Schädel-CT oder Sonographie. In der Hausarztpraxis hingegen gilt zunächst einmal: Die wenigsten Patienten haben eine akut lebensbedrohliche Erkrankung, in vielen Fällen kann zunächst der natürliche Verlauf abgewartet werden.

Als letztes Argument für die Notwendigkeit einer 24-monatigen hausärztlichen Weiterbildung ist die Fülle an Beratungsanlässen zu nennen: Sie ist so vielfältig und abwechslungsreich, dass sie anfangs beinahe erschlagend wirkt und wenig Kapazität für die ebenso wichtigen ökonomischen Aspekte der Tätigkeit in einer Hausarztpraxis, geschweige denn die benötigten Fähigkeiten zur selbstständigen Führung einer solchen Praxis, lässt.

Ich persönlich bin daher froh, nicht schon nach zwölf Monaten hausärztlicher Weiterbildung selbstständig eine eigene Praxis führen und gleichzeitig sicher in der Behandlung der vielfältigen Beratungsanlässe sein zu müssen.”

 

Dr. Torben Ostendorf, Arzt in allgemeinmedizinischer Weiter­bildung und Facharzt für Anästhesiologie, Intensivmedizin und 
Notfallmedizin, Leipzig

“Was ist eine KV? Wie führe ich eine Praxis? Und für den angehenden Hausarzt besonders wichtig: Was bedeutet Primärarztsystem und welche Vorteile hat die Hausarztzentrierte Versorgung (HZV)? All das sind Fragen, die auf der Strecke bleiben, wenn der Quereinstieg so verkürzt wie nur irgend möglich gestaltet wird. Das weiß ich aus eigener Erfahrung: Ich stehe kurz vor dem Facharzttitel in der Allgemeinmedizin und komme aus der Anästhesie.

Der Quereinstieg hier in Sachsen hat mich anfangs frustriert: Die Regelungen sind rigoros, neben eineinhalb Jahren in der Inneren ist an den 24 Monaten in der ambulanten Versorgung nicht zu rütteln. Viele Kollegen gehen deswegen in Nachbarländer.

Ich bin im Nachgang aber froh, die 24 Monate gemacht zu haben und würde das jedem empfehlen. Denn in der Klinik hatte ich bereits viel gelernt – aber letztlich sind ambulant und stationär doch völlig verschiedene Systeme. Sowohl die medizinischen als auch die organisatorischen Inhalte haben nur wenig Schnittmenge. Und die Arbeit im ambulanten System, das habe ich deutlich gespürt, kann ich eben erst wirklich lernen, wenn ich auch lange genug ein Teil davon bin.”

 

Dr. Christian Fleischhauer, Facharzt für Allgemeinmedizin, Jena

“Ich bin selbst klassischer Quereinsteiger: Begonnen habe ich meine Weiterbildung zum Facharzt für Anästhesie – und das damals auch aus voller Überzeugung. Doch nach dreieinhalb Jahren habe ich gemerkt, dass die Perspektive im Klinikalltag für mich nicht gestimmt hat. Nach einem halben Jahr in der Hausarztpraxis meiner Mutter habe ich dann die Liebe für die Allgemeinmedizin entdeckt.

Was ich schon damals als Problem wahrgenommen habe, ist der unterschiedliche Umgang mit dem Quereinstieg in den verschiedenen Landesärztekammern: In Rheinland-Pfalz etwa wäre mir deutlich mehr von der anästhesistischen Weiterbildungszeit anerkannt worden, ich hätte den Facharzttitel also viel schneller in der Tasche gehabt. Bei uns in Thüringen hingegen wurden mir lediglich 18 meiner 42 eigentlich bereits geleisteten Monate in der Facharztweiterbildung anerkannt.

Damit musste ich noch einmal deutlich länger in die ambulante Weiterbildung, als ich mir das damals gewünscht hätte. Erst einmal hat mich das geärgert. Im Rückblick aber bin ich sehr froh, diese Zeit und den Blick in verschiedene Bereiche gehabt zu haben: So war ich etwa ein halbes Jahr in der Diabetologie, ein halbes Jahr in der Palliativmedizin und auch ein halbes Jahr in einem Medizinischen Versorgungszentrum (MVZ) angestellt tätig. Besonders wichtig war auch das halbe Jahr in der chirurgischen Ambulanz. Im Rückblick hat mich tatsächlich auch die Länge und Vielfalt meiner Weiterbildung zu dem Arzt gemacht, der ich heute bin.”

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