Karlsruhe. Gewerkschaften haben keinen Anspruch darauf, dass ein von ihnen ausgehandelter Tarifvertrag in der ganzen Branche für allgemeinverbindlich erklärt wird. Aus der im Grundgesetz geschützten Tarifautonomie ergibt sich kein solches Recht, wie das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe entschied. Die Beschlüsse vom 10. Januar wurden am Mittwoch veröffentlicht.
Wird ein Tarifvertrag durch das Bundesarbeitsministerium für allgemeinverbindlich erklärt, gilt er nicht nur für die Tarifparteien und ihre Mitglieder, sondern auch darüber hinaus.
IG Bau und Sozialkasse hatten geklagt
Hier ging es ums Baugewerbe. In der Branche gibt es durch Arbeitgeberbeiträge finanzierte Sozialkassen, zum Beispiel für die Altersversorgung. Der Tarifvertrag, der das regelt, wurde gewöhnlich für allgemeinverbindlich erklärt. Damit mussten auch nicht tarifgebundene Arbeitgeber Beiträge zahlen. Wegen formaler Mängel hatte das Bundesarbeitsgericht 2016 und 2017 allerdings die Allgemeinverbindlicherklärungen gleich mehrerer Jahre aufgehoben.
Dagegen klagten die Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG Bau) und eine Sozialkasse in Karlsruhe – am Ende ohne Erfolg. Die Koalitionsfreiheit schütze zwar das Recht, mit einem Tarifvertrag auch Nichtmitglieder zu verpflichten, entschieden die Verfassungsrichter. Einen Anspruch darauf gebe es aber nicht.
Der Gesetzgeber hatte auf die Entscheidungen des Arbeitsgerichts schnell reagiert. Er schuf gleich 2017 eine eigene Rechtsgrundlage für die Allgemeingültigkeit des Sozialkassenverfahrens, für das Baugewerbe und andere Branchen. Sonst hätten Arbeitgeber ohne Tarifbindung ihre Beiträge zurückverlangen können. Für die Sozialkassen wäre das möglicherweise existenzbedrohend gewesen.
Quelle: dpa