Seltene ErkrankungenAktionstag erinnert an den Hausarzt als „Detektiv“

Der Tag der Seltenen Erkrankungen am Mittwoch (28. Februar) hat den Blick für die Versorgung von Betroffenen geschärft. In der Hausarztpraxis sind diese nicht Alltag – doch umso wichtiger ist im entscheidenden Moment das richtige Handeln. Wir geben dafür Tipps an die Hand.

Das Bewusstsein für Seltene Erkrankungen scheint zu wachsen. Darauf deuten Zahlen des Zentrums für Seltene Erkrankungen des Nervensystems in Mainz hin: Etwa 20 Anfragen habe es im ersten Jahr nach der Gründung 2015 gegeben, sagt der Koordinator des Zentrums Dr. Michael Beck. Im Jahr darauf waren es bereits 100. Die meisten Anfragen kommen laut Beck direkt von Patienten.

Rund vier Millionen Kinder und Erwachsene in Deutschland leiden an einer Seltenen Erkrankung. Der jährliche Aktionstag am 28. Februar soll auf ihre Sorgen und Nöte, aber auch die Bedeutung von Seltenen Erkrankungen im medizinischen Alltag aufmerksam machen. So forderte Prof. Frank Ulrich Montgomery, Präsident der Bundesärztekammer, zum Aktionstag an diesem Mittwoch, die Forschung auf dem Gebiet zu intensivieren. „Bei Seltenen Erkrankungen haben wir nur wenige gesicherte Erkenntnisse.”

Im Zweifel an ein Zentrum überweisen

Um die Zeit von der ersten Vorstellung bis zur Diagnose, die bei Seltenen Erkrankungen oft Jahre andauert, zu verkürzen, können Hausärzte einen entscheidenden Beitrag leisten. So hat der Deutsche Hausärzteverband etwa zusammen mit den Zentren für Seltene Erkrankungen speziell für Hausärzte einen Anmeldebogen für Verdachtsfälle von Menschen mit Seltenen Erkrankungen entwickelt. Er soll Allgemeinmedizinern helfen, sofort den richtigen Schritt der Anmeldung zu tun, wenn sie wegen eines „eigenartigen” Patienten stutzig geworden sind.

Im Alltag ist die Meldung solcher Verdachtsfälle an ein spezialisiertes Zentrum bisher recht kompliziert. Die einzelnen Zentren für Seltene Erkrankungen haben zwar Fragebögen entwickelt und auf ihren Websites veröffentlicht, sie sind aber meist recht umfangreich und nicht standardisiert.

Dabei ist gerade die späte Diagnose ein bedeutendes Problem in der Versorgung von Betroffenen. „Die späte Diagnose ist ein Kernproblem unserer Arbeit”, sagt Prof. Heiko Krude, der das Zentrum für Seltene Erkrankungen an der Berliner Charité leitet. Für die Seltenen Erkrankungen gebe es wenige Experten, die Diagnostik werde dadurch erschwert.

Tipps unter Kollegen

Zur Verbesserung der Situation geht es für den Hausarzt keinesfalls darum, sich dieses spezifische Fachwissen zu den höchst unterschiedlichen Krankheitsbildern anzueignen. Vielmehr geht es um ein Schärfen des Blickes in extrem außergewöhnlichen Fällen. Dies beinhaltet unter anderem folgende Schritte, formuliert vom im November 2017 verstorbenen Allgemeinmediziner Dr. Diethard Sturm:

  • „Bei ungewöhnlichen Verläufen, bei Auffälligkeiten in der Inzidenz (ungewöhnliches Alter), der Persistenz trotz Therapie oder der Progredienz muss der Hausarzt aktiv werden und den Dingen auf den Grund gehen. Er darf den Betroffenen nicht mit einer Scheindiagnose in eine Ecke stellen, sondern muss sich darüber klar sein: Ich weiß nicht, was das ist, aber ich werde weiter suchen.”
  • „Patienten mit unverständlichen Symptomen, die in kein Krankheitsschema passen, manche mit Verhaltensauffälligkeiten, Leistungsunvermögen oder für die Altersgruppe ungewöhnlichen Störungen (…) nicht oberflächlich symptomatisch behandeln, nicht auf die Odyssee durch alle medizinischen Einrichtungen und Fachgruppen schicken und nicht mit einer Scheindiagnose „ablegen”, sondern die Weichen richtig stellen”: Empfohlen wird die direkte Überweisung an ein Zentrum für Seltene Erkrankungen.
  • Hausärzte finden eine Übersicht über die bundesweit vorhandenen Zentren im SE-Atlas bei www.se-atlas.de. „Das NAMSE (Nationales Aktionsbündnis für Menschen mit Seltenen Erkrankungen) hat die Anforderungen an die Zentren in zwei Stufen formuliert: Die großen Zentren sind verpflichtet, auch vom Hausarzt jeden Patienten anzunehmen und bis zur Diagnose zu führen. Dieser Direktzugang ist für uns Hausärzte ein großer Gewinn. Natürlich unterstützen wir durch optimale Befundübermittlung.”

Im Praxisalltag häufiger als angenommen

Bundesärztekammer, Kassenärztliche Bundesvereinigung und das Ärztliche Zentrum für Qualität in der Medizin haben darüber hinaus gemeinsam mit der Allianz Chronischer Seltener Erkrankungen (ACHSE) e. V. diverse Patienteninformationen für Betroffene entwickelt. „Die Kurzinformationen sollen helfen, die aktive Beteiligung der Patienten am Behandlungsprozess zu fördern und das Arzt-Patienten-Gespräch zu unterstützen”, so Montgomery.

Das Problem der Diagnosestellung bei Seltenen Erkrankungen, erinnern Ärztevertreter und Experten aus den Zentren zum Aktionstag, sei weiter verbreitet als gemeinhin angenommen. „Die einzelne Erkrankung ist zwar selten – doch wenn man alle Patienten der Krankheitsgruppe zusammenzählt, kommt man auf etwa ein Prozent aller Menschen”, sagt Krude. Sein Mainzer Kollege Beck fordert deshalb, Seltene Erkrankungen intensiver in der Ausbildung junger Mediziner zu behandeln.

Eine Krankheit gilt in der Europäischen Union als selten, wenn nicht mehr als fünf von 10.000 Menschen von ihr betroffen sind. Rund vier Millionen Menschen in Deutschland leiden nach Angaben des Bundesgesundheitsministeriums an einer der bis zu 8.000 weltweit bekannten Seltenen Erkrankungen.

 

Zum Anmeldebogen für Hausärzte bei Verdachtsfällen: https://hausarzt.link/mATZ2

 

 

 

Quelle: dpa

E-Mail-Adresse vergessen? Schreiben Sie uns.
Passwort vergessen? Sie können es zurücksetzen.
Nur wenn Sie sich sicher sind.

Sie haben noch kein Passwort?

Gleich registrieren ...

Für Hausärzte, VERAH® und ÄiW (Allgemeinmedizin und Innere Medizin mit hausärztlichem Schwerpunkt) ist der Zugang immer kostenfrei.

Mitglieder der Landesverbände im Deutschen Hausärzteverband profitieren außerdem von zahlreichen Extras.


Persönliche Daten

Ihr Beruf

Legitimation

Die Registrierung steht exklusiv ausgewählten Fachkreisen zur Verfügung. Damit Ihr Zugang freigeschaltet werden kann, bitten wir Sie, sich entweder mittels Ihrer EFN zu legitimieren oder einen geeigneten Berufsnachweis hochzuladen.

Einen Berufsnachweis benötigen wir zur Prüfung, wenn Sie sich nicht mittels EFN autorisieren können oder wollen.
Mitglied im Hausärzteverband
Mitglieder erhalten Zugriff auf weitere Inhalte und Tools.
Mit der Registrierung als Mitglied im Hausärzteverband stimmen Sie zu, dass wir Ihre Mitgliedschaft überprüfen.

Newsletter
Sie stimmen zu, dass wir Ihre E-Mail-Adresse für diesen Zweck an unseren Dienstleister Mailjet übermitteln dürfen. Den Newsletter können Sie jederzeit wieder abbestellen.

Das Kleingedruckte
Die Zustimmung ist notwendig. Sie können Sie jederzeit widerrufen, außerdem steht Ihnen das Recht zu, dass wir alle Ihre Daten löschen. Jedoch erlischt dann Ihr Zugang.

Auswahl
Alle der unten angegebenen Newsletter
Spicker, Checklisten und Medizin für die hausärztliche Praxis, berufspolitische News, Inhalt und E-Paper neuer HAUSARZT-Ausgaben, sowie Neues aus Wissenschaft und Organisation
Nachrichten aus der Industrie

Das Kleingedruckte
Die Zustimmung ist notwendig. Sie können Sie jederzeit widerrufen, außerdem steht Ihnen das Recht zu, dass wir alle Ihre Daten löschen. Jedoch erlischt dann Ihr Zugang.

Auswahl ändern/abbestellen

Wenn Sie für Ihr bestehendes Newsletter-Abo andere Themen auswählen oder den Newsletter abbestellen wollen, geben Sie bitte Ihre E-Mail-Adresse an und wählen Sie die gewünschte Funktion. Wir senden Ihnen dann eine E-Mail zur Bestätigung.